Schere, Stein, Papier
Spieltheorie im Alltag
Lens Fisher
Spektrum Akademischer Verlag; Auflage: 1st Edition.
(1. April 2010), 283 Seiten, gebunden, 19,95 €
ISBN-10: 3827424674
ISBN-13: 978-3827424679
Bei einem Buch über Spieltheorie denkt ein Mathematiker an Matrix-Spiele, Gleichgewichtspunkte, Fixpunktsätze, Lineares Programmieren und das Simplex-Verfahren. Nichts dergleichen wird er in diesem Buch finden. Das Buch enthält keine einzige Formel! Das Nash-Gleichgewicht wird verbal erklärt und grundlegende Probleme wie etwa das Gefangenen-Dilemma werden durch die Auszahlungsmatrix der beiden Kontrahenten dargestellt.
Trotzdem enthält dieses Buch auch mathematisch interessante Ausführungen. In die Umgangssprache ist schon der Begriff der „Win-Win-Situation“ eingegangen. Mehrfach wird der Satz aufgeführt, dass man jedes Nicht-Konstantsummen-Zweipersonenspiel in eine Win-Win-Situation umwandeln kann. Nach dem Gefangenen-Dilemma in Kapitel 1 wird in Kapitel 2 die gerechte Aufteilung von Gütern behandelt. Gibt es nur zwei Personen, so gibt es eine salomonische Lösung: Der eine teilt, der andere wählt. Schwieriger wird es, wenn mehrere Personen vorhanden sind und/oder auch mehrere Güter. Auch die Aufteilung des Nachlasses unter mehreren Witwen gehört zu diesem Problemkreis. Hierfür gibt es eine stochastische Lösung, aber es soll auch eine spieltheoretische Lösung geben. Für das Verteilen unter mehr als zwei Personen wird ein mathematischer Algorithmus erwähnt, aber nicht dargestellt.
Den letzten Nobelpreis für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gab es in der Spieltheorie zu Gunsten von Robert Aumann und Thomas Schelling. Dieses Buch ist mehr ein Buch im Sinne der Spieltheorie von Thomas Schelling. Schelling und Schelling-Punkte werden in Kapitel 3 bei der Besprechung der 7 fatalen Lemma im Zusammenhang mit dem Freiwilligen-Dilemma erwähnt. Das vierte Kapitel „Schere, Stein, Papier“ hat dem gesamten Buch den Titel gegeben. Wegen der Intransitivität sind drei betrachtete Strategien gleichwertig, keine dominiert alle anderen. Bemerkenswert ist, dass berichtet wird, dass es sogar Weltmeisterschaften für dieses Spiel gibt. Es gibt auch empirische Untersuchungen über die Anwendungs-Wahrscheinlichkeiten der drei gleichwertigen Strategien. Als eine biologische Anwendung wird auf S. 87 der Gemeine Seitenfleckleguan (Uta stansburiana) erwähnt. Hiervon gibt es drei verschiedene Arten, die zur Stabilisierung der Population drei verschiedene Überlebensstrategien anwenden. Keine der drei Strategien ist dominant.
Dem Autor geht es vor allem um die Auflösung sozialer Dilemmas. Dies zeigen die Kapitel „Einigung erzielen“ und „Vertrauen“. In dem 7. Kapitel „Tit for Tat“ geht es um Altruismus und Vergeltung. Im 8. Kapitel wird gezeigt, wie man durch Abänderung des Spiels und Hinzunahme neuer Spieler eine schwierige Situation einer Lösung zuführen kann. Dieses Buch diskutiert soziologische, psychologische und politische Aspekte der Spieltheorie. Im letzten Kapitel zeigt sich aber, dass der Autor ein Physiker ist, der mit Hilfe der in Entwicklung befindlichen Quantencomputer eine Quantenspieltheorie entwickeln will.
Ein amüsantes und in viele Gebiete hineinreichendes Buch liegt hier vor. Es zeigt auch, wie man Spieltheorie auf Alltags-Situationen anwenden kann.
Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, März 2012, Band 59, Heft 1
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags
Rezension: Hilmar Drygas (Universität Kassel)