Rudolf vom Hofe ist Professor für Mathematikdidaktik an der Universität Bielefeld. Er ist Leiter des Instituts für Didaktik der Mathematik und für die Ausbildung von Lehramtsstudierenden für Gymnasien und Gesamtschulen zuständig. Zudem arbeitet er als Herausgeber und Autor an der Entwicklung von Unterrichtsmaterialien und Lehrwerken und ist seit 2014 erster Vorsitzender der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM), welche vom 9. bis 13. Februar 2015 in Basel - gemeinsam mit den Schweizer Kollegen – Ihre diesjährige Jahrestagung abgehalten hat. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule–Hochschule sprach mit ihm.

rudolf vom hofe

(Foto: Norma Langohr/Pressestelle der Uni Bielefeld)

Aktueller Anlass für Ihre Auszeichnung ist ja die 49. Jahrestagung der GDM, die gerade zu Ende gegangen ist. Bitte nennen Sie mir  ein paar Highlights der Tagung!

Die diesjährige Tagung war insofern eine besondere, als sie zum zweiten Mal in der Schweiz stattfand. In Basel nahmen ca. 580 Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Zum Lehrertag kamen zusätzlich noch mal ca. 200 Lehrerinnen und Lehrer. Dank der hervorragenden Organisation der Gastgeber, haben wir eine wissenschaftliche Tagung mit einer umfangreichen Lehrerfortbildung verbunden. Highlights waren beispielsweise die Hauptvorträge von Prof. Dr. Lisa Hefendehl-Hebeker (Uni Essen) und Prof. Dr. Norbert Hungerbühler (ETH Zürich). Beide haben in eindrucksvoller Weise die Beziehungen zwischen Fachmathematik, Didaktik und Methodik unter neuen Aspekten analysiert und produktive Vorschläge hierzu entwickelt, sowohl für eine Verbesserung des Erwerbs von Praxiskompetenzen (L. Hefendehl-Hebeker) als auch für eine inhaltliche Bereicherung des Mathematikunterrichts z. B. durch Themen wie Origami, Kryptographie, Statistik, Spieltheorie, Zerlegungs- und Raumgeometrie. Spannend war auch der historische Veranstaltungsort: Das Kollegienhaus der Universität Basel, wo bereits Johann Bernoulli und Leonhard Euler wirkten.

Nun findet die GDM-Jahrestagung dieses Jahr in Basel gemeinsam mit der Schweizer Fachgruppe Mathematik der Pädagogischen Hochschule der FHNW statt. Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Schweizer Kolleg*innen? Sind Sie auch Teil der GDM?

Unsere Schweizer Kolleginnen und Kollegen machen etwa 10 % unserer Mitlieder aus. Für die GDM ist es wichtig, auch Impulse aus anderen deutschsprachigen Ländern – wie aus der Schweiz und Österreich – zu bekommen; das belebt auch die Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts in Deutschland. Die Zusammenarbeit läuft hervorragend.

Erzählen Sie mir doch bitte ein wenig über Ihre Gesellschaft. Wie lange gibt es sie schon? Welche Arbeitsgruppen gibt es? Wie viele Mitglieder haben Sie? Wie ist die Altersstruktur der Mitglieder?

Unsere Gesellschaft wurde 1975 gegründet, sie feiert also in diesem Jahr ihren 40-jährigen Geburtstag. Sie verfolgt das Ziel, die Didaktik der Mathematik – insbesondere in deutschsprachigen Ländern – zu fördern. Dazu arbeitet sie mit entsprechenden Institutionen der Bildungspolitik, der Nachbardisziplinen und den Verbänden anderer Länder zusammen. In der GDM gibt es ein Dutzend Arbeitskreise zu allen wichtigen Themen der Mathematikdidaktik. Beispiele für Arbeitskreise finden sich hier. Wir haben zurzeit 1100 Mitglieder aus allen Altersgruppen. Besonders junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind bei uns stark vertreten, da die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine Kernaufgabe unserer Gesellschaft ist.

Die GDM und die DMV sind befreundete Verbände, das heißt auch, dass es das Angebot der Doppelmitgliedschaft gibt. Sie sind auch Mitglied in beiden Vereinigungen. Welche Vorteile hat dies?

Ja, die GDM und DMV sind befreundete Verbände. Viele unserer Mitglieder sind auch Mitglieder der DMV, so auch ich. Dies hat zum einen den Vorteil, dass man durch die Doppelmitgliedschaft günstigere Bedingungen für Mitgliedbeiträge und Zeitschriften hat. Entscheidender ist jedoch der strategische Vorteil dieser Partnerschaft: Durch Abstimmung in Bildungsfragen haben die DMV und GDM, gemeinsam mit der MNU, gegenüber den politischen Handlungsträgern ein ganz anderes Gewicht, als sie es als Einzelverbände hätten. Und im Jahr 2018 ist sogar eine gemeinsame Jahrestagung von DMV und GDM geplant; sie wird in Paderborn stattfinden.

... weil sie der Schlüssel für viele Rätsel ist. Prof. Rudolf vom Hofe


Sie spielen auf die gemeinsamen Kommissionen an?

Ja, richtig. DMV und GDM haben zwei gemeinsame Kommissionen, in denen auch der Lehrerverband des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU) vertreten ist. Es sind Kommissionen zu den Themen Lehrerbildung und Übergang Schule – Hochschule.

An Ihrer Universität Bielefeld gibt es viele Lehramtsstudierende und auch sehr moderne Konzepte. Bitte nennen Sie mir ein paar Beispiele aus der Mathematik/Mathematikdidaktik.

Die Lehramtsausbildung ist ein wichtiger Bereich der Universität Bielefeld und Mathematik ist eines der zentralen Fächer. Ein wichtiges und innovatives Konzept, das wir zurzeit verfolgen, ist die Integration von mathematischer Fachwissenschaft, didaktischer Expertise und Praxiselementen im Studium. Sie beginnt mit praxisorientierten Seminaren und einem Förderpraktikum im Bachelorstudium, in dem die Studierenden zunächst mit kleinen Schülergruppen in Partnerschulen arbeiten. Danach schließt sich im Masterstudium das Praxissemester an, in dem nun Erfahrungen im Unterricht mit ganzen Klassen erworben werden. Begleitet wird dies von unterstützenden Veranstaltungen der Universität und der Studienseminare. Auf diese Weise soll ein langsamer, aber kontinuierlicher und wissenschaftlich reflektierter Aufbau von Praxiskompetenzen gewährleistet werden.

Welches Spezialgebiet haben Sie?

Mein Spezialgebiet ist die Entwicklung mathematischer Grundvorstellungen, das sind tragfähige mentale Repräsentationen mathematischer Inhalte und Verfahren, die mathematisches Denken und Handeln in hohem Maße beeinflussen. Der Aufbau von Grundvorstellungen und das Vermeiden von Fehlvorstellungen sind wichtige Voraussetzungen für die mathematische Kompetenzentwicklung als Ganzes. Während es bei elementaren Grundvorstellungen im Bereich der Grundschule bereits viele gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, ist die Entwicklung von fortgeschrittenen Grundvorstellungen im Bereich der Sekundarstufen noch in vieler Hinsicht ein offenes Forschungsfeld, an dem wir in mehreren Projekten arbeiten.

Wie sind Sie selbst zur Mathematik bzw. der Mathematikdidaktik gekommen? Gab es da ein besonderes Ereignis oder ein Vorbild?

Mir hat Mathematik schon in der Schule Spaß gemacht. Im Vergleich zu vielen anderen Fächern, wo mitunter schwer zu greifen war, was richtig und falsch, was sinnvoll und unsinnig ist, hat mich die Mathematik immer wegen ihrer Klarheit fasziniert, auch wenn es manchmal schwierig ist, sich diese Klarheit zu Eigen zu machen. Nach dem Studium war ich dann über 10 Jahre lang Mathematiklehrer in einem Gymnasium, dies waren für mich wunderschöne Jahre. In dieser Zeit hat sich dann mein Interesse entwickelt, mich präziser und gründlicher mit mathematischen Denkprozessen zu befassen, was mich schließlich wieder in die Universität geführt hat. Im Herzen bin ich dennoch ein Lehrer geblieben, aber das ist bei einer Professur für Mathematikdidaktik ja schließlich kein Nachteil.