fuenf unloesbare raetsel der mathematikEdmund Weitz

Rowohlt Taschenbuch; 1. Edition (28. Januar 2025); Taschenbuch; 272 Seiten; 15 €

ISBN-10: ‎3499014262
ISBN-13: ‎978-3499014260

Geht es dem Verfasser hier etwa um fünf bisher ungelöste Rätsel, die noch auf eine Lösung warten? Nein, wirklich unlösbare Probleme werden hier beschrieben – Probleme, an denen sich teils über viele Jahrhunderte hin unzählige Menschen vergeblich um eine Lösung bemüht haben – bis schließlich bewiesen wurde, dass sie nicht gelöst werden können.

Liebhaber der Mathematik werden hier viel Bekanntes wiederfinden, denn der Verfasser wählt berühmte Probleme aus der Geschichte des Faches aus. Die Lektüre dieses Buches ist jedoch auch für den Kenner unbedingt empfehlenswert. Man wird nicht nur durch den lockeren, teils flapsigen und überaus unterhaltsamen Stil, sondern auch durch wenig bekannte Einzelheiten (mir war der Name Wantzel nicht bekannt) und mathematische Herleitungen belohnt. Mag auch der einen oder dem anderen auf manchen Seiten dieses Buches etwas zu viel an Rechnungen vorgeführt werden – dann bitte auf Papier selber nachrechnen oder aber überblättern und weiterlesen – die Erläuterungen der grundlegenden Ideen sind sehr anschaulich und verständlich und nebenbei erfährt man auch viel Lesenswertes aus den Biografien der großen Mathematiker.

Im erstes „Rätsel“ widmet sich Weitz den drei klassischen Problemen der Antike, deren Unlösbarkeit im 19. Jahrhundert bewiesen wurde. Eines von denen ist die „Quadratur des Kreises“, die als Paradigma für eine unlösbare Aufgabe Eingang in die Alltagssprache gefunden hat. Anhand der beiden anderen, „Verdoppelung des Würfels“ und „Dreiteilung des Winkels“, erklärt Weitz ausführlich, was die auf den ersten Blick unverständliche Schwierigkeit der Fragestellung ist. Es geht nämlich darum, dass die Aufgabe nur mit Zirkel und Lineal (und dieses ohne Längenmarkierung) bearbeitet werden darf. Diese drastische Einschränkung war eine charakteristische Eigenschaft der antiken griechischen Mathematik. „Um die Vergeblichkeit jeglicher weiterer Lösungsversuche einzusehen, musste die Mathematik … die ‚Scheuklappen‘ des griechischen Erbes loswerden.“ Ein erster wesentlicher Schritt dazu war die Erfindung der neuen analytischen Geometrie durch den Philosophen und Mathematiker René Descartes. Mit deren Hilfe wurde schließlich rund 200 Jahre später die Unlösbarkeit dieser beiden Probleme endgültig vom oben genannten Pierre Wantzel bewiesen.

Dem berühmten antiken griechischen Mathematiker Euklid haben wir ein weiteres dieser „Rätsel“ zu verdanken: Generationen von Mathematikern haben vergeblich versucht, das Parallelen-Axiom (das fünfte „Postulat“, in der Formulierung Euklids) aus den vier anderen Axiomen herzuleiten. Dass dies unmöglich ist, führte im 19. Jahrhundert schließlich zur Entdeckung der nicht-euklidischen Geometrien.

Auch ein algebraisches Problem, nämlich das Finden einer Lösungsformel für Gleichungen, hat die mathematische Welt viele Jahrhunderte beschäftigt. Wie spannend die Suche und das Finden der Formeln für Gleichungen 3. und 4. Grades im 16. Jahrhundert in Italien ausging, schildert Weitz ausführlich – ebenso wie das weitere vergebliche Suchen nach Formeln für höhere Grade. Allmählich war die Fachwelt von der Unmöglichkeit überzeugt und dank einer entscheidenden Idee des erst 20-jährigen Evariste Galois war dann ein für alle Mal das Problem erledigt und die Unlösbarkeit bewiesen.

Während man die ersten drei „Rätsel“ wegen ihrer Anschaulichkeit auch Laien recht gut erklären kann, ist das bei den letzten beiden nicht so einfach. Es geht zum einen um die „Grundlagenkrise der Mathematik“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in der Formalisten und Intuitionisten um deren Grundlagen stritten und es um die Widerspruchsfreiheit der Mathematik ging. Zum anderen um die sogenannte Kontinuumshypothese, die Georg Cantor im Rahmen seiner Entdeckungen zu aktual unendlichen Mengen formuliert hatte. Der deutsche Mathematiker David Hilbert hatte diese beiden Probleme in seinem berühmten Vortrag auf dem zweiten internationalen Mathematikerkongress im August 1900 in Paris vorangestellt. Durch die Gödel’schen Unvollständigkeitssätze und die Ergebnisse von Paul Cohen wurde bewiesen, dass beide unlösbar sind.

Edmund Weitz schreibt im Vorwort „Darum will ich versuchen, diese Ideen so darzustellen, dass man sie ohne spezielle Vorkenntnisse nachvollziehen kann“. Das ist ihm außerordentlich gut gelungen. Die Erfindung der Axiomatik in Euklids „Elementen“, die „bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ein Standardlehrbuch an Europas Schulen und Universitäten waren“, wird ebenso anschaulich geschildert wie die Tatsache, dass die Griechen ihre drei klassischen Geometrie-Probleme nicht lösen konnten, weil sie nur geometrisch dachten und wenig algebraische Kenntnisse besaßen. Die Entdeckung von Galois über die Unlösbarkeit der Gleichungen stieß, wie Weitz begründet, Jahrzehnte auf geringes Interesse, da man vor allem an Lösungen interessiert war, weniger an Beweisen für Unlösbares. Auch für die Grundlagenkrise der Mathematik Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts findet Weitz bei aller Kürze eine für Laien verständliche Zusammenfassung.

Dem obigen Zitat folgt im Vorwort dann der Satz „Allerdings wird die Lektüre damit nicht zum Kinderspiel“. Das gilt nicht nur für die immer wieder einmal eingefügten kurzen Einschübe mit ergänzenden Informationen, sondern auch für einige längere Passagen, in denen Weitz über die Ideen hinaus auch konkret auf mathematische Methoden eingeht. So wird etwa für den Beweis der Unmöglichkeit der Würfelverdoppelung ein Konstruktionsprozess algebraisch konkret beschrieben, der zeigt, dass die notwendige dritte Wurzel (nötig für die Berechnung der Seitenlänge aus dem Volumen) nicht gelingen kann. Beim Beweis der Unmöglichkeit einer Lösungsformel für Gleichungen höheren Grades spielt die Beobachtung eine entscheidende Rolle, dass die Lösungen wechselseitig von den Koeffizienten abhängen. Auch diese Eigenschaft wird konkret an Beispielen demonstriert und führt letzten Endes zum Beweis, dass es eine solche Formel nicht geben kann.

Der Autor meint, dass für diese beiden Herleitungen Schulkenntnisse ausreichen, sie fordern aber doch konzentriertes Mitdenken. Für das Nachvollziehen der Entdeckungen Gödels allerdings kann man nicht auf solche Kenntnisse zurückgreifen. Da handelt es sich nicht um eine leichte Kost – aber das ist beim vielleicht größten Logiker des 20. Jahrhunderts auch nicht zu erwarten.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)