Emmy Noether Ihr steiniger Weg an die Weltspitze der Mathematik Dirk Langemann

Springer Spektrum; 1. Aufl. 2022 Edition (15. Mai 2022); 223 Seiten; 27,99 €

ISBN-10: ‎366264830X
ISBN-13: ‎978-3662648308

Mit diesem Buch setzt Dirk Langemann die Reihe So einfach ist Mathematik erfolgreich fort, zu der mittlerweile die Bände Basiswissen für Studienanfänger aller Disziplinen1, Zwölf Herausforderungen im ersten Semester2 sowie Partielle Differenzialgleichungen für Anwender3 gehören. Das Buch richtet sich vor allem an Studierende von Ingenieurwissenschaften, wobei der Autor von seinen entsprechenden, langjährigen Lehrerfahrungen an der TU Braunschweig profitieren kann.

Der Inhalt des Buchs ist klar im üblichen Kanon eines grundlegenden Studiums der Ingenieurwissenschaften angesiedelt, etwa Maschinenbau oder Bauingenieurwesen, und lässt keine Themen vermissen. Grundlagen aus den ersten Semestern wie etwa Analysis und Lineare Algebra werden vorausgesetzt, an einigen Stellen im Buch jedoch auch wiederholt und in Erinnerung gerufen, sodass der Fluss erhalten bleibt ohne auf ein anderes Nachschlagewerk zurückgreifen zu müssen.

Die Tour durch die gewöhnlichen Differentialgleichungen beginnt mit einer Einführung, in der motivierende Beispiele vorgestellt und diskutiert werden. Dazu gehört heutzutage natürlich auch die Epidemie-Modellierung anhand des grundlegenden SIR-Modells, aus dem Begriffe wie die Basisreproduktionszahl abgeleitet werden. Darüber hinaus werden vor allem natur- und ingenieurwissenschaftliche Beispiele diskutiert, allen voran natürlich der klassische Federschwinger.

Anschließend werden eine Handvoll Klassen von Differentialgleichungen vorgestellt, die man mit einfachen Rezepten lösen kann, etwa durch Trennung der Veränderlichen. Hier und im Folgenden legt der Autor aber sehr viel Wert darauf, dass es um das Verständnis geht, nicht um das bloße Auswendiglernen von ein paar Rezepten. Dies gelingt ihm aus meiner Sicht gut, auch wenn ich natürlich nicht so unvoreingenommen wie Studierende im Bachelor sein kann. Es folgt eine Diskussion klassischer Existenz- und Eindeutigkeitsresultate, die im Rahmen des Buches nicht bewiesen sondern vor allem erklärt, veranschaulicht und diskutiert werden. Nicht nur an dieser Stelle kann das Buch auch für Studierende der Mathematik gewinnbringend sein und eine angenehme Ergänzung zu vergleichsweise trockenen und technischen Vorgehensweisen bieten.

Lineare Differentialgleichungen werden im folgenden Viertel des Buchs diskutiert. Wie vorher auch werden wiederkehrende Beispiele erneut aufgegriffen, um wichtige Grundlagen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und neue Techniken in bekannten Zusammenhängen zu erproben. Der klassische Federschwinger wird ausführlich diskutiert und dient als eines der Leitbeispiele, das Verknüpfungen mit üblichen Vorlesungen der Physik und Ingenieurwissenschaften herstellt.

Schließlich folgt die Kür durch eine Reihe von Einblicken in fortgeschrittenere Techniken wie die Laplace-Transformation, die Stabilitätstheorie dynamischer Systeme sowie einfache Randwertprobleme und deren Green-Funktionen. Hierbei werden wie bisher auch viele Beispiele verwendet und Ausblicke auf folgende Veranstaltungen im Ingenieursstudium gegeben.

Aus meiner Sicht gelingt dem Autor eine sehr eingängige Einführung in die gewöhnlichen Differentialgleichungen, vor allem für Studierende der Ingenieurwissenschaften. Dazu trägt auch der ganz eigene Charme und Witz bei, den der Autor immer wieder durchblicken lässt. Während der Lektüre werden die Leserinnen und Leser gezielt direkt angesprochen und angeregt, über Sachverhalte nachzudenken und sie selbst zu veranschaulichen oder zu rechnen. Dazu gehören auch viele Vorschläge, wie man sich (idealerweise in kleinen Gruppen) eigene Übungsaufgaben erstellen kann, um notwendige Rechentechniken zu üben. Dafür enthält das Buch keine gesonderten Übungsaufgaben.

Zusammenfassend kann ich nur eine klare Empfehlung für das Buch geben. Durch den Aufbau und den schriftstellerischen Stil liest es sich sehr flüssig und angenehm. Am Anfang werden auch kleine Code-Beispiele aus Matlab und Mathematica eingestreut, um die ersten Schritte in der numerisch-symbolischen Lösung von Differentialgleichungen zu erleichtern, die heutzutage zum Handwerkzeug gehören. Für anwendungsorientierte Studiengänge kann das Buch sicherlich gut genutzt werden und auch in theoretischer arbeitenden Studiengängen kann man davon profitieren, solange man sich nicht von anwendungsnahen Schreibweisen (oder einem „Missbrauch“?) wie \(\bf{q}\)\(=\)\(\bf{q}\)\((t)\) abschrecken lässt, sondern die Veranschaulichungen und Anwendungen als Motivation und Bereicherung empfindet.

Literatur
1 Langemann, D., Sommer, V.: So einfach ist Mathematik. Basiswissen für Studienanfänger aller Disziplinen.
Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg (2018) https://doi.org/10.1007/978-3-662-55823-2
2 Langemann, D.: So einfach ist Mathematik. Zwölf Herausforderungen im ersten Semester. Springer
Spektrum, Berlin, Heidelberg (2021) https://doi.org/10.1007/978-3-662-63720-3
3 Langemann, D., Reisch, C.: So einfach ist Mathematik. Partielle Differenzialgleichungen für Anwender.
Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg (2018) https://doi.org/10.1007/978-3-662-57502-4

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Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, 2023, Band 70, S. 77-79
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Hendrik Ranocha (Uni Hamburg)