Der Tübinger Max-Planck-Campus thront oben auf dem Berg inmitten des in den letzten Jahren entstandenen Cyber Valleys, Europas Silicon Valley in spe. Von den Dachterrassen aus sieht man bis zur Schwäbischen Alb. Sophia Jahns, die an der Universität Tübingen Mathematik studiert und ihre Promotion abgeschlossen hat, arbeitet seit Januar 2021 als Pressereferentin in der Kommunikationsabteilung der Max-Planck-Institute für Biologie bzw. für Biologische Kybernetik. Unser Gespräch – wir kennen uns von der Uni – führen wir aber nicht in ihrem Büro, sondern bei mir zu Hause.

JahnsSophia Jahns. Foto: Berthold Steinhilber/MPI für Biologie

Liebe Sophia, Du hast außer Mathematik auch Philosophie und Musikwissenschaft studiert, dann in Relativitätstheoriepromoviert und anschließend einen Postdoc in der Mathematikdidaktik gemacht. Nun ist Deine Aufgabe, Forschungsthemen aus der Biologie verständlich zu kommunizieren. Gibt es da manchmal Kommunikationsprobleme über die Fachgrenzen hinweg?

Klar, es gibt oft genug Kommunikationsprobleme. Wenn bei mir ein Paper auf dem Tisch landet, über das ich eine Pressemitteilung schreiben soll, dann weiß ich manchmal erst nicht, wo oben und wo unten ist. Das ist nicht in der Sprache geschrieben, die ich spreche. Aber das ist auch das Spannende daran. Ich verbringe immer noch sehr viel Zeit mit Nachschlagen, und die Forschenden an unseren Instituten sind sehr hilfreich und erklären mir ihre Forschung. Aber ja, es ist definitiv eine Herausforderung, ständig zwischen den verschiedenen Welten und ihren jeweiligen Sprachen zu wechseln.

Welche Pressemitteilung hat Dich besonders fasziniert oder ist Dir besonders im Gedächtnis geblieben?

Das ist eine schwierige Wahl! Unsere Kommunikationsabteilung ist für zwei Institute zuständig, dadurch haben wir eine enorme Bandbreite abzudecken. Ich finde es einerseits total spannend, in Felder reinzugucken, die sehr weit weg von meiner eigenen fachlichen Ausbildung sind, also eher in die biologische Richtung gehen. Und andererseits bin ich auch immer begeistert davon, wenn ein eher mathematisches Paper aus der Kybernetik um die Ecke kommt. Ich gebe mal für den ersten Fall ein Beispiel aus den letzten Tagen, nämlich zu Braunalgen und ihren Sexualsystemen. Braunalgen sind ziemlich faszinierende Lebewesen, weder Tiere noch Pflanzen und enorm vielfältig in Gestalt und Lebensweise. Forschende aus unserem Institut haben nun untersucht, wie gewisse Braunalgen-Arten von einem Sexualsystem mit männlichen und weiblichen Algen zu einem Sexualsystem nur mit Hermaphroditen, also nur einem Geschlecht, übergegangen sind. Für mich war das ein Einblick in eine wirklich beeindruckende Welt, mit der ich sonst wenig Berührungspunkte habe.

Inwiefern hilft Dir für Deine Arbeit die Mathematik? Oder ein bisschen enger gefasst: Ist es für Deine jetzige Tätigkeit hilfreich, dass Du promoviert hast?

Ja, ich würde sagen auf drei verschiedenen Ebenen. Bei den mathematischen Papers hilft mir natürlich mein Hintergrund, sonst hätte ich wenige Chancen, so ein Paper auch nur halbwegs zu verstehen. Auf der anderen Seite ist es gut, überhaupt zu wissen, wie Wissenschaft funktioniert, den Publikationsprozess zu kennen und wie man wissenschaftlich arbeitet. Selbst wenn es in der Mathematik nochmal anders ist als in den empirischen Wissenschaften, gibt es natürlich gewisse Parallelen. Am meisten hilft aber, dass man nach einer Promotion in Mathe eine gewisse Unerschrockenheit entwickelt hat. Wenn man mit sehr schwierigen Inhalten konfrontiert wird, dann weiß man: Damit komme ich schon irgendwie klar. Ich weiß, wie ich mich da einarbeiten muss und was ich nachschlagen muss. Ich weiß vielleicht auch einfach, wo ich meine Wissenslücke akzeptieren muss, und ich habe auch ausreichend Frustrationstoleranz . . .

. . . die berühmt-berüchtigte . . .

. . . um mich lang genug in ein hartes Thema einzuarbeiten.

Was sind, außer Pressemitteilungen zu schreiben, weitere typische Tätigkeiten aus Deinem Arbeitsalltag?

Ich bin in vieles involviert, das mit externer Kommunikation zu tun hat. Zum Beispiel machen wir ab und zu kleine Videos im Haus. In dem Zusammenhang musste ich erstmal lernen, selbst mit einer Videokamera umzugehen, das Licht zu setzen, den Videoschnitt zu machen und so weiter. Jetzt haben wir gerade angefangen, eine Podcast-Reihe zu produzieren, die aber noch in den Kinderschuhen steckt. Letzte Woche habe ich das erste Interview dafür geführt, und wir hoffen, dass wir bald mit ein paar Folgen an den Start gehen können. Das erfordert natürlich Einarbeitung ins Thema Podcast und in die jeweiligen wissenschaftlichen Inhalte. Man bekommt dabei wirklich tolle Einblicke in die Forschung! In der Abteilung Kommunikation gibt es natürlich noch andere Aufgabenbereiche. Ein großes Feld sind zum Beispiel Soziale Medien. Eine Kollegin kümmert sich hauptsächlich darum und ist darin sehr erfahren. Aber natürlich vertritt man sich mal gegenseitig, oder ich sage ihr, ich hätte da was für einen Tweet. Eine andere Kollegin ist für Events und interne Kommunikation verantwortlich, und wenn ein großes Event ansteht, dann unterstütze ich sie in der Organisation. Insgesamt habe ich eine schöne Balance zwischen Teamarbeit und Arbeit allein.

Welche Zielgruppen sprecht ihr denn an?

Das ist total unterschiedlich. Zum Beispiel machen wir demnächst beim Girls’Day mit, dem bundesweiten Orientierungstag für Mädchen; da sprechen wir eine Zielgruppe ab Klasse neun an. Idealerweise sind sie schon ein bisschen wissenschaftsinteressiert, oder wir können sie dafür begeistern. Andere Angebote richten sich an potenzielle Doktoranden, die sich für das Institut interessieren und genauer wissen wollen, woran und mit welchen Methoden geforscht wird, wie das mit der Finanzierung ist und so weiter. Wieder andere Angebote richten sich an eine ganz breite Öffentlichkeit: Im Sommer beteiligen wir uns zum Beispiel an den Science & Innovation Days der Uni – ein großes Event, das sich an Familien und überhaupt alle Interessierten wendet, mit Vorträgen, interaktiven Aktionen und so weiter.

Was sind die Hintergründe der anderen Mitglieder in der Kommunikationsabteilung? Als Mathematikerin bist Du dort wahrscheinlich eher die Exotin, oder?

Die Kolleginnen und Kollegen sind in der Tat näher an den Lebenswissenschaften dran, da findet man etwa Chemie, Biologie, Ernährungsmedizin. Natürlich haben wir auch Leute im Team, die etwas spezialisierter auf bestimmte Tätigkeiten sind, zum Beispiel auf Web-Design.

Das heißt, für die Arbeit in einer Kommunikationsabteilung ist ein Abschluss in Kommunikationswissenschaften nicht unbedingt der Normalfall?

Zumindest bei uns im Team ist es gerade nicht der Fall. Allerdings habe ich das Gefühl, dass ein Masterstudium von irgendetwas mit Kommunikation in dem Bereich immer üblicher wird.

Du hast schon in der Mathematik viel in Richtung Wissenschaftskommunikation gemacht, zum Beispiel für die Schnappschüsse moderner Mathematik aus Oberwolfach, für das Wissenschaftskommunikationsprojekt IMAGINARY oder als Dozentin bei der Kinderuni. In der Mathematik ist es ja so, dass ich von Deiner Doktorarbeit vermutlich wenig verstehen würde . . .

. . . und ich von Deiner genauso wenig . . .

. . . weil wir in unterschiedlichen Gebieten promoviert haben. Wie schlägt man unter diesen Umständen dieBrücke zu einem komplett fachfremden Publikum? Mathematik ist sicher eine besondere Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation!

Ja. Als Relativitätstheoretikerin habe ich es natürlich ein bisschen einfacher. Jeder hat zumindest eine Vorstellung davon, was Licht ist, jeder hat schon mal von schwarzen Löchern gehört, von Gravitation, von der Krümmung der Raumzeit und so weiter. Das sind Themen, die viele Leute faszinieren und sofort gewisse Vorstellungen hervorrufen. Die Vorstellungen sind manchmal vielleicht schief, aber man spricht nicht so in den luftleeren Raum, wie wenn man etwa versucht, abstrakte Algebra zu erklären. Aber natürlich ist Mathematikkommunikation eine schwierige Aufgabe, und die kann man auf unterschiedliche Weise lösen, etwa indem man eine abstrakte Idee nur an einem Beispiel erklärt. Wichtig ist dabei, ehrlich zu sein und deutlich zu machen, wo man die Mathematik vereinfacht oder reduziert. Dann reicht es manchmal, statt über Mannigfaltigkeiten nur über einen Globus und einen Donut zu reden. Und damit sind wir schon beim anderen Punkt. Der Donut ist ein realweltliches Objekt. Ideal ist, wenn man eine Verbindung zu der Welt herstellen kann, in der die Menschen sich tatsächlich bewegen. Mathe hat ja Gründe, warum sie entstanden ist; die meiste Mathe ist irgendwie in der Realität verankert. Aber natürlich gelingt der Bezug zur Welt nicht bei allen Themen gleich gut.

Wobei andererseits das Faszinierende an Mathematik, finde ich, ja gerade ihre Losgelöstheit sein kann. Die Schönheit der Mathematik entsteht auch dadurch, dass sie so ein kristallines System für sich ist. Ideal wäre vielleicht, auch von dieser Atmosphäre etwas rüberbringen zu können.

Ja, da stimme ich Dir schon zu. Ich finde es wunderbar, wenn beides gelingt: Wenn man jemanden von einem realweltlichen Problem abholen kann und dann zeigt, wie eine abstrakte Struktur dabei hilft, es zu verstehen und zu lösen. Idealerweise wird dabei sogar deutlich, wie schön die abstrakte Struktur ist und dass es interessant ist, Fragen über sie zu stellen. Nehmen wir ein klassisches Beispiel: Mein Onkel hat mir ein Bild geschenkt; ich finde es furchtbar, aber muss es natürlich trotzdem aufhängen. Mein Onkel ist außerdem ein sehr sparsamer Mann und wenn er zwei Nägel sieht, wo nur einer benötigt wird, zieht er einen Nagel heraus. Also will ich das Bild mit einer Schnur an zwei Nägeln so aufhängen, dass es herunterfällt, wenn mein Onkel einen Nagel herauszieht – und zwar egal welchen. Als jemand, der in Mathematik erfahren ist, sieht man dahinter natürlich sofort Fundamentalgruppen und schreibt einfach eine Lösung auf.

Also, wenn die letzte Vorlesung in Algebraischer Topologie nicht zu lang her ist.

Stimmt, aber nach ein paar Zeichnungen erinnert man sich wahrscheinlich doch. Jemand, der keinerlei Berührung mit Fundamentalgruppen oder überhaupt abstrakter Mathematik hatte, kann da lange am Rätseln sein. Genau das ergibt einen tollen Aha-Effekt: die Erfahrung, dass man das Problem mit Hilfe von Abstraktion und sogar für n Nägel lösen kann. So etwas finde ich ein Beispiel von gelungener Mathematikkommunikation. Natürlich lässt man dabei wichtige Schritte aus; durch das Rätsel erfährt man ja nicht wirklich, was eine Fundamentalgruppe ist und hat nie etwas von Äquivalenzklassen von Wegen gehört.

Aber man bekommt so ein Gefühl dafür.

Ja, und mehr noch als das: Der Wert der Abstraktion an sich wird deutlich, weil die Abstraktion gebraucht wurde, um das Problem zu lösen.

Ein tolles Beispiel! Ich kannte es noch nicht. Lass uns mal ein paar Jahre in der Zeit zurückgehen. Du hast ursprünglich ein Studium inMusikwissenschaft und Philosophie angefangen und auch abgeschlossen. Wie kam es, dass aus Dir schließlich doch eine Mathematikerin geworden ist?

Erstmal sah es gar nicht danach aus. In der Schule habe ich Mathematik lange gehasst, weil ich nicht rechnen konnte. Dann wollte ich in der achten oder neunten Klasse unbedingt wissen, was Ableitungen sind, und habe angefangen, die Mathebücher der Mittel- und Oberstufe zu lesen – und habe sie vielleicht zu einem Zehntel verstanden, wenn man sehr großzügig sein will. Danach fand ich Mathe langweilig – ich war naiverweise überzeugt, ich hätte Mathe nun im Wesentlichen verstanden. Im Studium habe ich dann Freunde kennengelernt, die Mathe studiert und mir begeistert von Ringen und Körpern erzählt haben und diese schönen Beweise aus dem ersten Semester zu Abzählbarkeit von Q und Überabzählbarkeit von R gezeigt haben. Da habe ich gemerkt, dass Mathe eigentlich gar nicht das ist, was ich aus der Schule kannte, und fand sie ziemlich faszinierend. Ich habe mich schließlich einfach mal in Analysis 2 reingesetzt ohne Kenntnisse der Analysis 1.

Das klingt nach einem Sprung ins kalte Wasser!

Ich hatte Glück, die Vorlesung war relativ verständlich gehalten. Ich hatte Hilfe von Freunden und natürlich überhaupt keinen Druck, bestehen zu müssen. Mein Plan war ja auch gar nicht, Mathe zu studieren – ich habe mir das nur mal angeguckt. Dann war ich aber angefixt und saß ein Semester später in der Linearen Algebra 1 und Analysis 1. Und schließlich dachte ich: Jetzt schreibe ich mich doch ein.

Du hast dann Mathe, Philosophie und Musikwissenschaften parallel studiert.

Ja, das ging. Damals gab es keinen großen Druck, wie viele Scheine man machen muss, und ich habe mir natürlich auch mehr Zeit genommen, als man es normalerweise für ein einzelnes Studium tut.

Ein relevanter Aspekt Deiner aktuellen Tätigkeit ist das Schreiben. Würdest Du sagen, Deine Fähigkeit zu schreiben hast Du Deinem geisteswissenschaftlichen Studium zu verdanken?

Zum Teil bestimmt. Schreiben lernt man natürlich ganz gut in den Geisteswissenschaften, insofern hatte ich eine gewisse Basis, wenn auch Schreiben über Mathematik und Naturwissenschaften nochmal etwas ganz anderes als geisteswissenschaftliches Schreiben ist. Viel habe ich auch durch meine Arbeit als Editorin für die ,Snapshots of Modern Mathematics‘ gelernt. In dem Snapshot-Projekt werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workshops des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach gebeten, über ihre aktuelle Forschung zu schreiben. Das Editing-Team nimmt sich der Texte an und versucht, sie für eine breite Öffentlichkeit noch leichter zugänglich zu machen: etwa durch zusätzliche Beispiele, Umstrukturierungen des Texts oder auch Kürzungen beziehungsweise Ergänzungen. Wenn der Text inhaltlich schon feststeht, kann man dem „Wie“ mehr Aufmerksamkeit widmen: Was ist an dem Text schon gut? Wie kann man ihn noch attraktiver und verständlicher gestalten? Dabei habe ich viel über gutes Schreiben gelernt. Zu diesem Projekt kam ich über meine Doktormutter Carla Cederbaum, auch von ihr habe ich viel über Kommunikation komplexer Inhalte gelernt.

Bei ihr hast Du an der Uni Tübingen im Bereich der Relativitätstheorie promoviert. Wann kam Dir eigentlich die Idee, die Mathematik sogar noch weiter zu vertiefen und zu promovieren?

Das weiß ich gar nicht. Nachdem ich Philosophie und Musikwissenschaft abgeschlossen hatte, war ich mit Mathe noch nicht fertig und wollte dort auf jeden Fall auch den Abschluss machen. Und danach saß sozusagen schon im Mathezug und wollte noch nicht aussteigen.

Wie führte nach der Promotion DeinWeg in die Didaktik, wo Du einen Postdoc gemacht hast?

Ich denke, ein Faktor war meine Doktormutter, die großes Interesse an Didaktik hat, obwohl sie selbst Fachmathematikerin ist. Meine Bürokollegin hat bei ihr zu einem didaktischen Thema promoviert, dadurch habe ich immer wieder Einblicke über den Zaun hinweg bekommen. Nebenher habe ich selbst unterrichtet und dabei eine gewisse Faszination dafür entwickelt, welche Verständnisschwierigkeiten es beim Unterrichten von Hochschulmathematik gibt, vor allem bei Studierenden, die am Anfang ihres Studiums stehen. Schließlich hatte ich auch einfach Glück, dass gerade in den letzten Monaten meiner Promotioneine Didaktikstelle ausgeschrieben war, weil ein Professor für Mathematikdidaktik neu an unser Institut gekommen war.

Was nimmst Du denn als Highlights von Deiner Zeit an der Uni mit?

Ein Highlight waren die Workshops für Schülerinnen und Schüler, die ich für IMAGINARY im Ausland gegeben habe. Weil sie es mir ermöglicht haben, ganz nah an andere Kulturen ranzukommen. Mit dreißig usbekischen Kindern und Jugendlichen von zwölf bis sechzehn Jahren eine Woche zu verbringen und mit ihnen über Wissenschaft zu reden – da bekommt man ganz andere Einblicke, als wenn man in einem Land nur Urlaub verbringt, zum Beispiel in das Schulsystem. Die Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Ländern haben sehr unterschiedlich auf die freieren Lernformen reagiert, mit denen wir sie konfrontiert haben.

Wo waren Unterschiede zu der gleichen Altersgruppe hierzulande?

Über deutsche Schülerinnen und Schüler kann ich nicht viel sagen. In Usbekistan ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass die Jugendlichen in der Schule offenbar recht viel auswendig lernen und Eigeninitiative und Kreativität schulisch keinen großen Stellenwert zu haben scheinen. Manche Teilnehmenden haben sich davon überfordert gefühlt, sich selbst etwas ausdenken oder eine Fragestellung überlegen zu sollen. Das habe ich zum Beispiel in Vietnam ganz anders erlebt; da sind die Teilnehmenden sehr unbefangen an offene Aufgaben herangegangen. Ich möchte aber nicht zu sehr generalisieren, schließlich sind meine Erfahrungen auf wenige Personen begrenzt und subjektiv.

Wie wurdest Du dann auf Deine jetzige Stelle am MPI aufmerksam?

Da ich nicht ewig an der Uni bleiben konnte und wollte, habe ich mich schon während meiner Promotions- und Postdocphase in Richtung Wissenschaftskommunikation orientiert. Ein Beruf, der mit Kommunikation zu tun hat, aber nah an aktueller Forschung ist, das war mein Traum. Aber mit noch etwa einem Jahr Vertrag an der Uni im Rücken hatte ich es noch nicht eilig damit. Dann hat mir der erste Corona-Lockdown einen Schubs gegeben: Es war absolut nicht schön, im Lockdown Didaktik zu betreiben. Ich habe großen Respekt vor den Leuten, die die Herausforderungen der Onlinelehre begeistert angenommen haben, aber ich persönlich fand den fehlenden direkten Kontakt mit den Studierenden sehr frustrierend. So habe ich eines Nachmittags spontan aus Frustration heraus online nach Stellenausschreibungen geguckt und tatsächlich die perfekte Stellenanzeige gesehen: Pressereferentin an einem der Tübinger MPIs. Ich dachte mir: Das wär’s doch!

Das klingt nach einem echten Glücksfall! Denkst Du, es war für Deine Bewerbung ein Vorteil, dass Du Mathematikerin bist?

Es ist schwer zu sagen, was im Bewerbungsprozess den Ausschlag gegeben hat. Ich glaube schon, dass manche der in den Bewerbungsprozess involvierten Personen skeptisch waren, jemanden ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund einzustellen. Aber anderen war vermutlich Vielseitigkeit für die Stelle wichtiger, und die hatte ich zu bieten. Und Mathematikerin zu sein, zeigt natürlich, dass man sich durchbeißen und an einer Sache dranbleiben kann.

Was schwebt Dir für Deinen weiteren Weg vor? Kannst Du da schon irgendetwas sagen?

Momentan bin ich sehr glücklich da, wo ich bin, und möchte so schnell nicht weg. Wenn es mir doch irgendwann langweilig wird, dann brauche ich vielleicht ein Institut mit anderen wissenschaftlichen Inhalten. Aber ich will auf jeden Fall bei etwas bleiben, das so nah an der Forschung dran ist.

Hast Du rückblickend noch einen Rat für Dein Erstsemester-Ich?

Meinem Mathe-Erstsemester-Ich möchte ich raten, mehr mit anderen zusammenzuarbeiten. Ich habe mich zu viel allein durchgebissen. Dadurch, dass ich Quereinsteigerin war, kannte ich meine Kommilitoninnen und Kommilitonen kaum und dachte, man muss alles allein schaffen. Da würde ich meinem Erstsemester-Ich raten: Lass mal gut sein, lern Leute kennen und mach das Übungsblatt zusammen mit ihnen. Und häng Dich nicht an jeder Kleinigkeit auf, die Du nicht verstehst, sondern sag auch mal: Okay, das Detail hier verstehe ich zwar nicht, aber ich mache trotzdem mal weiter und verstehe es später. Etwas weniger Hartnäckigkeit und mehr Lockerheit hätten mir gut getan.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Kari Küster.
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