Die Hosen des Pythagoras
Physik, Gott und die Frauen
Margaret Wertheim
Piper Verlag, 2000, 10,90 €
ISBN: 349223710X
Hier ist ein spannenendes, interessantes Buch über die Geschichte der Physik.
Ausführlich, mit viel Detail-Wissen und leicht verständlich (auch für den Laien) geht Margaret Wertheim der Entwicklung der Physik und Astronomie nach. Sie beschreibt das Leben und die Forschungsarbeit bekannter Naturwissenschaftler und Mathematiker. Dabei interessiert sie zum einen besonders der Zusammenhang von Religion, Glauben und Forschungsergebnissen der Wissenschaftler. Zum anderen sucht sie nach Frauen, die Einfluss auf die Entwicklung der Physik genommen haben. Sie stellt fest, dass bis ins späte 19. Jahrhundert - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nur Männer die Forschungsgebiete und Inhalte der Physik bestimmt haben.
Viele der bekannten Forscher haben sich nicht nur mit den Naturwissenschaften beschäftigt, sondern auch mit Theologie. "Vom 13. bis ins 18. Jahrundert richteten sich die führenden Köpfe der mathematischen Physik bewusst an den Lehren der christlichen Kirche aus." Insbesondere die Astronomie, die Erforschung des Laufes von Erde, Mond, Sonne und Sternen, die Auffassung des "Weltbildes" überhaupt, war davon stark beeinflusst. Auch institutionell waren Theologie und Naturwissenschaften eng verbunden: Beispielsweise konnte an der Universität Cambridge nur Dozent werden, wer auch ein Priesterexamen abgelegt hatte. Damit waren Frauen ebenso wie vom Studium der Theologie und dem Aufstieg in der Hierarchie der Kirche auch vom Studium der Naturwissenschaften und von den Arbeitsmöglichkeiten in diesen Gebieten ausgeschlossen.
Erst im 19. Jahrhundert trennten sich Physik und Religion und fingen an, in mancher Hinsicht Gegenpole zu werden. Der Physiker von heute versucht Natur und Welt allein mit Logik und mathematischen Formeln aufgrund von stets wiederholbaren Experimenten zu beschreiben. Dies hat nichts mehr mit dem zu tun, was man bisher unter "Glauben" verstand. Allerdings steht dahinter immer noch ein "Glauben": nämlich, dass sich unsere Welt allein durch "schöne" mathematische Modelle beschreiben lässt; mit dem "Warum?" beschäftigt sich die heutige Physik nicht mehr.
Dass es heute immer noch so wenig Frauen in der Physik gibt - 3% der Professorenstellen in den USA -, vermutet M. Wertheim in diesen religiösen Ursprüngen der Physik. Da sich jahrhundertelang Männer das Recht auf die Deutung der Natur vorbehielten und die weiblichen Vorbilder fehlen, würden sich auch heute noch nur wenige Frauen auf dieses Gebiet wagen.
Zum Schluss stellt M. Wertheim die These auf, dass sich die Forschungsinhalte der Physik in eine andere Richtung entwickeln würden, wenn mehr Frauen an dieser Entwicklung teilnähmen: weg von der Suche nach einer mathematischen Beschreibung der Natur, der "theory of everything (TOE)", mehr hin zu einer praktisch anwendbaren und ethisch besser verantwortbaren Physik.
Margaret Wertheim regt sehr zum Nachdenken, Fragen und Diskutieren an. Sie hat sicher recht, dass die historische Entwicklung der Physik eine sehr große Rolle bei dem mangelnden Interesse der Frauen an der Physik spielt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob allein damit der große prozentuale Unterschied zwischen Männern und Frauen in Mathematik und Physik zu erklären ist.
(Rezension: Silke Göbel)