mathematik im mittelalterlichen Islam

Mathematik im mittelalterlichen Islam

J. Lennart Berggren
Springer Verlag (2011), xvi + 219 Seiten, 29,95 €

ISBN: 978-3-540-76687-2

Im Jahr 1986 erschien J. Lennart Berggrens Buch Episodes in the Mathematics of Medieval Islam im Spinger Verlag. Lob kam nicht nur von Seiten des Zentralblatts, in dem vom „first book of its kind“ gesprochen wurde, sondern auch von zahlreichen Rezensenten anderer Zeitschriften. Im Jahr 2003 erschien eine Taschenbuchausgabe und dokumentierte damit das bleibende Interesse der Leserschaft an diesem vom Umfang her eher schmalen Buch. Die vom Verlag angeregte Übersetzung ins Deutsche, die wir hier zu betrachten haben, haben Autor und Verlag zum Anlass genommen, um das Werk weiter zu verbessern. Der Autor hat neuere Entwicklungen der Forschung aufgenommen und bekannte Fehler der englischsprachigen Version beseitigt. Der Verlag hat – der Zeit und den modernen Druckmedien angemessen – nun farbige Abbildungen zugelassen und das tut dem Erscheinungsbild des Buches natürlich sehr gut.

Diskutieren wir zu Beginn die Bedeutung und den Platz des Werkes. Wie Berggren schon im Vorwort seiner Originalausgabe schrieb, wurde er durch das Buch Episodes from Early Mathematics von Asger Aaboe – heute ein (teils überholter) Klassiker – angeregt, etwas Ähnliches für die Mathematik im Islam vorzulegen, merkte aber schnell, dass das Material eine derart umfassende Beschreibung nicht erlaubte. In der antiken Mathematik der Mesopotamier oder der Griechen herrschen wenige große Werke vor; bei den Mesopotamiern mangels Masse, bei den Griechen ist das große, dominierende Werk offenbar ein Desideratum gewesen, wovon man sich in den Büchern eines Sir Thomas Heath überzeugen kann. Im Islam herrschen dagegen viele eher kurze Abhandlungen vor, deren Bedeutung nur mit vermehrtem Hintergrundwissen über die Kultur und die historischen Entwicklungen verständlich werden. Die Einbeziehung von Beschreibungen dieser historisch-kulturellen Entwicklungen macht einen der Reize dieses Buches aus. Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Konzentration auf die Quellen. Berggren bleibt stets dicht an den Quellen, präsentiert uns Auszüge und gibt Übersetzungen an, so dass die Leserschaft nicht das Gefühl bekommt, Zusammenfassungen der bekannten Sekundärliteratur zu lesen. Ergänzend zu Berggrens Buch kann (und soll) der Abschnitt „Mathematics in Medieval Islam“ in dem 2007 bei Princeton University Press erschienenen Buch The Mathematics of Egypt, Mesopotamia, China, India, and Islam – A Sourcebook gelesen werden, bei dem Victor J. Katz als Editor fungierte. Der Autor dieses Abschnitts ist ebenfalls Berggren. Aber zurück zum vorliegenden Werk.

In einer Einleitung beschreibt Berggren die Anfänge des Islam und die islamisch-arabische Kultur in ihrer Rolle als Sammelbecken fremder (vornehmlich griechischer) Wissenschaften. Vier islamische Gelehrte werden exemplarisch vorgestellt, die Quellen diskutiert und die arabische Sprache thematisiert. Im zweiten Kapitel geht es um islamische Arithmetik, das dritte ist den geometrischen Konstruktionen gewidmet, das vierte der Algebra und das fünfte der Trigonometrie. Ein abschließendes sechstes Kapitel ist der Sphärik gewidmet.

Das Buch ist hervorragend lesbar und ein Vergleich mit der englischsprachigen Erstausgabe gibt Anlass zu der Behauptung, dass die Übersetzerin Petra Schmidl in Zusammenarbeit mit Heinz Klaus Strick hervorragend gearbeitet haben.

In Zeiten der bewussten Auslöschung mathematikhistorischer Institute in Deutschland wünsche ich dem Berggrenschen Werk eine weite Verbreitung und die hohe Akzeptanz, die ihm gebührt.

Rezension: Thomas Sonar, Braunschweig

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2011, Band 58, Heft 2, S. 238
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags