Andreas Helfrich-Schkarbanenko
Springer Spektrum; 1. Aufl. 2023 Edition (26. September 2023); Taschenbuch, 304 Seiten, 29,99 €
ISBN-10: 3662682087
ISBN-13: 978-3662682081
Seit ChatGPT am Ende des Jahres 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, sind KI-Anwendungen in aller Munde, und die Reaktionen reichen von glühender Befürwortung bis zu warnender Kritik. Im vorliegenden Buch beschreibt der Autor, ein Mathematikprofessor an der Hochschule Karlsruhe, wie er dieses Werkzeug einsetzt, etwa zur Lösung von (mehrheitlich Rechen-) Aufgaben, zur Erstellung von Tests und zur Korrektur von Programmieraufgaben.
Einige Beispiele sind äußerst beeindruckend; genauso beeindruckend ist allerdings die Liste der Schwachstellen, die dankenswerterweise explizit in einem Anhang gesammelt sind. So kann ChatGPT die Aufgabe „Finde den Schnittpunkt einer Ebene mit einer Geraden” (mit konkreten Parametern) problemlos lösen, scheitert aber daran, die Schnittgerade zweier Ebenen zu bestimmen; tatsächlich wird die Lösung dann doch gefunden, wenn man ein zusätzliches Plugin lädt.
Die analysierten Beispielaufgaben haben das Niveau von Schulmathematik bis ca. 2. Semester. Der Autor fragt ChatGPT auch nach Beweisen; hier sieht es jedoch mitunter eher trübe aus. Selbst Beweise, die er für korrekt hält, erweisen sich bei näherem Hinsehen als hanebüchen (siehe Seite 117). Forschungsmathematik steht nicht im Fokus des Texts; gerade hier produziert ChatGPT nach meiner Erfahrung jede Menge falsche bzw. inhaltsfreie Antworten, die als „Halluzinationen” bekannt sind.
Eine Stärke von ChatGPT, die der Text dokumentiert, liegt in seinen Fähigkeiten, Code fur LaTeX, TikZ oder Matlab zu erzeugen; viele Beispiele im Buch belegen das. Außerdem sieht man, dass als Eingabe natürliche Sprache akzeptiert wird („Kommt Dir die Notation \(\mathbb R^2\) bekannt vor?”), und es wird (unfreiwillig) dokumentiert, dass ChatGPT auch falsches Deutsch klaglos versteht („gebe an” , „lese vor” ).
Generell legt der Autor Wert darauf, seine Erfahrungen zum „prompt engineering”, d.h. zur geschickten Formulierung und Nachjustierung von Anfragen weiterzugeben. Auch hierzu gibt es einen eigenen Anhang mit Tipps.
Das Buch ist 2023 erschienen, und diese Rezension stammt vom September 2024. Ob ChatGPT und andere Sprachmodelle auch nützliche Werkzeuge für fortgeschrittene Mathematik werden, wird die (vermutlich nicht allzu ferne) Zukunft zeigen.
Rezension: Dirk Werner (FU Berlin)