Mathemacher des Monats Juli 2018 sind Jonas Bayer, Simon Dubischar und Malte Haßler, die zum zweiten Mal in Folge beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht” ausgezeichnet wurden: In diesem Jahr erhielten sie den bundesweit 3. Preis im Fach “Mathematik/Informatik” und außerdem den Sonderpreis der Deutschen Mathematiker-Vereinigung für eine außergewöhnliche mathematische Arbeit. Herzlichen Glückwunsch für diese sensationelle Leistung! Simon macht nächstes Jahr sein Abitur am Kippenberg-Gymnasium in Bremen. Malte und Jonas studieren bereits im 2. Semester Mathematik an der Jacobs University in Bremen. Stephanie Schiemann vom DMV-Netzwerkbüro Schule-Hochschule sprach mit ihnen.
Wie kam es dazu, dass ihr drei als Team bei „Jugend forscht” teilgenommen habt? Woher kanntet ihr den Wettbewerb? Woher kennt ihr euch?
Ursprünglich kennengelernt haben wir uns bei einem Mathewochenende, das von Prof. Dierk Schleicher organisiert wurde. Bei einem internationalen Kongress im Jahre 1900 hat der Mathematiker David Hilbert eine Liste der bedeutendsten ungelösten mathematischen Probleme des 20. Jahrhunderts vorgestellt. An dem Wochenende haben wir uns das 10. dieser Probleme genauer angeschaut und uns in die Thematik eingearbeitet. Außerdem haben wir diskutiert, an welchen Wettbewerben man teilnehmen kann. So kam „Jugend forscht“ ins Gespräch.
Nun, das Wichtigste bei „Jugend forscht“ ist – neben dem Team – das Thema. Eures lautet „Optimierung diophantischer Gleichungen“. Wie seid ihr darauf gekommen?
Es hat sich herausgestellt, dass sich die Thematik rund um das 10. Hilbertsche Problem super für ein „Jugend forscht“-Projekt eignet. Bereits 2017 haben wir mit dem Thema bei „Jugend forscht“ teilgenommen und eine sehr komplexe, sogenannte diophantische Gleichung berechnet. Die damalige Arbeit haben wir dann über Dierk Schleicher an Yuri Matiyasevich – dem Mathematiker, der das 10. Hilbertsche Problem als unlösbar beantwortet hat – geschickt, der uns daraufhin in Bremen besucht hat. Beim Frühstück haben wir diskutiert, welche weiteren Forschungsfelder es in unserem Thema noch gibt und sind dann auf die Idee zu kommen zu untersuchen, wie stark sich unsere sehr komplexe diophantische Gleichung vereinfachen lässt.
Polynomfunktionen und den Satz von Pythagoras kennt jeder aus der Schule. Was hat es mit den diophantischen Gleichungen auf sich?
Eigentlich sind diophantische Gleichungen nichts besonderes – beispielsweise 3a² + 4b² – c² = 9 ist eine diophantische Gleichung, da es sich um eine Polynomgleichung handelt, die nur ganzzahlige Koeffizienten hat. Das Wichtige ist allerdings die Betrachtungsweise: Wenn man diophantische Gleichungen untersucht, dann interessiert man sich nur für Lösungen in den natürlichen Zahlen. Man stellt fest, dass diophantische Gleichungen sehr mächtig sind in der Hinsicht, dass sich viele mathematische Probleme als diophantische Gleichung ausdrücken lassen.
Woher wusstet ihr, dass das Thema ertragreich genug ist? Wer oder was hat euch geholfen?
Zu Beginn hatten wir noch keine sehr konkrete Vorstellung davon, wie viel es noch zu erforschen gibt. Allerdings hatten Mathematiker zuvor schon viele Resultate für die natürlichen Zahlen gefunden. Diese haben wir dann auf die ganzen Zahlen übertragen – was erstmal nicht schwierig klingt, später jedoch viel Detailarbeit erforderte. Das erste nennbare Ergebnis berechnete Simon dann in der Straßenbahn auf dem Weg zum Landeswettbewerb.
Natürlich hat es uns sehr geholfen mit Yuri Matiyasevich direkt in Verbindung zu stehen und von ihm den aktuellen Stand der Forschung zu erfahren. Und ohne Dierk Schleicher als Unterstützer, gerade in der Anfangszeit, wären wir ganz sicher nicht soweit gekommen, wie wir es jetzt sind.
Diophant war ein antiker Mathematiker und diophantische Gleichungen haben die Menschen schon lange beschäftigt. Gibt es denn da überhaupt noch etwas Neues zu entdecken?
Diophant ging es im Wesentlichen darum, die Lösungsmenge einer gegebenen Gleichung zu finden. Eine solche Menge nennt man dann diophantisch. Wir haben die Thematik schließlich aus einer anderen Richtung betrachtet und sind letztlich der Frage nachgegangen: Wie komplex muss eine Gleichung sein, sodass man damit alle diophantischen Mengen beschreiben kann? Wir haben dann berechnet, wie groß der Grad und die Variablenanzahl solcher Gleichungen ist.
Habt ihr eine diophantische Lieblingsgleichung?
Ja, wie schon erwähnt haben wir bei unserer ersten Teilnahme bei „Jugend forscht“ eine neue diophantische Gleichung berechnet – die Collatz-Gleichung. Die beschäftigt sich mit dem folgenden Prozess:
Man fängt mit einer natürlichen Zahl an und wenn sie gerade ist, teilt man durch 2. Ansonsten multipliziert man mit 3 und addiert 1 und wiederholt dann den Prozess. Man hat bis zu sehr hohen Zahlen berechnet, das man dabei stets wieder bei der 1 landet, allerdings konnten Mathematiker noch nicht beweisen, dass dies immer der Fall ist.
Wir haben dann eine Gleichung erstellt, die genau dieses Problem auf eine neue Art darstellen kann. Unsere Gleichung bestand aus über dreitausend Variablen und es waren achtzehn Seiten nötig, um sie zu präsentieren. Deshalb rollten wir die Gleichung bei der Präsentation unseres Projekts auf und ließen dann die Rolle auf die Jury ausrollen, was immer ein überraschender Effekt war.
Was war für euch die größte Herausforderung bei der Arbeit und der Teilnahme bei „Jugend forscht“?
Jonas: Im ersten Jahr war natürlich die Koordination nicht ganz einfach, weil ich noch in Baden-Württemberg zur Schule ging und Malte und Simon in Bremen waren. Allerdings konnten wir die Arbeit dann doch ganz gut untereinander aufteilen.
Dieses Jahr war vor allem die Komplexität der Literatur, die wir verwendeten, noch weiter gestiegen. Da hat es noch einmal deutlich länger gedauert, bis wir uns alle in die bisherige Arbeit anderer Mathematiker eingearbeitet hatten. Teilweise war das auch sehr trocken. Da war es vor allem wichtig durchzuhalten und nicht das Ziel vor den Augen zu verlieren.
Kann jeder/jede bei „Jugend forscht“ teilnehmen? Was könnt ihr anderen Interessierten zu dem Wettbewerb empfehlen?
Teilnahmeberechtigt sind Schülerinnen, Schüler und Studierende bis zum ersten Studienjahr unter 21 Jahren. Gerade in der Mathematik muss man nicht immer drei Jahre vorher mit dem Projekt anfangen, damit was Gutes herauskommt. Wichtiger ist es Gruppenmitglieder zu haben, deren Fähigkeiten sich gut ergänzen. Und wenn man auf die Teilnehmenden des Bundeswettbewerbs schaut, dann kann man sicherlich sagen, dass alle für ihr Fach brennen sollten.
Zuletzt wüsste ich gern, was eure mathematischen Wurzeln sind? Wer oder was hat das Feuer entfacht?
Simon: Ich habe schon früh entdeckt, dass ich Spaß an Knobelaufgaben, Strategiespielen und dann auch Mathematikwettbewerben hatte. Mein erster Wettbewerb war der Känguruwettbewerb.
Vielen Dank!