Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wird in den Medien seit Anfang Mai sporadisch vom Beweis der geometrischen Langlands-Vermutung berichtet. Dabei wäre ein solcher Beweis, sollte er sich als korrekt herausstellen, ein großer Durchbruch. Die Berichterstattung bezieht sich auf eine
Publikation von Anfang Mai 2024 auf dem Preprintserver der Cornell University (math arXiv) und wurde aufgegriffen z.B. vom österreichischen
DerStandard, vom
New Scientist und vom
Quanta Magazin.
Denn Mathematiker*innen studieren seit Monaten einen viele Seiten langen Beweis der geometrischen Langlands-Vermutung, ein Problem, das so kompliziert ist, dass allein das Verständnis des Problems Spezialkenntnisse in mehreren sehr unterschiedlichen Bereichen der Mathematik erfordert und daher nur für Spezialisten zugänglich ist. Auch deshalb ist die Nachricht vom erfolgten Beweis mit Vorsicht zu genießen. Die Hoffnung ist, dass ein Beweis wichtige Erkenntnisse für die gesamte Mathematik und Physik liefert. Das Max Planck Institut für Mathematik in Bonn hat eine
Internetseite eingerichtet, auf der Vorarbeiten und Teilaspekte des Beweises sukzessive veröffentlicht werden. Beteiligt am Beweis ist ein ganzes Team von Mathematikern weltweit, wie z.B. D. Arinkin, D. Beraldo, J. Campbell, L. Chen, D. Gaitsgory, J. Faergeman, K. Lin, S. Raskin and N. Rozenblyum.
Robert Langlands im Jahr 2018, Fotograf: Jeff Mozzochi, Quelle: wikipedia
Das Langlands-Programm geht auf einen Brief aus dem Jahre 1976 zurück, den der Mathematiker Robert Langlands an seinen Kollegen André Weil schrieb, und in dem er postulierte, dass zwei scheinbar unterschiedliche Bereiche der Mathematik, die Zahlentheorie und die harmonische Analysis, eng miteinander verbunden sind. Beweisen konnte er dies allerdings nicht. Gleichwohl inspirierte diese Idee zahlreiche Mathematiker*innen seiner Zeit. Die Idee ist, dass schwierige Probleme aus der Zahlentheorie als leichter fassbare Fragen der harmonischen Analysis formuliert (und gelöst) werden können. (Mehr dazu unten.**) Diese "geheimnisvolle Verbindung" versprach Antworten auf Probleme, mit denen Mathematiker zu kämpfen hatten, sagte
Edward Frenkel von der University of California in Berkeley gegenüber dem New Scientist. Eine Analogie, die zu Fortschritten geführt habe, sei die Umformulierung der Idee von Langlands in eine in der Mathematik der Geometrie formulierte Idee, die geometrische Langlands-Vermutung. "Doch selbst diese Umformulierung hat Mathematiker jahrzehntelang verblüfft und galt selbst als teuflisch schwer zu beweisen“, so Frenkel weiter.
An dieser verlockenden Vorstellung beißen sich seit Jahrzehnten ganze Teams von Mathematiker*innen die Zähne aus, allen voran ein Team geführt von Dennis Gaitsgory vom Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn und Sam Raskin von der Universität Yale, von denen auch die o.g. Publikation von Anfang Mai 2024 stammt, die seit ihrer Publikation für Wirbel in der Fachwelt sorgt, auch wenn sie sich „nur" auf einen Teilaspekt des Langlands-Programms bezieht, nämlich die geometrische Langlands-Vermutung. "Es ist das erste Mal, dass wir eine Ecke des Langlands-Programms wirklich vollständig verstanden haben, und das ist inspirierend", sagte
David Ben-Zvi von der University of Texas, der seit Jahren am Langlands-Programm forscht, aber selbst nicht an der o.g. Arbeit beteiligt war, gegenüber dem New Scientist.
Der Beweis dieser Vermutung wird anderen Mathematikern Zuversicht geben, die hoffen, in das ursprüngliche Langlands-Programm einzudringen, sagt Ben-Zvi, aber es könnte auch die Aufmerksamkeit theoretischer Physiker auf sich ziehen. Denn 2007 fanden die Physiker Edward Witten und Anton Kapustin heraus, dass die geometrische Langlands-Vermutung eine scheinbare Symmetrie zwischen bestimmten physikalischen Kräften oder Theorien, die sogenannte S-Dualität, zu beschreiben scheint.
Gleichwohl bleibt die Prüfung des Beweises abzuwarten und wird wahrscheinlich Jahre in Anspruch nehmen und auch dann müssen die Ergebnisse noch für andere Disziplinen aufbereitet werden, bis sie Ihre volle Wirkung entfalten können. Momentan wird der Beweis, der auf zahlreichen Vorarbeiten und Teilbeweisen beruht, sukzessive auf der o.g. Seite veröffentlicht, dann geprüft. (tgt)
** Das Konzept des "Langlands-Programms" gemäß den Internetseiten des Institut for Advanced Study (IAS):
Es wird gesagt, dass die Ziele der modernen Mathematik Rekonstruktion und Entwicklung seien. (1) Die vereinheitlichenden Vermutungen zwischen Zahlentheorie und Darstellungstheorie, die Robert Langlands, emeritierter Professor der School of Mathematics, 1967 in einem Brief an André Weil formulierte, setzen eine Tradition am Institut fort, mathematisches Wissen durch die Identifizierung von Problemen voranzutreiben, die für das Verständnis aktiver Bereiche zentral sind oder in Zukunft wahrscheinlich zentral werden.
"Zwei auffallende Eigenschaften von mathematischen Konzepten, die als zentral angesehen werden, sind, dass sie gleichzeitig mit Möglichkeiten für ihre eigene Entwicklung behaftet und, soweit wir das aus einer Geschichte von zweieinhalb Jahrtausenden beurteilen können, von dauerhafter Gültigkeit sind", sagt Langlands. "Im Vergleich zur Biologie, vor allem zur Evolutionstheorie, einer Verschmelzung von Biologie und Geschichte, oder zur Physik mit ihren beiden Rätseln, der Quanten- und der Relativitätstheorie, trägt die Mathematik nur bescheiden zur intellektuellen Architektur der Menschheit bei, aber ihre zentralen Beiträge sind von Dauer, einer löst den anderen nicht ab, sondern erweitert ihn. "(2)
In seinen Vermutungen, die heute unter dem Namen Langlands-Programm bekannt sind, stützte sich Langlands unter anderem auf die Arbeiten von Harish-Chandra, Atle Selberg, Goro Shimura, André Weil und Hermann Weyl, die eng mit dem Institut verbunden waren...
Zum ganzen englischsprachigen Original-Artikel inklusive Fußnoten geht es hier.