Es klingt fast wie ein Schildbürgerstreich: Wenn in der Mathematik (aber nicht nur dort) Forschungsergebnisse mithilfe von Software gewonnen werden und die Autoren ihre Ergebnisse publizieren möchten, dann machen es auch namhafte Fachpublikationen keineswegs zur Pflicht, dass die betreffende Software mit eingereicht wird. Zugegebenermaßen wäre eine Überprüfung der verwendeten Software ziemlich schwierig und aufwändig. Aber auch die Autoren machen zur verwendeten Software oft nur unzureichende Angaben. Und selbst wenn die betreffende Software zusammen mit dem Artikel eingereicht wird, wird die Software beim Verlag nicht dauerhaft gespeichert.

Sogar die Autoren heben die für ihr Forschungsergebnis entscheidende Software oft nicht lange auf. Die Software verschwindet an der Heimatinstituten früher oder später auf Nimmerwiedersehen: auf veralteten Speichermedien, durch den Verlust von Speichermedien, durch Überschreiben der Daten, Fortgang der Wissenschaftler, und, und, und. „Selbst wenn die Software weiterentwickelt wird, heißt das noch lange nicht, dass mit der neuen Version die Ergebnisse der Vorversion(en) reproduziert werden können“, sagt Prof. Gert-Martin Greuel, langjähriger Direktor des Mathematischen Forschungsinstituts in Oberwolfach (MFO) und jetzt Chefherausgeber des Zentralblatt Math.

Diesem Problem hat Gert-Martin Greuel mit einem engagierten Team vor drei Jahren den Kampf angesagt. Die Mathematiker sind angetreten, um systematisch eine Datenbank für mathematische Software aufzubauen, genauer: für Informationen über mathematische Software (Metadaten) im Kontext der mathematischen Forschung. Ende 2013 waren drei Jahre Förderphase um und die Projektpartner informierten in einem Workshop im November 2013 über ihre neue Internetplattform www.swmath.org/.

Zu Beginn des Treffens fasste Greuel die Motivation hinter dem Projekt zusammen: Mathematische Software habe innerhalb der letzten drei Dekaden als Werkzeug des Mathematikers für Forschung, Lehre und Anwendungen eine stetig wachsende Bedeutung erhalten. Sie gehöre für viele Bereiche der Mathematik zu einem festen Bestandteil des mathematischen Instrumentariums und habe inzwischen einen Stellenwert erhalten, der in manchen Gebieten mit dem mathematischer Literatur vergleichbar sei. Im Gegensatz zur systematischen Sammlung und dem Zugang zur mathematischen Literatur existiere etwas Vergleichbares für mathematische Software bisher nur in Ansätzen. Um die vorhandenen Werkzeuge effizient nutzen zu können, sei es jedoch unabdingbar, geeignete Methoden und Mittel für die Katalogisierung und das Auffindung mathematischer Software zu erstellen. Wichtig sei auch, eine Verknüpfung der jeweiligen Software mit dem Kontext ihrer Verwendung in Forschung und Anwendung herzustellen.

Ziel war der Aufbau einer möglichst umfassenden Open-Access-Datenbank zum Nachweis und zum Zugang zu Informationen über mathematische Software. Auf die Software selbst wird nur verlinkt. Die neue Software Datenbank swMATH ist mit den Oberwolfach References on Mathematical Software (ORMS) und der bestehenden Referate-Datenbank des Zentralblatt MATH (zbMATH) vernetzt. Die Vernetzung mit zbMATH geschieht durch Verlinkung der Referate zu mathematischen Artikeln, die die Software zitieren, und umgekehrt durch Verlinkung der Softwarepakete mit den entsprechenden Referaten in ZBMATH. „Die Präsentation der Software im Kontext der mathematischen Forschung liefert Informationen, die sonst schwer erhältlich sind. Die Idee ist, durch die Vernetzung wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit der verwendeten Software eine neue Qualität der Nutzung mathematischen Wissens zu schaffen“, sagt Greuel.

Die Umsetzung der Idee erfolgte in enger Zusammenarbeit der Projektpartner: An der Spitze das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO) und das FIZ Karlsruhe, unter Nutzung der Expertise des Weierstraß-Instituts für Angewandte Analysis und Stochastik Berlin (WIAS), des DFG-Forschungszentrums MATHEON, des Konrad-Zuse-Zentrums Berlin (ZIB) und des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik (FKZM) Kaiserslautern. Gefördert wurde das Vorhaben durch die Leibniz-Gemeinschaft.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: swMATH bietet einen Basisservice für eine große Zahl mathematischer Softwarepakete. Und SwMATH wird kontinuierlich aktualisiert. Dafür wurden im Projekt Algorithmen zur automatischen Identifizierung von Software in zbMATH entwickelt. Hinzu kommt die manuelle Überprüfung und Recherche der Fachredakteure und Referenten. Damit ist swMATH nach Darstellung der Projektleitung wesentlich umfangreicher und vollständiger als alle anderen existierenden Software-Portale. Die Suche nach einschlägigen Publikation ist in swMATH wesentlich erfolgreicher als in allgemeinen Suchmaschinen wie z.B. Google. Und das Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe hat sich dazu verpflichtet, diesen Basisdienst auch in Zukunft zu erhalten und zu pflegen.

Aktuell sind in swMATH verschlagwortet: 5.900 Software-Pakete, 75.000 Artikelzuordnungen, 60.000 verschiedene zbMATH-Artikel, 8.500 Standard-Artikel, 600 Software-Pakete ohne zbMATH-Referenzen und 700 Software-Pakete noch ohne Standard-Artikel. Damit ist swMATH jetzt schon ein mächtiges Werkzeug zur Software-Suche. Aber auch für die dort gelisteten Autoren ergäben sich Vorteile, sagt Greuel: „In swMATH gelistet zu sein ist eine Art Qualitätssiegel für die mathematische Software und verbessert deren Auffindbarkeit auch in anderen Suchmaschinen.“

Greuel und die Projektpartner wollen sich mit dem bisher Erreichten aber nicht zufrieden geben. Sie planen bereits die Weiterentwicklung der heuristischen Filter für die Auswertung von Informationen über mathematische Software und wollen Publikationen über zbMATH hinaus verknüpfen – z.B. die des open arXiv – und Informationen von swMATH für die automatische Weiterverarbeitung in entsprechenden Datenformaten bereitstellen (XML, RDF und API).

Mittelfristig würden die Partner gerne Standards entwickeln und etablieren: Schemata für Metadaten, Standards für das Zitieren und solche fürs Klassifizieren mathematischer Software. Auch soll die mathematische Community durch die Ergänzung von Social Web-Funktionalitäten besser integriert werden - bisher gibt es nur das Anmeldeformular und eine Kommentarfunktion. Last but not least solle die Kooperation mit anderen Web-Portalen zu mathematischer Software intensiviert werden, sagt Greuel. Für diese zusätzlichen Vorhaben sei die Finanzierung allerdings noch nicht gesichert.

Thomas Vogt

Gedruckt erschienen in den DMV-Mitteilungen Band 22, Heft 1, 2014

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