schoene fragen aus der geometrieJürgen Bokowski

Springer Spektrum Verlag; 1. Aufl. 2020 Edition (6. November 2020), Taschenbuch, 249 Seiten, 32,99 €

ISBN-10: 3662618249
ISBN-13: 978-3662618240

Der Autor, emeritierter Professor an der TU Darmstadt, wünscht sich in seinem Vorwort, „dass viele Leser große Teile des Textes verstehen, wobei sie sich so wohl fühlen sollten, wie sich Zoobesucher an Tieren erfreuen, die sie erstmalig sehen“. Und er fährt fort: „Mein Wunsch, Teile der Geometrie verständlich erklärt zu haben, mag nicht immer in Erfüllung gehen, aber ich habe jedenfalls versucht, das Niveau niedrig zu halten durch Verzicht auf Beweise und durch Unterstützung durch viele Zeichnungen, Modelle und Filme.“

Ich dachte bisher, dass ich einen guten Überblick über viele Gebiete der Geometrie habe. Dieses Buch hat mich eines anderen belehrt. In manchen Teilen des Buches stellt der Autor geometrische Objekte vor, die für mich neu waren – und das, obwohl diese auch schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts z. B. von dem großen Geometer Felix Klein untersucht wurden.

Seit Studienzeiten (in den 60iger Jahren) sind mir zwar die Sätze von Pappus und Desargues aus der projektiven Geometrie bekannt, dass aber Verallgemeinerungen davon (sog. Punkt-Geraden-Konfigurationen mit n Punkten und n Geraden, auf denen jeweils k Punkte liegen) auch zu aktuellsten Forschungen und interessanten praktischen Anwendungen geführt haben, ist für mich eine überraschende Erkenntnis.

Im Weiteren werden kurz die platonischen und archimedischen Körper vorgestellt, bevor deren Analoga in höheren Dimensionen diskutiert werden. Insbesondere sind ausführliches Thema der vierdimensionale Würfel (Hyperkubus) und dessen verschiedene grafische Veranschaulichungen. Da ich mich mit diesen Fragen intensiv beschäftigt habe, haben mir die vielen Abbildungen zu den vierdimensionalen Verallgemeinerungen der anderen Körper auch zu einer gewissen Vorstellung verholfen.

Das kurze Kapitel über „Symmetrien und Permutationsgruppen“ setzt doch einige Kenntnisse voraus. Nach einer extrem kurzen Einführung des Begriffs „Gruppe“ werden vom Autor als Beispiele dafür die Symmetriegruppen des regulären Fünfecks, regulären Tetraeders, Würfels, Oktaeders und schließlich von Ikosaeder und Dodekaeder hergeleitet. Die Mathematik hierzu dürfte nur zu verstehen sein, wenn man mit dem Gruppenbegriff ein wenig vertraut ist . So notiert denn auch Bokowski selbst am Ende dieses Abschnitts: „Weitere Begriffe der Gruppentheorie wären wünschenswert  … Stop! Ich stelle erneut fest: Viele Teile der Mathematik sind nicht leicht zu vermitteln.“

Unbekannt sind mir die Inhalte aus den Abschnitten über „Zellzerlegte geschlossene Flächen“ und „Reguläre Karten“. So führe ich mir diese denn als unbedarfter Zoobesucher vor Augen. Trotz der vielen Abbildungen, teils Fotos von Modellen oder Screenshots von Computersimulationen, teils Zeichnungen, ist es schwer eine Anschauung davon zu bekommen. Und auch die Videos, die man leicht mit Hilfe von QR-Codes auf youtube ansehen kann, vermitteln teilweise eine ästhetischen Eindruck der komplexen Strukturen – das ist wohl auch die Absicht dahinter –, führen mich aber nicht zu einer tieferen Einsicht. Wer da noch weiter einsteigen will, dem empfiehlt Bokowski die kostenlosen Programme Cinderella und Blender.

Nach dem Studium seines Buches – zugegeben: in manchen Teilen nicht mit dem Ehrgeiz, alles genau zu durchdringen – meine ich, dass der Wunsch des Autors doch sehr hochgesteckt ist. Wer sich bereits mit dem jeweiligen Thema ein wenig befasst hat, der wird von den Ausführungen wahrscheinlich einen Gewinn haben. Wenn das nicht der Fall ist, dann setzt das beim Leser eine intensive Beschäftigung voraus, die nicht zu vergleichen ist mit einem Besuch im Zoo.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)