Der promovierte Mathematiker Jörg Härterich von der Ruhr-Universität Bochum ist unser Mathemacher der Monate März und April 2025. Er bekam kürzlichen den Ars legendi-Fakultätenpreis im Fach Mathematik. Den Preis für „beste Lehre“ in Mathematik und Naturwissenschaften bekommen Wissenschaftler*innen, die sich durch herausragende, innovative und beispielgebende Leistungen in Lehre, Beratung und Betreuung ihrer Studierenden hervortun. Die Auszeichnung wird in den Kategorien Biologie, Chemie, Mathematik und Physik vergeben und ist mit je 5.000 Euro dotiert. Die Übergabe der Ars legendi-Fakultätenpreise erfolgt am Abend des 24. April 2025 in Berlin. Interessierte können sich anmelden per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Jörg Härterich lehrt Mathematik im Neben- und Hauptfach mit der Methode des „dosierten Prelearnings“. So sind die Studierenden schon zu Beginn jeder Vorlesung mit dem Stoff der Stunde vertraut. In der Präsenzphase ist dann Zeit für ein "warm-up" in Form eines Quiz und für weitere Elemente aktiven Lernens. Wir stellten dem frisch gebackenen Preisträger ein paar Fragen zu seinem Werdegang und seinem Ansatz für zeitgemäße Lehre.

Joêrg Haêrterich 03 25Jörg Härterich. Foto: Corina Minzlaff.

Wie haben Sie als junger Mensch zur Mathematik gefunden?

Mein Einstieg war über Mathematikwettbewerbe wie den Bundeswettbewerb Mathematik und die damit verbundenen Schüler*innenseminare, die in Baden-Württemberg für die Preisträger*innen angeboten wurden. Die Knobelaufgaben aus dem Bundeswettbewerb haben mich auf spannende Art an das mathematische Argumentieren und Beweisen herangeführt und in den Seminaren konnte man erleben, dass auch andere dieselbe Begeisterung dafür haben.

Wer oder was hat Sie im Laufe Ihres Werdegangs gefördert und motiviert?

Als Doktorand in Berlin habe ich in der Arbeitsgruppe viele positive Impulse bekommen. Dort war zu erleben, wie neue mathematische Resultate entstehen und wie mein Doktorvater immer wieder unerwartete Zusammenhänge zwischen verschiedenen Problemen aufzeigen konnte. Viele internationale Gäste kamen zu Vorträgen nach Berlin und waren dann für Fragen ansprechbar.

Was bedeutete das für Ihre Lehrtätigkeit?

Ein ungemein wichtiger Einfluss war später dann das Bündnis Lehreⁿ für Hochschullehre, das 2013 mit seinem Kolleg „Mathematik in der Ingenieurausbildung“ Kolleg*innen von der Ruhr-Universität Bochum und von fünf weiteren Hochschulen zum Austausch über den Transfer von Studienreformprojekten zusammenbrachte. Hier bin ich mir erst so richtig über meine Grundvorstellungen zur Servicelehre in der Mathematik klargeworden. Die Prinzipien Aktives Lernen, Kontakt zu Studierenden, Arbeit mit gut ausgebildeten Tutor*innen und zeitnahe Rückmeldung zum Lernerfolg sind bis heute Leitlinien für mich geblieben.

Seit 2018 gibt es an der Ruhr-Universität außerdem das HDM@RUB - Zentrum für Hochschuldidaktik Mathematik, das regelmäßig Veranstaltungen für Lehrende organisiert und so einen Austausch der Lehrenden untereinander zu aktuellen Themen fördert.

 

sie uns immer wieder einen neuen Blick auf bekannte Dinge erlaubt.

 

Was benötigen Studierende heutzutage um motiviert und nachhaltig Mathematik zu lernen?

Da hat sich in den letzten Jahrzehnten gar nicht so viel verändert: Studierende werden nur Spaß am Mathematikstudium haben, wenn sie sich auf die Fachkultur einlassen können. Dazu gehören der präzise Umgang mit Begriffen und die Freude an sauberen Argumentationen. Darüber hinaus benötigen sie eine gewisse Hartnäckigkeit, denn bei Übungsaufgaben muss man auch mal einige Umwege und Irrwege gehen, bis man eine richtige Lösung gefunden hat. Ich empfehle auch, keine Scheu vor Computern und Programmieren zu haben. Damit kann man sich an vielen Stellen Mathematik experimentell veranschaulichen.

Was verstehen Sie unter „dosiertem Prelearning“?

Ein bestimmter Aspekt der nächsten Vorlesung, z.B. ein schwieriger Begriff oder ein zentraler Satz, wird in einer kleinen Lektion von den Studierenden vorbereitet. Konkret könnte das der Begriff „Teilfolge“ oder der Mittelwertsatz sein. Mit Auszügen aus dem Skript, zusätzlichen Beispielen und Selbstkontrollfragen können die Studierenden sich dann mit diesem Thema im eigenen Tempo vertraut machen. Auf diese Weise möchte ich Situationen vermeiden, bei denen mit Begriffen argumentiert wird, die erst 30 Sekunden vorher definiert wurden und von denen viele Studierenden noch überhaupt keine klare Vorstellung haben.

Und wie sehen dann Ihre Präsenzveranstaltungen aus?

Wir beginnen meistens mit einem kleinen Warm-up Quiz, um wieder ins Thema zu kommen. Dabei kann ich gleich sehen, ob der Inhalt aus dem Prelearning gut verstanden wurde oder ob ich auf bestimmte Dinge noch einmal eingehen muss. Danach beginnt dann eine „normale“ Vorlesung, die ich aber möglichst an 2-3 Stellen unterbreche, um den Studierenden Gelegenheit zu geben, ein kleines Beispiel selbst auszuarbeiten oder über eine Frage zu diskutieren. Dabei gehe ich durch den Hörsaal und lasse mir von einzelnen Gruppen kurz ihre Überlegungen erklären, bevor wir dann gemeinsam Lösungen besprechen und noch offene Fragen klären.

MZ-RUB-HärterichJörg Härterich. Foto: Stig Bursche.

Wie muss sich die Lehre im Fach Mathematik  verändern, damit wieder mehr Menschen Freude am Studium der Mathematik haben?

In Mathematik, genau wie in vielen anderen Fächern, müssen die Hochschulen Wege finden, um Präsenzveranstaltungen für die Studierenden attraktiver zu machen als Vorlesungsvideos und Youtube-Tutorials. Speziell in Mathematik geht es auch darum, nicht schon im ersten Semester viele Studierende wieder zu verlieren. Vielleicht müssen wir am Anfang des Studiums mehr Angebote machen, in denen es weniger um konkrete mathematische Inhalte geht sondern mehr um die grundsätzlichen Herangehensweisen und Techniken. Im besten Fall finden Studierende dadurch Spaß daran, Probleme mit einer überzeugenden Argumentation zu lösen.      

Was würden Sie einem jungen Menschen heute raten, der Interesse an einem Mathematik-Studium hat?

Man sollte nicht zu schnell aufgeben. Der „Kulturschock“ beim Übergang von der Schule zur Hochschule ist nicht zu verleugnen, aber ich kenne genügend Beispiele von Studierenden, die am Anfang sehr gekämpft haben, aber später sowohl Freude als auch Erfolg im Mathematikstudium hatten. Etwas, das auch viel zu selten gesagt wird: Das Studium wird nicht von Semester zu Semester schwieriger, im Gegenteil: ist man erst einmal mit den Grundlagen vertraut, dann fällt vieles sogar leichter und durch Wahlmöglichkeiten kann man verstärkt die Dinge lernen, die einem besonders gut liegen. Vielleicht sollte man das auch klarer kommunizieren.

Sie spielen seit vielen Jahren Trompete. Sehen Sie zwischen Mathematik und Musik Parallelen?

Ich bin mir nicht sicher, ob es da einen engen Zusammenhang gibt, aber in beiden Bereichen versucht man, Dinge zu strukturieren und dadurch verständlicher zu machen.