stedall

From Cardano’s great art to Lagrange’s reflections:
Filling a gap in the history of algebra

Jacqueline Stedall
European Mathematical Society 2011, xii+224 Seiten, 68 €
Sprache: Englisch

ISBN-10: 3037190922
ISBN-13: 978-3037190920

Gängige Übersichten zur Geschichte der Mathematik verfolgen die Geschichte der Algebra von den mesopotamischen Zivilisationen bis hin zu Tartaglia und Cardano’s Ars magna, dann wird in der Regel ein großer Sprung vollführt und die Geschichte der Algebra wird mit Lagrange und seinen Ergebnissen zur Gruppentheorie sozusagen wieder gestartet. Das Publikationsdatum der Ars magna ist 1545; Lagrange publizierte seine großen Einsichten im Jahr 1771. Was geschah in den 226 Jahren dazwischen? Übernahm erst einmal die Analysis in diesen Jahren und ging die Algebra derweil schlafen, um erfrischt unter den Händen eines Lagrange zu erwachen? Welche Sekundärliteratur gibt es denn überhaupt speziell zur Geschichte der Algebra? Da ist zum Einen das bei Noordhoff 1973 erschienene Buch „Origins of modern algebra“ des Ungarn Nový Luboš, der noch Descartes eine wichtige Rolle zuweist, sich aber auf die Zeit von 1770 bis 1870 konzentriert. Der Klassiker ist „A history of algebra from al-Khwãrizmï to Emmy Noether“ von Bartel van der Waerden. Selbst dieser eminente Algebraiker mit tiefer historischer Einsicht (man lese nur seinen Klassiker „Erwachende Wissenschaft“) springt in nur einer Seite von Descartes (1637) zu Lagrange. Aus neuerer Zeit (2000) ist das sehr lesbare Buch „The beginnings and evolution of algebra“ von Isabella Bashmakova und Galina Smirnova zu nennen, das ich vor einiger Zeit in dieser Rubrik besprechen durfte. Die Autorinnen behandeln die Zeit vom 17. zum 18. Jahrhundert auf immerhin etwa 6 Seiten, aber die Ergebnisse eines Viète oder eines Eulers und anderer aus dieser Zeit bleiben doch unzusammenhängend nebeneinander stehen. Auch „An Introduction to the History of Algebra“ von Jacques Sesiano (2009) kommt gar nur bis zu Descartes. Dem Ziel des Stedallschen Buches am nächsten kommen vielleicht „Die Geschichte der Algebra“ (Hrsg. E. Scholz) und „A History of Abstract Algebra“ von Israel Kleiner (2007), aber hier wird ein anderer Weg beschritten.

Jacqueline Stedall hat dem dunklen Zeitalter der Algebra zwischen Cardano und Lagrange auf die Sprünge geholfen und eine Geschichte der Algebra in dieser Zeit vorgelegt. Stedall ist prädestinert für diese Aufgabe, hat sie doch mit ihrer Untersuchung „A discourse concerning algebra: English algebra to 1685“ zur Algebra bei John Wallis dem „al-jabr“, also dem Auflösen von Gleichungen, schon ein Forschungsprojekt gewidmet. Um dieses „al-jabr“ geht es schließlich auch in der Zeit bis Lagrange, der letztlich von der reinen Auflösung von Gleichungen zu strukturellen Fragen vorstößt und das „al-jabr“ hinter sich läßt.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Teil I ist „From Cardano to Newton: 1545 to 1707“ überschrieben, Teil II mit „From Newton to Lagrange: 1707 to 1771“ und der sehr kurze dritte Teil mit „After Lagrange“. Teil I ist noch klar personell gegliedert: Cardano, Viète, Descartes und Newton, aber das ist für die stürmischen Jahre in Teil II nicht mehr ohne weiteres möglich. Im ersten Teil spielt neben den genannten Protagonisten natürlich auch Thomas Harriot die ihm gebührende Rolle, kein Wunder auch, denn Harriot und seine Algebra waren in der Vergangenheit intensiver Forschungsgegenstand von Stedall, so wie auch die Algebra des John Wallis. Teil III ist ein Rückblick, aber auch ein Ausblick auf die nach Lagrange kommende Algebra.

Das Buch ist sehr lebhaft geschrieben, außerordentlich informativ und sehr empfehlenswert. Die European Mathematical Society hat mit ihrer Buchreihe Heritage of European Mathematics, in der auch das vorliegende Buch erschienen ist, ein kleines Meisterwerk vollbracht. Die Bücher sind sauber und robust gebunden und das verwendete Papier ist ein nicht ganz weißes, haptisch sehr angenehmes, das zur hervorragenden Lesbarkeit viel beiträgt. Einige Abbildungen sind eingestreut.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, März 2012, Band 59, Heft 1
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Thomas Sonar (Braunschweig)