Die Mathematik- und Englischlehrerin Martina Egbers (41) von der Integrierten Gesamtschule Flötenteich (IGS-Flötenteich) aus Oldenburg engagiert sich außergewöhnlich für mathematische inner- und außerschulische Projekte an ihrer Schule. Ohne ihre persönliche Initiative wäre die Förderung von „Mathe im Advent“ aller Schulen in Oldenburg nicht zustande gekommen – Dankeschön nochmal an dieser Stelle! Zudem setzt sich Martina Egbers für das selbstständige Lernen ein und arbeitet in ihrer Schule an der Schulentwicklung im Rahmen des Modellprojekts Zukunftsschule mit. Das Interview mit ihr führte Stephanie Schiemann, geschäftsführende Gesellschafterin von Mathe im Leben gGmbH und Ausrichterin von „Mathe im Advent“.
Auf Sie aufmerksam wurde ich durch Ihre Anfrage per E-Mail, weil Sie ganz allein bei der EWE Stiftung für alle Schulen in Oldenburg eine Förderung für „Mathe im Advent“ (MiA) beantragt haben. Wie kam es zu dieser Initiative und was haben Sie sich davon versprochen?
Ich bin überzeugt davon, dass „Mathe im Advent“ einen großen Beitrag dazu leisten kann, Spaß und Freude an der Mathematik zu entwickeln, andere Sichtweisen auf die Mathematik zu vermitteln und Problemlösekompetenzen zu schulen. Die Mathematik rückt im Dezember dadurch mehr in den Fokus – in der Schule, in der Familie und im Freundeskreis. All dies wünsche ich mir nicht nur für meine Klassen oder meine Schule, sondern für alle Kinder. Zumindest für die Stadt Oldenburg sah ich die Chance einen Förderer zu finden.
Die Förderung für „Mathe im Advent an Oldenburger Schulen“ wurde schlussendlich erst am 11.12. von der EWE Stiftung für 2024 genehmigt. Nächstes Jahr können Sie also voll durchstarten. Wie lief MiA dieses Jahr in Ihrer Schule bzw. in Oldenburg? Was planen Sie für 2024?
Wegen der Ungewissheit der Förderung hielten sich viele Kolleg*innen mit einer Klassenspielanmeldung zurück, so dass letztendlich nur zwei Klassen unserer Schule in dem Kalender 7-9 mitspielten. Von meinen eigenen Kindern weiß ich zudem, dass auch ihre Lehrkräfte Klassen anmelden würden, wenn es gefördert würde. Von daher hoffe ich, dass es 2024 deutlich höhere Anmeldezahlen für Oldenburg geben wird. Ich werde das Jahr nutzen, um möglichst viele Lehrkräfte – auch in anderen Schulen – zu erreichen, um sie für „Mathe im Advent“ und diese tolle Gelegenheit zu begeistern, die uns die EWE Stiftung nun ermöglicht.
Ihre Schule ist eine integrierte Gesamtschule, bei der alle Kinder bis einschließlich zum 8. Jahrgang in Mathematik gemeinsam unterrichtet werden. Jedes Kind kann in seinem eigenen Lerntempo und seinen individuellen Fähigkeiten entsprechend arbeiten. Wie funktioniert das an Ihrer Schule im Mathematikunterricht? Was tragen die Mathepläne dazu bei?
In den Matheplänen wird den Schüler*innen transparent gemacht, welche Kompetenzen sie in der Einheit lernen und welche Aufgaben jeweils passend zu den einzelnen Kompetenzen sind. Nach einer Wiederholungsphase, in der die Schüler*innen überprüfen, ob sie die für die kommende Einheit grundlegenden Kompetenzen beherrschen, starten wir mit einer gemeinsamen Aktivphase – meist in Gruppenarbeit und handlungsorientiert. Danach arbeiten die Schüler*innen selbstständig an dem Plan weiter, der Gruppen- und Partnerarbeiten sowie Einzelarbeit einschließt. Hierfür müssen sie auch ihre Leistungen selbst einschätzen. Kleine Zwischentests helfen, um sich selbst zu überprüfen. Ich stehe als Lernbegleiterin zur Verfügung und unterstütze bei Problemen. Zudem gibt es meist eine weitere Lehrkraft, die ebenfalls als Ansprechpartner*in zur Verfügung steht und den Lernprozess unterstützt. Aber auch untereinander helfen sich die Schüler*innen. Die Aufgaben in den Plänen sind differenziert und nutzen auch Spiele sowie handlungsorientiertes Material. Mit der Einführung der iPads sind auch unsere Pläne digital geworden und haben sich verändert. Wir können nun zusätzlich auch digitale Angebote, wie zum Beispiel Erklärvideos oder Onlineanwendungen, nutzen. Die Arbeit mit den Plänen ermöglicht es den Schüler*innen, dass jeder in seinem Tempo und auf seinem Leistungsniveau arbeiten kann.
Sie arbeiten auch an dem Projekt Zukunftsschule mit. Was hat es damit auf sich? Was ist das Ziel? Was plant Ihre Schule?
In dem Modellprojekt haben Schulen die Möglichkeit mit Unterstützung des Niedersächsischen Kultusministeriums und eines Netzwerks die Schulentwicklung an der eigenen Schule voranzutreiben, Dinge auszuprobieren und umzusetzen, um die Erlasse bezüglich der Bildung für nachhaltige Entwicklung, kurz BNE, und Stärkung der Demokratiebildung gut umsetzen zu können. Ich arbeite an meiner Schule in der AG Schulentwicklung daran, wie wir es schaffen können, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen und die Schüler*innen gut darauf vorzubereiten. Unser Schulcurriculum ist daher auch so aufgebaut, dass Lehrplan- und BNE-Inhalte in großen Teilen fächerübergreifend angelegt sind. Wir werden Zeiten für das freie Lernen einrichten, in denen Schüler*innen die Option haben, selbst zu entscheiden, wann sie was lernen möchten und auch neben Lehrplaninhalten die Möglichkeit haben, eigene Projekte durchzuführen. Das selbstständige Lernen hat also einen sehr hohen Stellenwert. Dies heißt selbstverständlich nicht, dass nicht zusammengearbeitet und gelernt wird. Auch Gruppen- und Partnerarbeiten gehören dazu. Selbstreflektion, Selbsteinschätzung und Selbstorganisation sind wichtige Fähigkeiten, die so gelernt werden. Wichtig ist natürlich dabei auch, dass es eine gute Beratung für die Schüler*innen gibt. Wir Lehrkräfte verstehen uns als Lernberater*innen. Natürlich wird es auch angeleitete Zeiten geben, wie Sportunterricht oder Schulstunden, in denen Experimente stattfinden, die nur in dafür ausgestatteten naturwissenschaftlichen Räumen durchgeführt werden können.
Abschließend habe ich noch eine Frage zu Ihren persönlichen Erfahrungen Ihrer Ausbildung und mit angehenden Lehrkräften. Wie stellen Sie sich Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Phase in der Zukunft vor?
Ich hatte das Glück an der Universität einen Dozenten zu haben, der selbst in dem Bereich „self-directed learning“ tätig war. Das hat mich und meine Rolle als Lehrperson sehr geprägt. Selbstständiges bzw. selbstgesteuertes Lernen und wie man dieses bei den Schüler*innen anbahnt, sollte einen größeren Stellenwert in der Ausbildung von Lehrkräften haben und damit einhergehend auch die Arbeit als Lernbegleitung mehr in den Vordergrund rücken. Dazu gehört auch, dass das Thema Beratung von Schüler*innen ebenfalls mehr Beachtung findet. Da an integrierten Gesamtschulen alle Lehrämter vertreten sind, wäre es wichtig, dass die Arbeit an der Gesamtschule ebenfalls ein größeres Thema in der Ausbildung wird. Ich wünsche mir außerdem eine noch bessere Kooperation zwischen Schule und Universität. Hiervon würden beide Seiten profitieren. Wenn zum Beispiel regelmäßig Studierende in Phasen selbstständigen Lernens anwesend wären, um Schüler*innen zu unterstützen, führt dies zu einer noch besseren Betreuung der Schüler*innen und die Studierenden könnten in dieser Zeit schon erfahren, wie selbstständiges Lernen, Lernbegleitung und Beratung in der Praxis an den Schulen aussehen kann.