karin reich

Wolfgang Sartorius von Waltershausen, Gauß zum Gedächtniss
Biographie Carl Friedrich Gauß, Leipzig 1856
Mit dem von Karin Reich verfassten Essay


Karin Reich (Hrsg.)
Edition am Gutenbergplatz Leipzig 2012, VIII + 200 Seiten, 26,50 €

ISBN 10: 3937219579
ISBN 13: 978-3937219578

Etwa ein Jahr nach dem Tode Carl Friedrich Gauß’ veröffentlichte Wolfgang Sartorius von Waltershausen eine Denkschrift, die dem Leben und Werk des „Fürsten der Mathematiker“ gewidmet war – ein Nachruf im besten Sinne. Sartorius hörte in seiner Göttinger Studienzeit etliche Vorlesungen bei Gauß und blieb diesem stets sehr verbunden. Seine Gedenkschrift ist daher die einzige umfangreichere Biographie, die sich auf Berichte aus erster Hand zum Leben Gauß’ beziehen kann. Kein Wunder, dass sich nahezu alle Gauß-Biographien auf diese stützen, und dass Sartorius heute vor allem als Gauß-Biograph bekannt ist.

Lesenswert ist die Schrift immer noch, wenn man von einigen in der heutigen Zeit doch recht befremdlich klingenden Huldigungen an Gauß einmal absieht. Sartorius gelingt es, dem Leser Gauß als Menschen zugänglich zu machen – im Vergleich mit der gaußschen Literaturgestalt in Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ (die allerdings auch keinerlei Anspruch auf historische Richtigkeit erhebt) ist das eine richtige Wohltat! Jedenfalls sind sämtliche mir bekannten Geschichten und Anekdoten über Gauß in dem Werk vertreten; vermutlich haben diese genau hier ihren Ursprung. Da Sartorius nicht nur sehr interessant, sondern auch flüssig und unterhaltsam zu schreiben verstand, ist das Lesen ein kurzweiliges Vergnügen. Schon aus diesem Grund kann ich bereits an dieser Stelle für das Buch unbedenklich Werbung machen.

Das Buch ist aber beileibe nicht nur die x-te Neuauflage der Gedenkschrift: Karin Reich (die sich bescheiden lediglich als „Herausgeberin“ bezeichnet) hat noch ein höchst lesenswertes Essay über Wolfgang Sartorius von Waltershausen hinzugefügt. Neben den biographischen Daten erfahren wir, dass Sartorius (wie bereits oben erwähnt) während seines Studiums in Göttingen zahlreiche Vorlesungen bei Gauß gehört hat. Hierbei kam er mit den Studien von Gauß und Weber zum Erdmagnetismus in Kontakt. Auf eigene Kosten unternahmen Sartorius und Johann Benedict Listing eine Forschungsreise nach Italien, die Untersuchungen zum Erdmagnetismus zum Ziel hatte; weitere Untersuchungen auf dem Familiengut und in einem von Gauß geleiteten Team in Göttingen folgten. Auch die zweite Italienreise beschäftigte sich noch nebenher mit dem Erdmagnetismus. Das Hauptziel war die genaue Vermessung des Ätna; überhaupt ist Sartorius neben seiner Gauß-Biographie vor allem durch sein erst nach seinem Tode veröffentlichtes Werk über den Ätna bekannt.

Außer der Gedenkschrift zeigen die heute noch verfügbaren Briefe von Sartorius seine enge Verbundenheit zu Gauß. Gedichte von Sartorius über das Gauß’schen Heliotrop und über Gauß und Wilhelm Weber lassen ebenfalls die außerordentliche Wertschätzung erkennen. Die umgekehrte Beziehung ist mangels verfügbarer Schriftstücke wesentlich weniger gesichert: nur durch Indizien lässt sich belegen, dass Sartorius zum engeren Freundeskreis von Gauß gehörte.

Somit erhält man mit dem Kauf des Buches nicht nur eine der wichtigsten Gauß-Biographien, sondern auch noch gesicherte Erkenntnisse über den Biographen. Hinzu kommen ein gemeinsames Register für Gedenkschrift und Essay (das in den bisherigen Nachdrucken fehlte) sowie ein umfangreicher Literaturnachweis. Folglich kann ich das überaus interessante Werk jedem Gauß–Liebhaber nur empfehlen.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Februar 2013, Band 60, Heft 1
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Harald Löwe