life logarithms and legacy

John Napier
Life, Logarithms, and Legacy

Julian Havil
Verlag: Princeton University Press 2014, 291 Seiten, 30,95 €
Sprache: Englisch

ISBN-10: 0691155704
ISBN-13: 978-0691155708

Zumindest unter Mathematikern ist der Schotte John Napier (1550–1617) bekannt, gilt er doch neben dem Schweizer Jost Bürgi (1552–1632) als der Entdecker der Logarithmen. Julian Havil, der mir durch sein Buch GAMMA über die Eulersche Konstante bereits vor einigen Jahren sehr positiv aufgefallen ist, versucht in dem vorliegenden Buch, Leben und Werk Napiers einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Allerdings gibt es mit dem Leben Napiers erhebliche Schwierigkeiten – es ist fast nichts darüber bekannt. Havil versucht mit einigem Erfolg, die wenigen gesicherten Daten sowie einige Spekulationen zu einem groben Bild zusammenzusetzen, wobei er glücklicherweise nicht der Versuchung erliegt, die fehlenden Fakten durch die Geschichte Schottlands dieser Zeit zu ersetzen; diese wird zu Recht in den Anhang verbannt. Viel mehr als eine verblasste Fotografie Napiers entsteht so nicht – aber dies ist besser als ein detailreiches Gemälde, das nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Um Napiers Bedeutung und Wirken erfassen zu können, muss man daher seine Schriften heranziehen – und genau um diese geht es im Hauptteil des Buches. Den Reigen beginnt ein heute eher absonderlich anmutendes Werk Napiers: „A Plaine Discovery of the Whole Relevation of St. John“ ist eine Analyse der Offenbarung, deren Ergebnisse (wie es sich einem Mathematiker geziemt) in Propositionen gegliedert sind. Hierbei „offenbart“ sich vor allem Napier, nämlich als Erz-Evangelikaler, der im Katholizismus und insbesondere im Papst das Böse schlechthin sieht. Damit wird Napier allerdings nur zu einem Extremen in einer extremen Zeit – die Schrift jedenfalls erfuhr damals eine beträchtliche Aufmerksamkeit.

In den beiden folgenden Kapiteln werden die Arbeiten Napiers besprochen, die mein Interesse an dem Buch geweckt haben: Die Einführung des Logarithmus und damit ein Meilenstein in der Geschichte der Mathematik steht auf dem Programm. Gerade hier gelingt Havil vorbildlich der Spagat zwischen Werktreue, Lesbarkeit für jeden, der sich für Logarithmen interessiert, und einer Aufarbeitung des Textes in moderner mathematischer Sprache. Es ist einfach ein Genuss, den Ausführungen Havils zu folgen! So erfahren wir von den in der Geometrie verwurzelten Motiven Napiers, den Logarithmus für die Werte des Sinus zu berechnen, um die allfälligen Verhältnisrechnungen um ein wesentliches zu vereinfachen. Genauer: Die Tafeln enthalten die Werte von 107 ln (107 /x) für x = 107 sin (α), wobei die Schrittweite von α eine Bogenminute beträgt. Damit konnten alle vorkommenden Werte, die immerhin auf 7 Stellen genau sind, als ganze Zahlen angegeben werden. Auch die Gedanken Napiers zum Logarithmus sowie die Berechnungsverfahren kommen zur Sprache. In diesen Überlegungen, die Havil erneut liebevoll für den mathematischen Laien aufbereitet, kann der Leser bereits erste Ahnungen der später entstandene Differentialrechnung erkennen – auch hier zeigt sich, dass Napier zu den großen Mathematikern seiner Zeit gerechnet werden muss.

Ein weiterer Beitrag Napiers zur Mathematik sind die nach ihm benannten Rechenstäbe, die ebenfalls die ihnen gebührende Aufmerksamkeit in einem eigenen Kapitel finden, sind sie doch gewissermaßen Vorboten der automatisierten Rechnung. Auch die nicht veröffentlichten, von seinem Sohn zusammengetragenen Fragmente zur Rechenkunst fehlen nicht, zeigen sie doch, dass Napier etwa im Umgang mit negativen Zahlen (die noch heftig umstritten waren und sich beileibe noch nicht durchgesetzt hatten) seiner Zeit bereits voraus war. Das letzte Kapitel beschäftigt sich – wie könnte es anders sein – mit dem weiteren Werdegang des Logarithmus nach Napier. Mehrere Anhänge, die vor allem mathematische Erläuterungen und Exkursionen beinhalten, für die im Text selbst kein Platz war, runden das Buch ab.

Insgesamt halten wir damit nicht nur eine ausgesprochen gut lesbare Würdigung Napiers in den Händen, sondern insbesondere eine wirklich spannend geschriebene Schilderung der Geburt des Logarithmus, die man auch und gerade einem interessierten Laien guten Gewissens zum Lesen geben kann. Ich für meinen Teil habe die Lektüre jedenfalls sehr genossen. Daher spreche ich dem Werk meine uneingeschränkte Empfehlung aus.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2015, Band 62, Heft 2
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Harald Löwe (Braunschweig)