„Big Data“ – riesige Datenmengen, das ist der Rohstoff, mit dem der 26-jährige Mathematiker Alexander Eck arbeitet. Als Datenanalyst in dem Berliner Start-up-Unternehmen Trademob sucht er nach Strukturen im Datenreservoir, um sie für das Marketing auf Smartphones nutzbar zu machen. „Mobile Marketing“ nennt sich die Dienstleistung, auf die sich das Start-up bei seiner Gründung vor drei Jahren als erstes Unternehmen in Deutschland spezialisiert hat.

EckAlexander Eck. Foto: Privat

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Mathematik zu studieren?

Ein Mathematik-Studium war bis zur 12. Klasse für mich nur zweite Wahl. An erster Stelle stand der Wunsch, Pilot zu werden. Den habe ich schließlich aufgegeben, denn die Arbeitszeiten und das ständige Reisen haben mich abgeschreckt. Informatik und Mathematik fand ich schon als Schüler interessant. Ich war im Mathematik-Leistungskurs und habe auch schon ein bisschen Programmieren gelernt. Im Sommersemester 2007 habe ich mich dann an der Universität Heidelberg für Mathematik mit Nebenfach Informatik eingeschrieben.

Informatik war für Sie aber mehr als nur ein Nebenfach . . .

Ja, ich habe während meines Studiums immer wieder Jobs als Programmierer übernommen. Während der Semesterferien habe ich für eine Firma Apps entwickelt, kleine Programme für Smartphones. Mich interessierte schon damals vor allem der Bereich, der als Maschinelles Lernen bezeichnet wird. Beim Maschinellen Lernen – oder auf Englisch Machine Learning – wendet man unter anderem statistische Methoden an, um neue Strukturen in Daten zu finden und solche Prozesse dann auch zu automatisieren.

Mit Maschinellem Lernen haben Sie sich auch in Ihrer Abschlussarbeit beschäftigt.

Für meine Diplomarbeit habe ich Daten analysiert, die aus Experimenten zur Zellteilung bei Zebrafischembryos stammten. Zebrafische sind ein beliebtes Versuchstier in der Biologie. Ziel der Datenanalyse war es, ein Modell zu bilden, das es erlaubt vorherzusagen, in welcher Phase des Zellzyklus sich eine Zelle gerade befindet. Die Arbeit habe ich am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Uni Heidelberg verfasst. Dort arbeiten Mathematiker mit Daten und Modellen aus allen möglichen Gebieten, von Biologie über Chemie und Astrophysik bis zur Linguistik und den Geisteswissenschaften.

Wie sind Sie 2013 zu dem Berliner Start-up-Unternehmen gekommen?

In der Endphase meines Studiums habe ich regelmäßig die Job-Angebote gelesen, die über einen E-Mail-Verteiler im IWR laufen. Meistens waren dort Stellenanzeigen aus dem akademischen Umfeld gelistet, aber einmal war auch Trademob dabei. Eine Anforderung an Bewerber war, dass man versiert in Machine Learning ist. Das passte. Auch dass es um Smartphones ging. Mich interessieren solche „Mobile Devices“ und ihre technische Weiterentwicklung. Ich hatte damals schon mehrere konkrete Angebote von Firmen aus dem Stuttgarter Raum, aber Berlin hat mich mehr gereizt. Trademob war bereit, ein paar Monate auf mich zu warten, bis ich im Januar 2013 mein Studium abgeschlossen hatte.

In welchem Bereich arbeiten Sie bei Trademob?

Trademob bietet zum einen das klassische Mobile Marketing an. Hierbei schalten wir im Auftrag von Kunden Werbung auf mobilen Endgeräten, verfolgen die Ergebnisse und optimieren die Kampagnenschaltung. Die Kunden kommen dabei aus den unterschiedlichsten Branchen, zum Beispiel E-Commerce, Gaming oder Tourismus. Zum anderen gibt es den noch recht neuen Bereich Demand-Side-Platform, kurz DSP, der sich mit Realtime-Bidding beschäftigt. Dort arbeite ich.

Worum geht es dabei genau?

Realtime Bidding heißt, dass auf unseren Rechnern Anfragen ankommen, wenn es einen Werbeplatz zu besetzen gibt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Nutzer der App unseres Kunden gerade auf seinem Smartphone aktiv ist. Diese Bieter-Anfragen kommen in Echtzeit an, und zwar momentan bis zu 50.000 pro Sekunde. Darauf muss binnen Millisekunden reagiert werden. Anhand von mitgelieferten Informationen wie Uhrzeit, Art des Smartphones oder Format der Werbefläche wird entschieden, ob an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt auf dem Smartphone eines bestimmten Nutzers eine Werbung geschaltet wird. Diese Prozesse laufen natürlich alle automatisiert ab.

Und was sind Ihre Aufgaben dabei?

Ich betreue die Datenbank, die hinter diesen automatisierten Entscheidungsprozessen steht. Sie ist bereits recht fortgeschritten, aber wir entwickeln sie ständig weiter, da SQL-basierte gängige Datenbanken für unsere Zwecke nicht ausreichen. Dafür arbeite ich mit der IT-Abteilung zusammen. Ich als Datenanalyst sage: Was will ich analysieren?, oder: Wie will ich Daten miteinander verknüpfen? Die IT-Kollegen setzen das dann in der Datenbank um. Das ist der Informatik-Part meiner Arbeit.

Und worin besteht der mathematische Teil?

Hier geht es darum Wege zu finden, wie ich anhand der Daten zu Aussagen über die Smartphone-Nutzer komme. Zum Beispiel ob sie Frauen oder Männer sind, oder ob sie für uns wertvoll sind, ob sie sich also für die Produkte unserer Kunden interessieren. Anhand dieser Aussagen baue ich ein Vorhersagemodell, mit dem sich ganz bestimmte Nutzer herausfiltern lassen.

Gibt es in Ihrem Arbeitsalltag auch typische, wiederkehrende Aufgaben?

Es gibt schon ein Tagesgeschäft. Dazu gehört die Qualitätskontrolle der Daten. Ich überprüfe zum Beispiel regelmäßig, ob die Bieter-Anfragen alle notwendigen Informationen enthalten. Aber eigentlich gibt es wenig Routine. Da wir auf einem ganz neuen Markt agieren, ändert sich alles ständig.Wenn ich mal eine neue Idee habe, zum Beispiel wie wir das Bidding noch schneller oder unsere Modelle noch zuverlässiger machen können, dann spreche ich mit meinem Chef. Der räumt mir dann schon mal eine Woche Zeit ein, um meine Ideen auszuprobieren. Bei uns wird viel ausprobiert und auch wieder verworfen, aber das führt am Ende immer wieder zu guten Ergebnissen.

Was macht Ihnen besonders viel Spaß?

Diese neuen Ideen zu testen, das mache ich besonders gerne. Oder auch Vorgänge zu automatisieren. Dann schreibe ich ein kleines Programm und mein Kollege, der die Berichte für unsere Kunden erstellt, braucht nur noch einen Mausklick, um die gewünschten Daten aus der Datenbank zu generieren. Ich finde gerade die Verbindung von Informatik und Mathematik, wie ich sie hier vorfinde, attraktiv. Vor allem in Kombination mit neuen Technologien.

Was zeichnet Ihre Arbeit in einem Start-up-Unternehmen sonst noch aus?

Wir sind mit etwa sechzig Mitarbeitern ein relativ kleines Unternehmen. Außerdem arbeiten hier hauptsächlich junge Leute im Alter von 25 bis 35 Jahren. Arbeitssprache ist English, nur etwa ein Drittel der Kollegen spricht Deutsch. Und wir arbeiten nicht nur zusammen, wir unternehmen auch viel gemeinsam. Freitags, nach der Arbeit, treffen wir uns regelmäßig, entweder im Büro oder wir gehen gemeinsam in eine Bar oder ins Restaurant. Viele Kollegen hier sind wie ich neu in Berlin, da schließt man schnell Freundschaften. Mein Arbeitgeber legt auch Wert darauf. So lädt er freitags hin und wieder zu Partys in unseren Räumen ein. Aufgrund dieses Arbeitsumfeldes fühle ich mich, trotz der anspruchsvollen Arbeit, manchmal noch wie an der Uni – nur dass ich mehr Geld habe.

Ist Mathematik für Sie in erster Linie Beruf – oder auch Berufung?

Ich betrachte das als meinen Beruf. Aber gerade die Begeisterung für Computer und Technik geht weit über meine Arbeit hinaus. Ich lese in meiner Freizeit regelmäßig Fachzeitschriften und bastele gerne an meinem Raspberry Pi, ein Minicomputer, mit dem man alle möglichen IT-Geräte miteinander vernetzen oder den man als Fernbedienung einsetzen kann.

Wie schaffen junge Mathematikerinnen und Mathematiker denn einen Einstieg in dieses neue Berufsfeld?

Sie sollten sich mit Machine Learning auskennen und in diesem Bereich schon praktisch gearbeitet haben. Auch mit statistischen Methoden, mit Datenbanken und Programmieren sollten sie vertraut sein. Und da man als Datenanalyst im Bereich Mobile Marketing an der Schnittstelle von Business und IT arbeitet, tauscht man sich viel mit seinen Kollegen aus. Auch darauf sollte man vorbereitet sein.

 

Das Gespräch führte Kristina Vaillant,
freie Journalistin in Berlin.
www.vaillant-texte.de