pi und die primzahlenEdmund Weitz

‎Springer; 1. Aufl. 2021 Edition (31. März 2021); 277 Seiten; 24,99 €

ISBN-10: ‎3662628791
ISBN-13: ‎978-3662628799

„Die Leibniz-Reihe ist eine Formel zur Annäherung an die Kreiszahl Pi, die Gottfried Wilhelm Leibniz in den Jahren 1673–1676 entwickelte und 1682 in der Zeitschrift Acta Eruditorum erstmals veröffentlichte. Sie lautet: \(1-\frac{1}{3}+\frac{1}{5}-\frac{1}{7}+\frac{1}{9}-\ldots=\frac{\pi}{4}\)

Diesen Eintrag findet man bei Wikipedia in den ersten beiden Zeilen, wenn man den Begriff Leibniz-Reihe nachschlägt. Die Formel wird in Fachbüchern mit Methoden der Analysis hergeleitet.

Der Autor, Edmund Weitz, Professor für Mathematik und Informatik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, hat zur Herleitung dieser Formel ein ganzes Buch geschrieben, nämlich das hier zu besprechende! Er ist – um das schon einmal vorwegzunehmen – ein begnadeter Erzähler.

Die ersten Sätze lauten „Dieses Buch hat keinen praktischen Wert. Wäre es ein Roman, würden Sie das wohl auch nicht von ihm erwarten ...“ und zwei Seiten weiter gesteht er „... werden wir unsere Formel sehr umständlich herleiten. … Warum sollte man sich das antun? Konfuzius würde antworten: ‚Weil der Weg das Ziel ist!‘“ Das genau trifft in der Tat die Absicht des Autors.

Die Formel ist eigentlich nicht das entscheidende. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass der Autor erst spät, auf Seite 71, seinen Plan vorstellt, nämlich die Zahl \(\pi\) zu berechnen mit Hilfe der Anzahl der in einem Kreis liegenden Gitterpunkte (das sind die mit ganzzahligen Koordinaten). Denn jeden dieser Punkte kann man sich als Mittelpunkt eines Einheitsquadrats vorstellen und „dann entspricht das Zählen der Punkte dem Messen der Fläche der Quadrate, die augenscheinlich eine gute Näherung für die Kreisfläche ist“. In der Ausführung seines Plans führt Weitz die komplexen Zahlen und die gaußsche Zahlenebene ein, erklärt die notwendigen Rechenoperationen und untersucht dann auch zahlentheoretische Eigenschaften, die er für seinen Beweis benötigt. Auf diesem langen Weg erfährt man dann auch, welche Rolle die Primzahlen bei dieser Herleitung spielen und kann so verstehen, wie es zu dem Buchtitel gekommen ist. Mit Hilfe von Geometrie, Algebra und Zahlentheorie kommt der Autor schließlich zu der oben angegebenen Formel. Der Kurs dorthin ist nicht immer geradlinig, es gibt Kurven und Umwege, aber immer wieder wird man auf die richtige Spur gebracht.

Einen schönen Beweis hat Weitz hier entwickelt, den man sicher auch auf kürzerem Wege hätte darstellen können. Aber er hat eine ausgesprochen anregende Art zu erzählen, er lässt sich keine am Rand dieses Weges oder auch einmal etwas abseits liegenden mathematischen Edelsteine entgehen (wie z. B. Euklids Beweis für die unendliche Reihe der Primzahlen).  Auch philosophiert er immer einmal wieder über die Mathematik und ihre Methoden. Und er schweift auch gerne noch weiter ab: so erfährt man anekdotenhaft etwas Interessantes über so bekannter Mathematiker wie Archimedes, Descartes und Fermat, Leibniz und Newton oder Gauss, er bringt uns aber auch weniger bekannte wie al-Chwarizmi, Galois und Emmi Noether näher.

Die Lektüre ist nicht immer ganz einfach, da werden Schulkenntnisse nur ausreichen, wenn man dem Autor folgt und sich mit den eingestreuten Fragen auseinandersetzt. Aber selbst wenn man manche Denkschritte nicht auf Anhieb nachvollziehen kann, bringt der Autor es immer wieder fertig, das Interesse aufrecht zu halten. Der unterhaltsame und lockere Stil begeistert mich und wird das auch bei allen tun, die sich für Mathematik und ihre Geschichte interessieren.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)