Matthias Müller, Christina Walther
Springer; 1. Aufl. 2022 Edition (10. Juni 2022); Taschenbuch, 155Seiten
ISBN-10: 3662646633
ISBN-13: 978-3662646632
Die beiden Autoren – Matthias Müller, Mathematiker, und Christina Müller, Chemikerin, beide promoviert – haben gemeinsam am Schülerforschungszentrum in Jena Fragestellungen und Experimente mit Kindern und Jugendlichen entwickelt und erprobt. Dabei gilt für sie „das forschend-entdeckende Lernen sowohl für den naturwissenschaftlichen als auch für den mathematischen Bereich als geeignete Arbeitsweise oder sogar als didaktisches Prinzip“. In diesem Buch sind zwanzig „alltägliche Experimente“ zusammengestellt, die sich für „zu Hause“ an die „ganze Familie richten“.
In allen Kapiteln werden die Experimente stets in familiäre Situationen eingebettet, in denen die Eltern, drei Kinder und Oma und Opa von alltäglichen Fragen ausgehend sich mathematischen oder chemischen Themen widmen. In dieser Familie sind alle sehr wissbegierig und mindestens einer von ihnen kann die anderen zu den verschiedenen Untersuchungen motivieren und sie anleiten. Eine ideale Wissenschaftsfamilie!
Da hier in der „Leseecke“ der DMV wohl mathematische Literatur erwartet wird, werde ich zunächst und ausführlicher auf die 12 kleinen mathematischen Projekte eingehen, bevor auch die anderen 8 besprochen werden, die sich im wesentlichen mit chemischen Themen befassen (im Buch allerdings in bunter Reihenfolge angeordnet sind).
Selber handwerklich aktiv werden muss man bei Themen aus der Geometrie, wenn man aus Papier einen Tetraeder auffalten oder ein Papp-Modell des von dem Mathematiker George Polya so genannten „Allzweckstöpsels“ herstellen soll. Bei letzterem lernt man eine Software („3-D-Builder“) kennen, mit dessen Hilfe dieser Körper sogar über einen 3-D-Drucker erzeugt werden könnte. Den Satz des Pythagoras findet man dann in Anwendungen bei der Gärtnerkonstruktion der Ellipse und bei Fliesenmustern. Etwas anspruchsvoller wird die Mathematik, wenn es um „Gleichdicks“ geht. Dieses Thema dürfte eher unbekannt und deshalb wohl überraschend für viele Leser sein. Wie man diese konstruieren kann, das ist sehr anschaulich beschrieben; etwas anspruchsvoller sind hier die Beweise. Das gilt ebenso für die interessanten Untersuchungen dreier bekannter Spiele, „Monopoly“, „Siedler von Catan“ und „Mäxchen“ (auch unter „Lügen-Max“ oder „21“ bekannt), bei denen jeweils zwei Würfel benutzt werden. In diesen Abschnitten können auch erste Erfahrungen mit einer Tabellenkalkulations-Software erworben werden. Nach diesem Kapitel weiß man, warum die Oma beim „Monopoly“ öfter als die Enkelin gewinnt. Auch nach der Analyse des Würfelspiels „Mäxchen“ könnte man seine Gewinnchancen künftig erhöhen. Ein wenig „höhere“ Mathematik wird benötigt, wenn eine geometrische Reihe aufgestellt und diskutiert wird – aber hier wird das Thema auch nur lehrbuchartig abgehandelt und nicht „experimentell“ erarbeitet.
Farbstoffe stehen im Mittelpunkt mehrerer chemischer Experimente. Dabei geht es um Filzstifte und Textmarker, die mit Filterpapier und Lösungsmitteln (Chromatographie) und UV-Licht (Fluoreszenz) auf die enthaltenen Farbstoffe untersucht werden. Weiterhin werden Pflanzenfarbstoffe und deren Eigenschaft als mögliche Säure-Basen-Indikatoren analysiert. Hier werden schon etwas fortgeschrittene Kenntnisse der Chemie vermittelt, allerdings überschreiten die komplizierten Strukturformeln der organischen Chemie wohl die Kenntnisse in vielen Familien. Recht sorgfältiges Arbeiten wird bei einigen Versuchen verlangt, wenn sie gelingen sollen. Auch nicht alle für die Experimente erforderlichen Stoffe dürften in Haushalten vorrätig sein, allerdings lassen sie sich leicht beschaffen (z. B. Brennspiritus oder Pottasche).
Die Kapitel zur Chemie sind in ihren theoretischen Ausführungen auf etwas höherem Niveau angesiedelt. Erfahrungsgemäß aber machen solche experimentellen Untersuchungen interessierten Jugendlichen Spaß, auch wenn sie zunächst die theoretischen Zusammenhänge nicht voll verstehen. Die 12 mathematischen Abschnitte des Buches sind unabhängig voneinander zu lesen – die einfacheren davon sind ab 10 Jahren, die anderen ab 14 Jahren gut zu bearbeiten. Wie im Buch in der Rahmenhandlung erzählt, wird aber die Hilfe von Älteren (Geschwistern, Freunden oder Verwandten) hilfreich sein. Dasselbe gilt für die chemischen Experimente.
Rezension: Hartmut Weber (Kassel)