Turbulent Times in Mathematics
The Life of J.C. Fields and the History of the Fields Medal
Elaine McKinnon Riehm, Frances Hoffman
American Mathematical Society (21. Oktober 2011), 45,90 €
ISBN-10: 0821869140
ISBN-13: 978-0821869147
Mit dem Namen Fields verbinden die meisten von uns die wohl prestigeträchtigste Auszeichnung in der Mathematik, die Fields-Medaille. Seit 1936, und dann in 4-Jahres-Abständen ab 1950, wird diese hohe Auszeichnung für herausragende Forschungsleistungen in Mathematik im Rahmen des Internationalen Mathematikerkongresses verliehen. Die Verleihung ist gleichzeitig als Ansporn für weitere Forschung gedacht. Das erklärt die Beschränkung auf junge Preisträger, eine informelle Regel von Fields, die 1966 auf „höchstens 40 Jahre“ konkretisiert wurde. Gerne wird die Fields-Medaille auch als Ersatz für den nicht existierenden Nobelpreis für Mathematik gesehen. Diesen Rang macht ihr seit einigen Jahren allerdings der Abelpreis streitig.
Das vorliegende Buch hat die Fields-Medaille im Untertitel. Zunächst versteht es sich aber einmal als Biographie über John Charles Fields (1863–1932), einen der bekanntesten kanadischen Mathematiker seiner Zeit. In sehr lebendiger Weise wird von seiner Kindheit in Hamilton (Ontario) und der Studienzeit in Toronto berichtet. Man erfährt dabei en passant einiges über die aufstrebende Nation Kanada und den damaligen Stellenwert von Wissenschaft. Nach einem PhD-Studium in Baltimore (Toronto bot zu dieser Zeit noch kein Doktoratsstudium in Mathematik an), verbrachte Fields mehrere Jahre als Post-Doc in Europa: zunächst in Paris, anschließend in Göttingen und Berlin. Später bezeichnet er seinen 5-jährigen Aufenthalt an deutschen Universitäten als prägenden Faktor für seine weitere mathematische Entwicklung. Nach seiner Rückkehr nach Kanada unterrichtete und forschte Fields vorwiegend an der Universität Toronto.
Das Buch ist aber weit mehr als eine bloße Biographie über Fields. Man erfährt auch einiges über die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit in der Mathematik, die Aufbruchsstimmung in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, die ersten internationalen Kongresse und den totalen Zusammenbruch dieser Kooperationen mit Kriegsausbruch. Aufbrechende Animositäten zwischen Wissenschaftlern der Mittelmächte und der Alliierten, geschürt durch Hardliner auf beiden Seiten, führten nach Kriegsende zum kompletten Boykott der Wissenschaft der Mittelmächte. So waren beim neu gegründeten Wissenschaftsrat (International Research Council, IRC) im Jahr 1918 die ehemaligen Mittelmächte von der Mitgliedschaft vorerst ausgeschlossen. Dies hatte zur Folge, dass die Internationalen Mathematikerkongresse 1920 in Strassburg und 1924 in Toronto unter Ausschluss mehrerer Nationen stattfanden. Also wahrlich turbulente Zeiten auch für die Mathematik.
Fields war, wie viele andere auch, von Anfang an bemüht, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Ihm kamen dabei seine langjährigen Kontakte zu vielen europäischen Mathematikern zugute, insbesondere zu deutschen und französischen. Aufgrund eines Rückziehers der amerikanischen Delegation, welche den Kongress 1924 in den USA veranstalten sollte, eröffnete sich für Fields die Möglichkeit, hier Toronto ins Spiel zu bringen. Er nahm diese Chance sofort wahr und organisierte unter großem persönlichen Einsatz eine sehr erfolgreiche Tagung, was seinen Bekanntheitsgrad weiter erhöhte. Obwohl mittlerweile die meisten IRC-Mitglieder gegen einen weiteren Ausschluss der ehemaligen Mittelmächte waren, gelang es auch 1928 in Bologna nur mit Hilfe eines Tricks, einen Kongress zu veranstalten, der wieder das Adjektiv international verdiente. In diesen Jahren entwickelte Fields die Idee, bei diesen Kongressen Medaillen für herausragende Forschungsleistungen zu vergeben. Fields war es von Anfang an wichtig, dass die Medaille mit keinem Namen und keiner Nation in Verbindung gebracht werde. Man erfährt im Buch, mit welchem Einsatz Fields Werbung für dieses Projekt in Europa gemacht hat, trotz seiner bereits stark angeschlagenen Gesundheit. Die Verwirklichung der Idee konnte er leider nicht mehr erleben. Als beim Kongress 1932 in Zürich die Delegierten dem Vorschlag zustimmten, ab 1936 derartige Medaillen zu vergeben, war Fields bereits tot. Detail am Rande ist, dass der Name Fields heute weniger mit seinen mathematischen Leistungen als eben mit dieser Medaille verbunden ist, ganz entgegen seiner Intention.
Das vorliegende Buch ist weit mehr als eine Biographie über J.C. Fields. Anhand seiner in vielen Details von Riehm und Hoffman unterhaltsam erzählten Lebensgeschichte erhält man auch interessante Einblicke in die Wissenschaftspolitik des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Man erfährt von einer Internationalisierung der Mathematik, die durch den Ersten Weltkrieg ein jähes Ende findet, und den großen Mühen, die aufgerissenen Gräben wieder zu schließen. Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen und empfehle es uneingeschränkt weiter.
Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2014, Band 61, Heft 2
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags
Rezension: Alexander Ostermann (Uni Innsbruck)