peter lax mathematician an illustrated memoir

Peter Lax, Mathematician
An Illustrated Memoir

Reuben Hersh
American Mathematical Society (2015), xxi+253 Seiten, 33,85 €
Sprache: Englisch

ISBN-10: 1470417081
ISBN-13: 978-1470417086

Peter Lax wurde zu einem der bekanntesten und größten Mathematiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeiten zu Systemen hyperbolischer Erhaltungsgleichungen, zu numerischen Verfahren (Stichworte: Lax-Richtmyer, Lax-Friedrichs, Lax-Wendroff) und zur Funktionalanalysis (Stichworte: Lax-Milgram, Lax-Phillips) markieren jeweils großartige Leistungen eines Mathematikers, für den die schädliche Trennung in reine und angewandte Mathematik immer bedeutungslos war. Nun hat – noch zu Lax’s Lebzeiten – Reuben Hersh diesem Mann und seinen wissenschaftlichen Leistungen ein Denkmal gesetzt.

Lax wurde im Jahr 1926 in Budapest geboren, aber die Familie musste 1941 Ungarn verlassen, um dem Holocaust zu entgehen. Damit dürfte Peter Lax heute der letzte überlebende Mathematiker der großen Emigrationswelle sein, die mathematische Talente wie Richard Courant, Kurt-Otto Friedrichs und eben Peter Lax aus Europa nach den USA schwemmte.

Hersh beschreibt das Leben in Ungarn bevor der faschistische Mob tobte und weist auf das „ungarische Wunder“ hin: In den 1920er und 1930er Jahren gab es eine ungewöhnliche Häufung von exzellenten Mathematikern in Ungarn. Zu nennen sind Janosz (John) von Neumann, die Brüder Riesz, Georg Pólya, Gabor Szegö, Leopold Fejér, Cornelius Lanczos, Arthur Erdelyi, Paul Erdös, Dénes König, Rózsa Péter, Michael Fekete und Paul Turan, und alle genannten waren jüdischen Glaubens. Auch Peter Lax gehört in diese illustre Reihe. Seine Eltern waren beide Ärzte, der Vater Internist und die Mutter eine studierte Kinderärztin, die auf Klinische Pathologie umsattelte und das Labor des Vaters betrieb. Peter hatte einen älteren Bruder und die Familie lebte im Wohlstand mit einer Köchin und einem Kindermädchen. Schon früh fiel das mathematische Talent Peters auf und die Eltern beschäftigten daher eine mathematische Tutorin für ihren begabten Sohn, die später für ihre Arbeiten zu rekursiven Funktionen und für das populärwissenschaftliche Buch „Das Spiel mit dem Unendlichen. Unterhaltsame Mathematik“ berühmt gewordene Rózsa Péter. Péter konnte in den 1930er Jahren als Jüdin keine Professur bekommen; das gelang erst nach dem Ende des Krieges.

Nachdem die Familie Lax 1941 in die USA nach New York gekommen war, riet Gabor Szegö der Familie, mit Richard Courant an der New York University (NYU) Kontakt aufzunehmen, da dieser besonders gut mit jungen Talenten umgehen konnte. Nach dem Besuch der Highschool kam Peter Lax so an die NYU und damit unter den Einfluss von Richard Courant, während der Vater in Manhatten eine schnell florierende Praxis eröffnen konnte. Im Jahr 1944 wurde Lax 18 Jahre alt und wurde zum Militär eingezogen. Nach seiner Grundausbildung kam er allerdings nicht an einen Frontabschnitt, sondern schließlich nach Los Alamos – vermutlich hatte Richard Courant hinter den Kulissen die Fäden gezogen. Peter Lax war nun ein Mitglied im „Manhatten project“.

Nach dem Krieg verbrachte Lax den Sommer 1946 in Stanford bei den Szegös und hörte Vorlesungen bei Pólya. Die im Jahr 1949 abgeschlossene Doktorarbeit „Nonlinear system of hyperbolic partial differential equations in two independent variables“ wurde von Kurt-Otto Friedrichs an der NYU betreut und danach kehrte Lax für ein Jahr wieder nach Los Alamos zurück. Er lernte durch von Neumann die Bedeutung numerischer Verfahren und der Computern kennen, und zwar im Zusammenhang mit kompressiblen Strömungen. Dieses Gebiet hat die gesamte wissenschaftliche Karriere Peter Lax’ stark geprägt. Unter den Lax’schen Kommilitonen befanden sich weitere mathematische Talente ersten Ranges: Cathleen Morawetz, Harold Grad, Joe Keller, Louis Nirenberg – der zu Lax’ lebenslangem besten Freund wurde – und Anneli Cahn, die als Anneli Lax bald Peter Lax’ Ehefrau wurde. Anneli Cahn stammte aus dem damals deutschen Kattowitz (heute Katowice) und floh mit ihren Eltern vor den Nazis schon 1935 nach New York. Im Jahr 1948 heirateten Peter Lax und Annelie Cahn, die bereits vorher schon geheiratet hatte, um ihr Elernhaus verlassen zu können. Das Paar bekam zwei Söhne, John und James, die 1950, bzw. 1954 geboren wurden. James wurde ein Internist wie sein Großvater, John hatte einen schweren Start; bei ihm wurde eine Form von ADHS diagnostiziert und er wurde unter Ritalin gesetzt. Allerdings veränderte sich seine Persönlichkeit so stark unter dem Medikament, dass Peter Lax die Medikation absetzte. Später studierte John Amerikanische Geschichte, wurde ein anerkannter Jazz-Experte, und arbeitete an einer Dissertation, als er 1978 auf demWeg zur Bibliothek in Iowa durch Chicago fuhr und durch einen betrunkenen Autofahrer zu Tode gebracht wurde. Hersh gibt auf Seite 43 das Jahr des Unfalls mit 1982 an, aber Anhang 7 ab Seite 209 enthält den Nachdruck eines Essays von Abbott Gleason, einem engen Freund von John Lax, der das Jahr mit 1978 beziffert.

Als im Jahr 1999 Annelie Lax an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb, kamen sich die Witwe Jerry Berkowitz’, Lori Berkowitz, eine Tochter Richard Courants, und Peter Lax näher und heirateten im Jahr 2006.

Damit habe ich eine kurze Zusammenfassung der ersten drei Kapitel des Buches gegeben und um den Spaß am eigenen Lesen nicht zu verderben, beschränke ich mich jetzt auf nur wenige Bemerkungen. Im vierten Kapitel beschreibt Berkowitz die frühe Karriere des Peter Lax und wie er selbst und etliche weitere erstklassige Mathematiker Studenten von Lax wurde. Auch politische Ereignisse bleiben nicht unerwähnt, so das Abenteuer um die CDC 6600 des Courant-Instituts im fünften Kapitel. Im Jahr 1968 wurde Richard Nixon zum Präsidenten der USA gewählt und versprach das Ende des Vietnam-Krieges, hielt dieses Versprechen bekanntermaßen jedoch nicht, so dass sich studentischer Widerstand im ganzen Land rührte, als Nixon 1970 die Ausweitung des Krieges nach Kombadscha ankündigte. Verwaltung und Dozenten der NYU standen auf der Seite der Studenten in ihrem Antikriegsprotest, aber als in Ohio bei einer Demonstration von Studenten der Kent State University vier Studenten getötet und neun verletzt wurden, als die Nationalgarde wild in die Demonstration schoss, geriet die Situation auch an der NYU außer Kontrolle. Studentische Aktivisten besetzten die Warren Weaver Hall, in der sich auch der Rechner CDC 6600 befand. Der Computerraum konnte besetzt werden und die Aktivisten forderten von der NYU 100000 Dollar, um einen inhaftierten Black Panther aus dem Gefängnis in NewYork zu holen. Sollte sich die NYU weigern die Summe zur Verfügung zu stellen, sollte die CDC 6600 in Flammen aufgehen. Das Photo der Molotow-Cocktails ist auf Seite 73 zu sehen.Welche Rolle Peter Lax in dieser Auseinandersetzung spielte und ob die CDC 6600 ihr elektronisches Leben hingeben musste oder nicht – das alles ist hier mit Augenzeugenberichten zu lesen.

Im sechsten Kapitel wird die spätere Karriere Peter Lax’ beschrieben bis hin zur Verleihung des Abel-Preises in Norwegen im Jahr 2005, dem Kapitel sieben gewidmet ist. Da Peter Lax als großer Anekdotenerzähler bekannt ist, wird das Buch nach Kapitel sieben durch einige von Lax’ besten Anekdoten unterbrochen, bevor es mit dem achten Kapitel weitergeht, in dem die Bücher behandelt werden, die aus Peter Lax’ Hand stammen. Kapitel neun trägt die Überschrift „Pure AND applied, not VERSUS applied“ und bringt damit die professionelle Einstellung von Peter Lax auf den Punkt. Kapitel zehn ist den numerischen Arbeiten zu Differenzenverfahren gewidmet, den Arbeiten zu Solitonen, zur Streuung, dem Satz von Lax-Milgram und weiteren Lax’schen Ergebnissen. Ein kurzer Epilog beschließt die Biographie.

Dem Buch sind acht Anhänge mitgegeben worden, zu Anneli Lax, John von Neumann (von Peter Lax), Richard Courant (von Peter Lax), ein wissenschaftlicher Lebenslauf von Lax mit einer Publikationsliste, ein eleganter Beweis des Satzes vom abgeschlossenen Graphen aus Peter Lax’ Buch „Functional Analysis“, eine Liste der Doktoranden, ein Essay über John Lax und ein Artikel von John Lax über Jazzmusiker aus Chicago.

Reuben Hershs Biographie ist ein Kleinod in der Geschichte der modernen Mathematik. Es ist reich bebildert, hervorragend lesbar und enthält zahlreiche Interviews mit Augenzeugen.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2015, Band 62, Heft 2
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Thomas Sonar (Braunschweig)