Miriam Winckler stieg nach dem Mathematikstudium an der Uni Heidelberg bei der Deutschen Bahn ein und ist seit mittlerweile siebzehn Jahren Teil der „Bahnerfamilie“. Sie ist derzeit Leiterin des Vertragsmanagements Hessen bei der DB Regio AG in Frankfurt. Dort beschäftigen sie und ihre Teams Fragen wie die Planung von Schienenersatzverkehr und der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität. Mit Mathematik hat sie nicht mehr direkt zu tun, dennoch hat das Studium ihr wichtige Fähigkeiten für ihren Beruf mitgegeben – genau wie ihr der Lokführerschein ein vertieftes Verständnis für das Bahnwesen gebracht hat.

33 2 kuester Foto Miriam Winckler 2017Miriam Winckler. Foto: privat

Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du selbst in der Bahn sitzt?

Oh, das ist eine gute Frage. Ich fühle mich wohl in der Bahn. Ich denke sehr selten, ich könnte jetzt das Auto nehmen. Ich habe lange gar kein Auto gehabt, daher ist für mich die Bahn das Fortbewegungsmittel Nummer eins. Ich freue mich, dass wir Menschen bewegen, dass Zugfahren auch einen Ort für Austausch bietet. Klar gibt es immer mal wieder Situationen, bei denen Züge nicht so fahren können, wie eigentlich geplant, oder Fahrgäste, die sich beschweren. Es gibt aber auch immer wieder nette Situationen. Zum Beispiel wenn sich ein Fahrgast beschwert und drei andere drumherum sagen, „Komm, stell Dich nicht so an! Fünf Minuten Verspätung, was willst Du denn? Draußen im Stau ist das viel anstrengender!“ Ich kann beim Bahnfahren lesen, schlafen oder telefonieren. Und ich finde es einfach toll, wenn ich merke, ich sitze in meinem Zug, den meine Kolleg:innen für mich und für uns fahren.

Womit hast Du Dich heute bei der Arbeit beschäftigt?

In Frankfurt ist morgen ein Fußballspiel, Eintracht Frankfurt gegen Ajax Amsterdam. In der Regel reisen viele Fußballfans mit dem öffentlichen Nahverkehr an, was uns natürlich freut. Morgen streiken aber die U- und Straßenbahnen in Frankfurt. Deshalb kam vorhin die Anfrage, ob wir nicht an die Züge, die am Frankfurter Stadion halten, noch einen zusätzlichen Triebzug dranhängen können. Da stellen sich dann Fragen wie: Welches Fahrzeug nehmen wir? Müssen wir woanders dafür einen Triebzug abhängen oder haben wir noch einen auf Reserve stehen? Das sind Ad-hoc-Themen, die manchmal kommen und mich beschäftigen. Dann gibt es Themen wie den Umgang mit Baustellen, die in immer höherer Frequenz auf uns zukommen, da die Bahn derzeit ein sehr umfangreiches Sanierungsprogramm im Schienennetz umsetzt. Grundsätzlich beschäftigt uns außerdem die Frage, wie wir unsere Verkehre wirtschaftlicher erbringen können. Gibt es zum Beispiel Möglichkeiten, interne Prozesse noch weiter zu optimieren? Kann ich den Schienenersatzverkehr günstiger einkaufen?
Auch neue Ausschreibungsverfahren für Verkehre treiben uns um. Im Regionalverkehr ist es so, dass die Zugleistungen in der Regel nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden. Die Regionalisierungsmittel des Landes Hessen werden auf die Aufgabenträger verteilt. Diese wiederum schreiben den Verkehr dann aus. Den Zuschlag erhält in der Regel das Eisenbahnverkehrsunternehmen, das den günstigsten Preis für die ausgeschriebene Verkehrsleistung anbietet. Das bezuschlagte Angebot beschreibt bereits genau, wie die Verkehre für die Kunden umgesetzt werden, beispielsweise welche und wie viele Fahrzeuge eingesetzt werden, wie viele Personale gebraucht werden etc. Wir erwarten in den nächsten Wochen eine Ausschreibung von einer Linie, die wir heute bedienen und auch zukünftig gerne bedienen wollen. Darauf bereiten wir uns schon jetzt vor. Es wird ein Projektteam aufgesetzt mit Kolleg:innen vom Fahrpersonal, von der Instandhaltung und aus der Kalkulation, aus dem Bereich Qualität und von der IT. Alle sollen vorbereitet und einsatzbereit sein, wenn die Ausschreibung veröffentlicht wird.

Du bist momentan Leiterin des Verkehrsvertragsmanagement in Hessen. Was hat es damit auf sich?

Ich habe zwei kleine Teams. Das eine beschäftigt sich mit Fahrplänen und den Auswirkungen von Baustellen auf die Fahrpläne. Es kümmert sich um die Organisation von Schienenersatzverkehr, um die Fahrpläne für Züge, die umgeleitet werden müssen, und um die Kundeninformation, etwa auf www.bahn.de. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Baustellen im Netz deutlich angestiegen. Das spürt auch mein Team. Die Planung der Baustellenfahrpläne wird immer komplexer. Teilweise ist ein und derselbe Zug an einem Tag von mehreren Baustellen betroffen. Da müssen wir schauen, wie wir die Prozesse so sauber hinbekommen, dass wir trotz der Baustellen immer noch den Überblick behalten und die Dinge gut für die Fahrgäste ausregeln. Das andere Team kümmert sich um Vertragsangelegenheiten, um die Themen Qualität und Wirtschaftlichkeit. Wie können wir vor dem Hintergrund steigender Kosten, zum Beispiel für Energie oder Material, unsere bestehenden Verkehre wirtschaftlicher gestalten? Wie gehen wir damit um, wenn die Qualität nicht stimmt und Zugausfälle nicht zu vermeiden sind? Wo setzen wir die Ressourcen, die wir haben – also Personal und Fahrzeuge – am besten ein und wo tut es am wenigsten weh, wenn doch mal ein Zug ausfallen muss? Das sind tatsächlich sehr operative Dinge, bei denen wir immer unsere Kund:innen im Blick haben.

Wie viele Leute sind in Deinen beiden Teams?

Das sind in Summe sieben Mitarbeitende. Drei kümmern sich um das Thema Qualität und Wirtschaftlichkeit und um alles rund um die Verkehrsverträge. Drei andere kümmern sich um die Planung des Fahrplans und die Auswirkungen der Baustellen darauf. Und eine Mitarbeiterin macht das Thema Sonderverkehr wie zum Beispiel für den Fußball morgen und kümmert sich parallel darum, dass alle Fahrplananpassungen und Ersatzverkehre auch z. B. auf www.bahn.de aktuell sind.

Das klingt nach ganz schön vielen Aufgaben für sieben Leute.

Ja, es ist ein bunter Blumenstrauß an Themen. Im Verkehrsvertragsmanagement arbeiten wir nah am Betrieb und trotzdem strategisch. Diese Vielfalt gefällt mir besonders an meinem Job. Darüber hinaus bin ich erste Ansprechpartnerin für die Aufgabenträger sowie öffentlichkeitswirksame Anfragen. Gerade bei letzteren gilt es dann, alle relevanten Informationen zusammenzutragen, richtig einzuordnen und verständlich aufzubereiten. Auch öffentliche Veranstaltungen in der Region, bei denen wir über den aktuellen Stand von Baustellen oder die Betriebsqualität informieren, stehen immer wieder auf meiner Agenda. In gewisser Weise bin ich also eine Art Außenministerin für den Regionalverkehr der DB in Hessen.

Du hast bei der Bahn in zwei der Eisenbahn-Verkehrsunternehmen gearbeitet, bei DB Fernverkehr und bei DB Regio. Wie unterscheiden sie sich?

DB Fernverkehr organisiert eigenwirtschaftlich Verkehre, die über Regional- und sogar Landesgrenzen hinaus gehen. Die Zielgruppe sind Menschen, die ein gutes Angebot für schnelle Verbindungen zwischen größeren Städten haben möchten. Die Kolleg:innen beim Fernverkehr planen daher mit einem bundesweiten Fokus schnelle Takte und gute Umsteigemöglichkeiten. Auch die Organisation des Fernverkehrs ist zentral angelegt. Bei DB Regio sind wir, wie der Name bereits sagt, sehr regional aufgestellt. Unsere Zielgruppen sind Menschen, die den ÖPNV nutzen, um zur Arbeit, in die Schule oder zu regionalen Events und Veranstaltungen zu kommen. Daher sind wir auch mit unserer Organisation nah an unseren Fahrgästen und Auftraggebern dran. Ich arbeite in der Region Mitte, die den Regionalverkehr der DB Regio AG in Hessen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Nordbaden verantwortet. Ich bin für den Bereich Hessen zuständig. Wenn Dinge geklärt werden müssen, dann rede ich mit meinem Kollegen aus dem Nachbarbereich, der im Büro auch direkt neben mir sitzt. Wir treffen viele Entscheidungen aufgrund unserer regionalen und fachlichen Kompetenz selbst. Bei DB Regio bin ich sozusagen die Unternehmerin vor Ort und bekomme die Auswirkungen dessen, was ich tue, direkt und unmittelbar rückgekoppelt. Das war beim Fernverkehr damals anders, dort sind die fachlichen Zuschnitte spezieller und weniger generalistisch.

Was sind besondere Herausforderungen, die Dir im Arbeitsalltag begegnen?

Herausforderungen gibt es viele. Spannend an dem Job ist der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität. Manchmal muss ich mich entscheiden: entweder für die Qualität, die dann etwas kostet, oder für die Wirtschaftlichkeit, die unter Umständen Auswirkungen auf die Qualität hat. Das Ziel ist, beides bestmöglich unter einen Hut zu bekommen. Im Operativen ist die Herausforderung, dass die Vorläufe beim Thema Baustellenplanung immer kürzer werden. Und grundsätzlich bin ich mit meinen Themen oft im Spannungsfeld zwischen internen Rahmenbedingungen sowie den Wünschen und Erwartungen der Aufgabenträger. Hier in partnerschaftlicher Zusammenarbeit gute Lösungen zu finden, die für beide Seiten tragfähig sind, erfordert oft viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Das kann mal das Thema Fahrplan und Angebot sein, wie viele Ersatzbusse wir bei Baustellen bestellen, oder der Umgang mit zusätzlichen Anforderungen. Und was natürlich auch immer spannend ist, ist das Thema Personalführung. Wie kann ich mein Team stabil halten, bei personellen Wechseln eine gute Nachbesetzung finden und den Wissenstransfer sicherstellen?

Hast Du noch konkret mit Mathe zu tun?

Mit Mathe habe ich wenig zu tun. Ich brauche weder Formeln noch das griechische Alphabet. Was ich tatsächlich gebrauchen kann, ist das logische Denken und das Hinterfragen, das Dranbleiben, das Strukturieren, die Fähigkeit, Themen kleinzuschneiden. Ich habe bei der Bahn im Bereich IT-Anforderungsmanagement an der Schnittstelle von Fachbereich und IT angefangen. Dort habe ich dieWünsche des Fachbereichs in eine Sprache übersetzt, die die IT verstehen und umsetzen kann. Damals war schon ein Teil Mathematik dabei, weil ich die Umgangssprache zum Beispiel in Wenn-dann-Formulierungen übersetzen musste. Ich habe auch Tests durchgeführt, um zu prüfen, ob alle fachlichen Anforderungen abgedeckt sind. Ich habe dann aber gemerkt, dass mir ein generalistischer Ansatz mehr Spaß macht, und habe mich von Station zu Station weiterentwickelt und mir immer mehr Kompetenzen angeeignet. Jetzt fragt keiner mehr „Was hast Du studiert?“, jetzt fragen die Leute „Was hast Du in dem Job vorher gemacht? Was sind deine Referenzen? Wen kann ich denn fragen, was Du für eine bist?“

Würdest Du sagen, das Mathestudium war eine gute Vorbereitung für das, was Du jetzt tust, oder ist es auch ein bisschen beliebig?

Wenn ich Leute einstelle, dann schaue ich schon drauf, was sie vorher gemacht haben. Ich schaue mir aber auch an, welches Potential ich in ihnen sehe, also ob es schlaue
Leute sind, die sich in Themen reinfuchsen können. Für meinen Job braucht man kein Mathestudium. Es schadet aber auch nicht. Die Herangehensweisen an die Themen und die fachlich notwendigen Feinheiten kann man sich mit Spaß am Thema alle „on the job“ aneignen.

Arbeiten viele Mathematikerinnen und Mathematiker bei der Bahn?

Ich kenne tatsächlich etliche Kollegen und Kolleginnen, die Mathematik oder theoretische Physik studiert haben. Zum Teil arbeiten die fachlich in den Bereichen der IT und zum Teil als Programmmanager, Projektleiter oder in anderen Managementpositionen. Zwei meiner Mitarbeiterinnen sind ebenfalls Mathematikerinnen.

Du bist in einer Führungsposition. Hat Dir das schon immer vorgeschwebt oder hat sich das eher Schritt für Schritt ergeben?

Das hat sich Schritt für Schritt ergeben. In meinem ersten Job, dem IT-Anforderungsmanagement, habe ich mich tatsächlich eher durch die Arbeit gequält. Ich hatte zwar das
Handwerkszeug, aber es war nicht das, was meinem Herzblut und meinen Stärken entspricht. Ich habe gemerkt, dass ich lieber den Blick auf das große Ganze haben und mit Menschen zusammen Dinge besser machen will. In der IT konnte ich nicht richtig greifen, was meine Wertschöpfung war. Nach einiger Zeit dort habe ich dann in den internationalen Bereich gewechselt. Dort habe ich meine Leidenschaft entdeckt und mit den Kolleg:innen der SNCF die Kooperationsvereinbarung für die ICEs und TGVs nach Frankreich verhandelt. Irgendwann hatte ich den Eindruck, die Lernkurve nimmt ab und ich möchte mich weiterentwickeln. Mein damaliger Chef war zu dem Zeitpunkt drei Monate auf einem Projekt. Das habe ich als Chance genutzt und habe ihn in dieser Zeit vertreten. Das hat mir Spaß gemacht und damit war klar, dass der nächste Schritt für mich eine Führungsposition sein sollte. 

Wie verlief bei Dir der Weg vom Mathestudium in den Beruf? Wie hast Du Deine erste Stelle bei der Bahn gefunden?

Ich habe ein Jahr Erasmus-Studium in Madrid gemacht und hatte dann drei Monate Sommerferien, in denen ich mir Gedanken über die Zukunft gemacht habe. Die klassischen Mathematikerberufe wie Versicherung, Banken, IT, das war nicht das, was ich machen wollte. Daher stellte ich mir die Frage: „Was kann ich denn mit Mathe sonst noch machen?“ Ich habe deshalb nach einem Praktikum gesucht. Am Ende hatte ich zwei Angebote. Eines bei der Bahn, wo es darum ging, bei der Schichtplanung für die Lokführer:innen einen Optimierer einzuführen. Das andere war bei SAP im Bereich der Softwaretestung. Dort hätte ich das Doppelte verdient. Ich bin trotzdem zur Bahn gegangen, weil ich das Thema dort spannender fand. Das Praktikum bei der Bahn hat mir Spaß gemacht. Es gab ein tolles Programm für Praktikant:innen mit Stammtisch, Exkursionen und Fachvorträgen. Dann war ich am Ende vom Studium und dachte mir, ja, was machst Du jetzt? Ich habe ein bisschen nach Stellenanzeigen geguckt und gleichzeitig meinen Betreuer aus dem Praktikum angeschrieben. Der hat mich dann an die Nachbarabteilung vermittelt, die gerade jemanden suchten. Am Ende hatte ich sogar zwei Möglichkeiten, bei der Bahn anzufangen.

Du hast dann ein Traineeprogramm bei der Bahn absolviert und in diesem Rahmen auch eine Lokführer-Ausbildung gemacht.

Genau. Die Bahn hat ja unterschiedliche Bereiche. Es gibt das Marketing, die Finanzen, das Personal und die Produktion. Ich habe im Bereich Produktion angefangen und damals war es so, dass alle Trainees in diesem Bereich die Möglichkeit hatten, einen Lokführerschein zu machen. Ich hatte das Glück, in genau diese Zeit reinzufallen, wo das die komplette Lokführer-Ausbildung umfasst hat. Kurz nach mir wurde das wieder geändert und es gab für die nachfolgenden Trainees nur noch einen kurzen Ausflug in die Welt der Triebfahrzeugführer. Ich habe tatsächlich vier Monate lang die Lokführer-Ausbildung gemacht, lustigerweise zusammen mit zwei anderen Mathematikerinnen. Wir drei Mädels haben zusammen die Schulbank gedrückt und die Theorie für die Lokführerscheinprüfung gelernt. Die notwendigen Schichten für die praktische Prüfung habe ich an den Wochenenden, zwischen Weihnachten und Neujahr und an den Osterfeiertagen absolviert und tatsächlich mit Erfolg die Prüfung zur Lokführerin abgelegt.

Hast Du davon mal Gebrauch gemacht? Inwiefern kommt Dir der Lokführerschein heute zugute?

Ich bin nie ganz allein gefahren. Ich bin ein Jahr lang ungefähr jedes zweite Wochenende eine Schicht gefahren, zusammen mit einem meiner Ausbilder. Dies war notwendig, um den Lokführerschein aufrechtzuerhalten. Zusätzlich zur normalen Arbeit war es am Ende aber einfach zu viel. Von daher darf ich heute leider nicht mehr selbst fahren. Die Ausbildung und auch die Fahrpraxis hat mir aber sehr viel für das Verständnis des Systems der Eisenbahn gebracht: für die Komplexität, auch für die Sorgen und Nöte der Kolleg:innen draußen. Ich fand es sehr beeindruckend, dass ich von allen Kolleg:innen sehr freundlich gegrüßt wurde, wenn ich in Unternehmensbekleidung durch den Bahnhof gelaufen bin. Die „Bahnerfamilie“, wie man immer sagt, war dort für mich echt spürbar, das fand ich schön zu erleben. Als nicht sehr große junge Frau in einem männerdominierten Bereich hat das auch sehr geholfen, ernst genommen zu werden. Ich bin selbst Lok gefahren, habe Störungen gehabt, die ich behoben habe, und kann die Vorschrift halb auswendig vorbeten. Da konnte mir keiner so schnell ein X für ein U vormachen und ich hatte eine ganz andere Akzeptanz unter den meist männlichen Kollegen.

Du bist seit siebzehn Jahren bei der Bahn. Das spricht dafür, dass es Dir da ganz gut gefällt. Was schätzt Du besonders an der Bahn als Arbeitgeberin?

Ich identifiziere mich einfach mit unserem Produkt. Ich finde es cool, Zug zu fahren und dazu beizutragen, täglich Millionen von Menschen zu befördern und zu bewegen. Mittlerweile habe ich auch ein sehr großes Netzwerk. Das heißt, ich weiß, wen ich fragen muss, wenn ich ein Problem habe. Das ist sehr schön und macht die Arbeit leichter. Es gibt einen starken Zusammenhalt unter den Kolleg:innen. Ich glaube, das liegt in der DNA der Eisenbahner. Wenn es wirklich brennt, dann kriegen wir ganz viel hin, woran vorher keiner geglaubt hat. Die Bahn macht vieles möglich, was die Vereinbarung von Familie und Beruf angeht. Es gibt die Möglichkeit, Auszeiten zu nehmen, mehr Urlaub anstatt Gehaltserhöhung zu nehmen, viele Angebote zu allen möglichen Gesundheitsthemen und nicht zuletzt viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.

Gibt es ein bestimmtes Projekt, auf das Du besonders stolz bist?

Das aktuellste Projekt ist die Riedbahnsanierung. Die Strecke zwischen Mannheim und Frankfurt war 2024 für die Generalsanierung der Infrastruktur für fünf Monate gesperrt. Das war ja auch in den Medien sehr präsent. Ich habe als Projektleitung das Ersatzangebot für die Fahrgäste im Regionalverkehr entwickelt und gemeinsam mit dem Team Riedbahn und vielen Partner:innen – sowohl intern als auch extern – besprochen und umgesetzt. Dabei waren viele Fragen zu klären: Wie viele Züge können wir über die Umleitungsstrecken leiten und wie genau fahren wir dann? Wie sieht der Fahrplan für den Schienenersatz- verkehr aus? Was mache ich mit dem Zugpersonal, wenn weniger Züge fahren? Wie kann ich die Menschen sinnvoll an anderer Stelle einsetzen? Die Riedbahnsanierung war ein sehr prominentes Projekt. Im ganzen Konzern war klar, das muss funktionieren. Und hier mittendrin, statt nur dabei zu sein, das war sehr spannend und eine Herkulesaufgabe für allen Beteiligten. Es waren viele Kolleg:innen aus der Bus-Sparte beteiligt, von der Infra-
struktur und den Personenbahnhöfen. Es musste alles ausgeschildert sein, die Absperrungen mussten korrekt sein und die Fahrpläne ausgehängt werden. Trotz der vielen Arbeit: Es war toll, am Ende sagen zu können: „Wir haben es geschafft! Wir haben es gut über die Bühne gekriegt! Und wir haben etwas geleistet, was uns in der Form keiner vorher zugetraut hat!“

Da habt ihr wahrscheinlich angestoßen, als alles über die Bühne war.

Aber hallo. Das war auch eine anstrengende Zeit, weil das für mich nochmal ein Zweitjob zusätzlich zu meinem regulären Arbeitsalltag war.

Wie könnte man vorgehen, wenn man gerade im Mathestudium steckt und sich für die Bahn als Arbeitgeberin interessiert?

Ich glaube, bei mir hat geholfen, dass mein Praktikumsbetreuer auch Mathematiker war und mich eingestellt hat. Versucht, zum Beispiel auf Jobbörsen Kontakte zu knüpfen, ein Praktikum zu machen, schaut, ob ihr jemanden kennt, der jemanden kennt. Das ist eigentlich die allerbeste Variante. Bewerbt euch, wenn es vom Hintergrund her passt. Ich habe mich im Studium bei vielen großen Unternehmen um einen Praktikumsplatz bemüht und habe meistens nicht mal eine Absage bekommen. Meine Hypothese ist, dass die Personal- bzw. Recruitingabteilungen mit Mathematiker:innen nichts anfangen können, außer sie werden explizit von den Fachbereichen gesucht. Von daher ist es oft ratsam, vorher bei der angegebenen Kontaktperson anzurufen und nachzufragen, worum es denn geht. Vielleicht auch zu sagen, „ich habe folgende Vorstellung und aus den und den Gründen könnte es passen“. Dann sieht man, ob sich eine Bewerbung lohnt, und man ist bei den Personen, die aussuchen, schon mal auf dem Schirm. Idealerweise macht man mindestens für drei Monate ein Praktikum, damit man auch wirklich mitarbeiten kann. Ansonsten gibt es auch Werkstudententätigkeiten, die sind immer wieder ausgeschrieben.

Was sollte man als Mathestudentin oder -student für eine Arbeit bei der Bahn mitbringen?

Interesse an und Spaß mit der Bahn, Neugier und ein schlaues Köpfchen. Und die Bereitschaft, sich in das Thema reinzuarbeiten. Man sollte sich vielleicht vorher ein bisschen damit auseinanderzusetzen, was die Herausforderungen sind oder welche Bereiche einen interessieren. Da gibt es ja ganz viele. Wir haben eine eigene IT-Tochter, die DB Systel. Wir haben Fachbereiche in der IT, wo richtig Mathe gemacht wird. Und wir haben eben auch Bereiche, so wie meinen, in denen ein Quereinstieg für Mathematiker:innen möglich ist. Es kann sich aber trotzdem lohnen, sich auch da mal schlau zu machen.

Gibt es noch etwas, das Du loswerden möchtest?

Die Bahn ist einfach ein cooler Laden. Es macht echt Spaß, hier zu arbeiten. Und jedes Mal, wenn ich hier aus dem Fenster gucke, sehe ich einen roten Zug vorbeifahren. Das ist einfach schön.

Hast Du eine Lieblingsbahnstrecke in Deutschland?

Nein, aber ein Lieblingsfahrzeug. Seit ich die Lokführerausbildung gemacht habe, ist das der ICE 1. Das ist der ICE der ersten Generation, von 1991. Der hat, wenn man losgefahren ist, so eine schöne Tonleiter gepfiffen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Kari Küster.
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