kurvendiskussionVasco Alexander Schmidt

BoD – Books on Demand; 1. Edition (16. Januar 2023); Taschenbuch; 238 Seiten; 10 €

ISBN-10: 3756236544
ISBN-13: 978-3756236541

Wie kann oder soll man ein Wörterbuch oder Lexikon rezensieren? Wer, wie ich, erst einmal das Buch an zufälliger Stelle aufschlägt und quer liest, wird sich an manchen Stellen doch sehr wundern (etwa steht unter dem Stichwort „kleines Einmaleins“ der Text „sinnliche Angelegenheit, die zwei verschiedene Systeme im Gehirn beschäftigt“). Ein Wörterbuch der Mathematik – wie es im Untertitel heißt? Aber genauer steht dort ja „Wörterbuch der populären Mathematik“. Und so sollte man auf jeden Fall die Einleitung vorweg lesen, die eine Beschreibung und Erklärung liefert, wie das Buch entstanden ist und welche Inhalte es präsentiert.

Der Verfasser, studierter Mathematiker und promoviert in Linguistik über das Thema „Grade der Fachlichkeit in Textsorten zum Themenbereich Mathematik“, hat über 30 Jahre lang Zeitungstexte über die Welt der Mathematik gesammelt – nicht systematisch, „sondern abhängig von der verfügbaren Zeit und sich wandelnden Interessen“. Im Buch  exzerpiert er aus diesen Texten kurze Aussagen und sortiert diese unter Stichworten ein. So beschreibt er dieses Wörterbuch schließlich als „kein Nachschlagewerk, sondern eine persönliche Sammlung mathematischer Popularisierungsversuche“.

Und da man ein Lexikon nicht von vorn bis hinten liest, schlagen wir einfach auf und lesen dort weiter. Zum Stichwort „Algebra“ notiert er folgende drei Erläuterungen

  • „Rechnen mit Unbekannten“,
  • „Rechnen mit Ergänzungen und Ausgleich“,
  • „Fachgebiet, das - wie es heute in der Mathematik betrieben wird – mit dem, was wir in der Schule darüber gelernt haben, fast nichts mehr zu tun hat“,

und dann folgt ein längeres Zitat von Thomas von Randow in der ZEIT aus dem Jahre 1995. Dem schließen sich die Stichworte „Boolesche Algebra“, „Computer-Algebra“ , „normierte Divisionsalgebra“, „lineare Algebra“, „moderne Algebra“, „Oktonienalgebra“ und „Quaterionenalgebra“ mit jeweils ein oder mehreren Aussagen an.

Zum Begriff „Null“ werden 15 kurze Beschreibungen und zwei Zitate aus den Jahren 2000 und 2020 notiert. Dann treten u. a. noch als weitere Schlagworte auf: „grüne Null“ mit „Symbol für einen soliden Haushalt für folgende Generationen“, „rote Null“ mit ausgeglichener Haushalt mit der Tendenz zu Mehrausgaben“ und „schwarze Null“ mit „Haushalt ohne neue Schulden“ und „Fetisch einer sparsamen, konservativen Finanzpolitik in Zeiten hoher Steuereinnahmen“.

Ich habe nicht alles gelesen, aber viel – die Sammlung verlockt häufig zum Weiterlesen, manche überraschende Definitionen tauchen auf, gelegentlich regen sie zum Schmunzeln an. So wird der „Mathematiklehrer“ (der ich war) als „bedauernswerter Mensch“ beschrieben, „der nicht nur mit den Vorgaben der Didaktiker und ihrer Moden geschlagen ist, sondern auch am Gängelband der Ministerialbürokratie operieren muss, die ihm Lehrpläne und Lernziele vorschreibt“.

Schluss der Details. Wie kann man ein Wörterbuch noch kennzeichnen? Notizen und Bewertungen zu sehr vielen Mathematikern kommen vor, von den Großen des Fachs von Pythagoras über Gauß bis Hilbert und Bourbaki, von zeitgenössischen wie Hirzebruch, Zagier, Beutelspacher oder Faltings und vielen anderen, deren Namen (mir teilweise) unbekannt sind – da haben die persönlichen Interessen des Herausgebers den Ausschlag gegeben. Themen, die in den letzten Jahrzehnten fast als Mode in der Presse auftauchten, fehlen nicht: Chaos und Fraktale, Fuzzy-Logik, der Beweis des großen Fermat-Satzes durch Wiles, Primzahlrekorde, die sieben Milleniumsprobleme und manches mehr.

Leider sind nur die wörtlichen Zitate mit Quellenangabe und Datum versehen. Gern hätte ich auch an anderen Stellen, z. B. bei den Nennungen der Mathematiker, das Erscheinungsdatum und die Quelle gefunden. Alle großen Tages- und Wochenzeitungen, wie der Spiegel, Die Zeit, Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche und Berliner Zeitung lieferten neben anderen die Notizen – der Verfasser liebt offensichtlich eine ausgiebige Zeitungslektüre.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)