hoehere arithmetik

Disquisitiones Arithmeticae
Untersuchungen über höhere Arithmetik

Carl Friedrich Gauss
Deutsch herausgegeben von H. Maser.
Verlag Kessel, Remagen-Oberwinter, 2009,
695 Seiten,

ISBN 978-3941300095

Die vorliegende Edition ist ein Faksimile-Reprint der Auflage von 1889 (J. Springer, Berlin).
Sie enthält die Übersetzungen der zahlentheoretischen Schriften von Gauss aus den Bänden I und II seiner Werke, dort im Original in Latein. Hinzugefügt hat der Übersetzer eigene Bemerkungen zu den Gauss'schen Texten (S. 683-695). Die Edition umfasst auch einige Untersuchungen aus dem handschriftlichen Nachlass von Gauss (S. 589-682).

Der weitaus größte Raum wird eingenommen von Gauss' eindrucksvollem und erstaunlichem Jugendwerk Disquisitiones Arithmeticae (D. A.) (Fleischer, Leipzig, 1801). Hinter dem bescheidenen Titel verbirgt sich ein epochemachendes Buch (hier S. V-XII, 1-453), dessen Bedeutung zu seiner Zeit vor allem in Frankreich sofort erkannt wurde. Umso mehr verwundert es einen heutzutage, dass der preußische Baurat August Leopold Crelle, bekannt als Gründer des Journals für die Reine und Angewandte Mathematik, die D. A. als Hieroglyphenbuch bezeichnete. Denn wer die D. A. unbefangen zu lesen beginnt, der wird angenehm überrascht sein von den zahlreichen und hilfreichen Zahlenbeispielen und sorgfältigen Erläuterungen. Zumindest das Material der ersten vier Abschnitte (S. 1-110) ist gut geeignet für Vorlesungen, Vorträge und die Arbeit mit interessierten Schülerinnen und Schülern.

Wesentlich anspruchsvoller und als eigenständige Neuschöpfungen von Gauss sind der fünfte und siebente Abschnitt zu betrachten (Theorie der binären quadratischen Formen und Kreisteilung).

Es seien nun noch einige Details erwähnt. Der vierte Abschnitt der D. A. enthält den historisch ersten vollständigen Beweis des Reziprozitätsgesetzes der quadratischen Reste, von Gauss Fundamentalsatz genannt und wie folgt formuliert: Ist p eine Primzahl von der Form 4n+1, so wird +p, ist dagegen p eine solche von der Form 4n+3, so wird p Rest oder Nichtrest jeder Primzahl sein, welche, positiv genommen, Rest oder Nichtrest von p ist (Artikel 131). Neben der Folge der ungeraden Primzahlen 3,5,7,11, ist also hier die Folge 35711131719 zu betrachten. Es ist äußerst bemerkenswert, dass diese Folge in der Kreisteilung wieder auftaucht (Artikel 356) und den Schlüssel zu weiteren Beweisen des quadratischen Reziprozitätsgesetzes liefert.

Die Theorie der binären quadratischen Formen kulminiert in der Komposition der Formen und der Komposition der Formenklassen. Hier ist auf einen Fehler in der Übersetzung hinzuweisen. Auf S. 238, Artikel 236, heißt es in der Aufgabe in der Übersetzung: so soll man die aus jenen zusammengesetzte Form finden. Der bestimmte Artikel die ist hier nicht angebracht, es muss eine heißen. Denn die Komposition der Formen ist keine (eindeutige) Operation, sondern eine dreistellige Relation. Erst der Übergang zu den Formenklassen liefert eine (kommutative und assoziative) Operation, die auf der Menge der Formenklassen eine endliche Gruppenstruktur definiert.

Der siebente Abschnitt handelt von den Einheitswurzeln, d.h. den Wurzeln von xn1=0 , wobei n als Primzahl vorausgesetzt ist. Gauss löst hier zum ersten Mal die Gleichung xn1=0 vollständig algebraisch auf. Das (Nicht-)Verhältnis von Gauss zur Einheitswurzel-Theorie von Vandermonde (1770) ist vor kurzem vom Rezensenten neu untersucht worden (siehe [1]). Wer sich in die Gauss'sche Theorie der Kreisteilung über die D. A. hinaus vertiefen möchte, dem sei eine in der vorliegenden Edition abgedruckte Abhandlung aus dem Nachlass empfohlen (S. 630-652). Eine umfassende Würdigung der zahlentheoretischen Schriften von Gauss und der sich daran anschließenden Entwicklungen findet man bei [2] und [3].

[1] R. E. Bradley, C. E. Sandifer (Eds.), Leonhard Euler: Life, Work and Legacy, Elsevier, Amsterdam, 2007.
[2] C. Goldstein, N. Schappacher, J. Schwermer (Eds.), The Shaping of Arithmetic after C. F. Gauss's Disquisitiones Arithmeticae, Springer, Berlin, 2007.
[3] I. Grattan-Guiness (Ed.), Landmark Writings in Western Mathematics 1640--1940, Elsevier, Amsterdam, 2005.

Rezension: Olaf Neumann (Jena)