Rottmann, Michael (2020). Gestaltete Mathematik. Geometrien, Zahlen und Diagramme in der Kunst in New York um 1960. München: Verlag Silke Schreiber (Edition Metzel), 395 S., 32€.
Michael Rottman ist Kunstwissenschaftler und Mathematiker. An der Themenwahl seiner Vorlesungen an Universitäten und Hochschulen der letzten 15 Jahren lässt sich die inhaltliche Spanne seiner Dissertation mit dem Titel Gestaltete Mathematik. Geometrien, Zahlen und Diagramme in der Kunst in New York um 1960 ablesen. Die Themen lauteten „Mathematik in Algebra, Analysis und Elementargeometrie“, „Mathematische Formen – von der Formel zur Form in der New Yorker Kunst“ und „Bildtheorien in der Minimal Art und der Konzeptkunst.“ Die Dissertation wurde an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Kunstwissenschaft eingereicht.
Den Einfluss des Mathematischen in der Kunst in New York um 1960 beleuchtet Rottmann zunächst aus dem historischen Kontext heraus. In seinem Kapitel „Geometrien der Malerei“ wird die klassische Moderne in Europa mit der Künstlergruppe de Stijl und Piet Mondrian in der Auseinandersetzung mit Künstlern des abstrakten Expressionismus, hier mit künstlerischen Werken der Künstler Barnett Newman und Frank Stella (Streifenbilder) thematisiert. An dieser Stelle erklärt Rottmann auch den Begriff der „geometrischen Form (um 1960)“.
Rottmann beschreibt Sachverhalte der Mathematik nicht als Selbstzweck oder im alten Wettstreit von Mathematik und Kunst, sondern er legt dar, dass Mathematik in der Gestaltung der Kunst in den 60er Jahren in New York unterschiedliche Rollen spielte. Dies wird an ausgewählten Kunstwerken der Künstler Mel Bochner, Donald Judd, Sol LeWitt und der Künstlerin Ruth Vollmer dargestellt.
Dass Mathematik auf der Ebene der Methode, der Form wie auch der Metapher künstlerisch genutzt wird und sie damit den Bilddiskurs gerade in den 60er Jahren in New York stark beeinflusst hat, belegen viele künstlerische Werkbeispiele, in denen Geometrien, Zahlen und Diagramme eine Rolle spielen. Auch steht die formalästhetische und innovative Funktion der Mathematik innerhalb der Kunst der 1960er Jahre in New York im Fokus. Rottmann untersucht hier insbesondere deren Bestandteil im Bild- und Visualitätsdiskurs.
Rottmann zeigt auf, dass in New York in den 60er Jahren viele Künstler gleichzeitig Künstler und Theoretiker waren, einige Künstler standen teilweise in direktem Austausch mit Mathematikern. Donals Judd und Sol Le Witt als Hauptvertreter des Minimalismus, in deren Werken geometrische Objekte die Hauptrolle spielen, waren in den 60er Jahren gleichzeitig Künstler, Theoretiker und in der Lehre an Universitäten tätig. Interessant ist, wenn Rottmann veranschaulicht, dass aus der Mathematik heraus Denkmodelle entwickelt wurden. Der Künstler Mel Bochner hat beispielweise das Cantorsche Paradox als Denk-Modell in Bezug auf das Verhältnis von Sehen und Denken herangezogen.
Rottmann strukturiert das Verhältnis der Mathematik zur Kunst in New York um 1960 unter in vier Themenbereiche mit den Kapitelüberschriften „Gestaltete Mathematik“, „Gebaute Geometrien“, „Gerechnete Geometrien“ und „Diagrammatische Kunst“. Rottmanns präzise Analyse und Fülle von Vergleichsbeispielen mit der zeitgenössischen Kunst (Carl Andre, Hanne Darboven, Jasper Johns, Ellsworth Kelly, Robert Morris, Robert Rauschenberg, Ad Reinhardt, Andy Warhol) sowie der europäischen Moderne (Josef Albers, Max Bill, Marcel Duchamp, Piet Mondrian, dem Manifest von de Stijl). Es entsteht eine unter diesen vier Themenschwerpunkten aufbereitete Materialsammlung.
Rottmann weist auch auf die „Ambivalenzen des Mathematischen“ hin, in der Art und Weise der Nutzung des Mathematischen und auf den Bereich der Pseudorationalität. Er nutzt zudem Selbstaussagen der Künstler, die einen sehr interessanten Blick auf die Künstlerintention geben. Die akribische Auflistung der Kunstwerke von Künstler Mel Bochner, Donald Judd, Sol LeWitt und der Künstlerin Ruth Vollmer, die Rottmann den vier Kapiteln unterordnet wirkt insgesamt etwas unübersichtlich. Biografische und Bibliografische Angaben und eine Werkübersicht nach Künstlerpersönlichkeiten sortiert wären im Anhang deshalb interessant gewesen.
Das Buch kann allen Lesern wärmstens empfohlen werden, die sich einen Überblick des werkimmanenten Einflusses der Mathematik in der Kunst in New York um 1960 verschaffen wollen. Diese werden den Materialreichtum dieses Buches – vom Wandel des Geometrischen, über das Arithmetische und die numerischen Ordnungen, zum Einfluss der Funktionen mathematischer Diagramme in der Kunst – zu schätzen wissen.
Rezension: Beate Klompmaker