geniale frauen in der wissenschaftLars Jaeger

Springer; 1. Aufl. 2023 Edition (16. März 2023); 259 Seiten; 27,99 €

ISBN-10: ‎3662665271
ISBN-13: 978-3662665275

Eine aktuelle Untersuchung aus dem Jahr 2020 stellt fest1: „Noch immer ist der Frauenanteil unter den MINT-Studierenden in Deutschland mit etwa einem Drittel im internationalen Vergleich recht niedrig “ und weiter „Wir brauchen hier auf jeden Fall mehr weibliche Vorbilder und positive Rollenmodelle!“.

Solche Beispiele präsentiert Lars Jaeger in beeindruckender Weise: er beschreibt in diesem Buch das Leben, Kämpfen und Wirken von 18 großen Wissenschaftlerinnen. Neben sieben Mathematikerinnen porträtiert er elf Wissenschaftlerinnen, die in den Bereichen Philosophie, Physik, Medizin, Astronomie, Informatik, Chemie und Biologie gearbeitet haben.

Unter diesen ist Marie Curie sicher die am weitesten bekannte, durch die Auszeichnung mit zwei Nobelpreisen (Physik, 1903, und Chemie 1911) die „wohl berühmteste Wissenschaftlerin der Geschichte“ und „Ikone in der gesamten wissenschaftlichen Welt“. Bei ihr hat sich das Nobelkomitee schon früh über die noch lange danach weithin verbreitete Benachteiligung weiblicher Forscher hinweggesetzt. Diese Wertschätzung wurde zwei bedeutenden Frauen, der Physikerin Lise Meitner und der Chemikerin Rosalind Franklin, nicht entgegen gebracht – ihre Namen sind auch viel weniger bekannt, obwohl sie mit ihrer Forschungsarbeit überragende Leistungen erbracht haben. Meitner hat zusammen mit Otto Hahn die Atomkernspaltung entdeckt und obwohl die Erklärung dafür von ihr stammt, wurde der Nobelpreis dafür nur an Hahn verliehen. Franklin muss heute als Entdeckerin der Struktur der DNA gelten – während aber Francis Crick und James Watson dafür den Nobelpreis erhielten, ging sie leer aus, obwohl die beiden berühmten Männer sich heimlich experimentelle Daten aus Franklins Labor beschafft hatten.

Auch die anderen im Buch vorgestellten Naturwissenschaftlerinnen haben ähnliche Benachteiligungen und mangelhafte Aufmerksamkeit erfahren.

Für die Mathematikerinnen war es ebenfalls bis weit in das 20. Jahrhundert schwer, die akademische Laufbahn in der Weise zu gestalten, wie es für die männlichen Kollegen in aller Regel selbstverständlich war. Ihre Namen sind weithin unbekannt. Das gilt wohl auch für eine so bedeutende Frau wie Emmy Noether, die der Autor mit den Worten kennzeichnet: „[sie] fährt als hervorragende, innovative Mathematikerin auf internationalem Parkett bedeutende Erfolge ein – und gleichzeitig ist es selbstverständlich, dass sie ohne Stellung und ohne Gehalt an der Erlangener Universität ein akademisches Schattendasein führt“.

Als einzige Frau aus der Antike tritt Hypatia auf, über deren Leben erst neuere Forschung zeigte, dass sie „wohl eine der einflussreichsten Mathematikerinnen der Weltgeschichte“ war. Sie lebte in der Zeit des Übergangs vom „antiken zum christlichen Zeitalter [….] – und damit dem Beginn eines Jahrtausends bildungsfeindlichen und antiwissenschaftlichen Denkens“. So ist es nach Ansicht des Verfassers nicht verwunderlich, dass er aus dieser Zeit nur eine Frau in sein Buch aufnehmen kann, nämlich Hildegard von Bingen, „die Brückenbauerin zwischen Mystik und Wissenschaft“, die im 12. Jahrhundert lebte.

Erst wieder im 18. und 19. Jahrhundert findet Jaeger die nächsten in der Reihe der „genialen Frauen“. Aus der Mathematik hat er Sophie Germain, „die größte Mathematikerin Frankreichs“, Ada Lovelace, „die Erfinderin der Computer-Algorithmen“, und Sofja Kowalewskaja ausgewählt. Diese durfte sich trotz der „enthusiastischen Fürsprache“ des einflussreichen deutschen Mathematikers Karl Weierstraß nicht an der Berliner Universität immatrikulieren. Wegen ihrer „herausragenden Leistungen in Analysis, Funktionentheorie, partieller Differentialgleichungen und theoretischer Physik“ erhielt sie durch den Einsatz von Gösta Mittag-Leffler später eine ordentliche Professur in Stockholm, eine der ersten für eine Frau. Und eine Fields-Medaille, die auch wegen ihres hohen Prestiges als gleichrangiger Ersatz für einen nicht existierenden Nobelpreis für Mathematik angesehen wird, empfängt als erste Frau im Jahre 2014 Maryam Mirzakhani, was ihr auch „in ihrem Heimatland [Iran] zu großer Popularität“ verhilft.

Das Buch zeigt in drastischer Weise, dass Frauen in der Wissenschaft benachteiligt waren und ihre Leistungen meist nicht adäquat gewürdigt wurden, geschweige denn, dass sie ihren Lebensunterhalt selbständig bestreiten konnten.

1 Dritter Gleichstellungsbericht (Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V.)

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)