Nach dem Studium der Physik an der Universität Karlsruhe arbeitete Klaus Tschira von 1966 bis 1972 als Systemberater bei IBM in Mannheim. 1972 war er einer der fünf Gründer der Systemanalyse und Programmentwicklung GbR, aus der 1988 die SAP AG hervorging. Tschira wechselte 1998 in den Aufsichtsrat und zog sich peu à peu aus dem Tagesgeschäft zurück. 1995 gründete er die Klaus Tschira Stiftung. Sie gehört heute zu den größten gemeinnützigen Stiftungen Europas, die mit privaten Mitteln ausgestattet sind. Mit den Projekten, die die Stiftung fördert, möchte Tschira langfristig das Ansehen der Naturwissenschaften mehren. Bei vielen Projekten stehen dabei Mathematik und Informatik im Fokus. Eines der jüngsten Beispiele dafür: das Heidelberg Laureate Forum, das diesen September das erste Mal stattfindet. Thomas Vogt sprach mit Klaus Tschira über sein Engagement.

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(Foto: Tim Wegner für Klaus Tschira Stiftung)

Seit vielen Jahren machen Sie sich für die Wertschätzung der Naturwissenschaften stark. Was war damals Ihre Motivation?
So richtig habe ich mich seit der Gründung der Stiftung eingesetzt. Es hat mich in den 26 Jahren bei der SAP und davor in fast 6 Jahren bei IBM immer gewurmt, dass etliche Themen in Deutschland aus dem Bauch heraus und ohne oder zumindest mit relativ wenig Sachkenntnis diskutiert werden. Daher meine Neigung zur Öffentlichkeitsarbeit. Davor hatte ich mal an der TH Karlsruhe (jetzt KIT) (theoretische) Physik studiert und dabei zur Zeit des Vordiploms mit dem Gedanken gespielt, lieber Mathematik zu studieren. Ich hatte auch bei den Mathematikern als Hilfsassistent gearbeitet und in den Semesterferien zwei Paukkurse - „Mathematik für Ingenieure" und „Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler" - abgehalten. Insofern haben mich die Naturwissenschaften - von der Ausbildung her -, die Mathematik als alte Liebe und die Informatik als Quelle des Wohlstands motiviert.

Was wurde seit der Gründung Ihrer Stiftung erreicht?
Recht gut macht sich zum Beispiel die Forscherstation, das Klaus Tschira Zentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung an der PH Heidelberg. Es wurde 2009 von der Klaus Tschira Stiftung an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg gegründet. Inzwischen wurde aus dem Projekt eine selbständige gGmbH und ein An-Institut der PH Heidelberg. Das Kompetenzzentrum möchte Kinder frühzeitig für Naturwissenschaften begeistern. Hierzu bildet es Erzieher/innen sowie Grundschullehrkräfte fort, so dass diese gemeinsam mit den Kindern Naturphänomene beobachten und erforschen. Das Projekt wird umfassend wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Es dient als Impulsgeber für zukunftsorientierte Kindergärten und Grundschulen im In- und Ausland.

Mit welchen Projekten oder Ideen hatten Sie noch Erfolg?
Zum Beispiel mit Explore Science, den naturwissenschaftlichen Erlebnistagen für Jung und Alt im Luisenpark in Mannheim, oder auch mit „KlarText!", einem Preis, um den sich Doktoranden mit der verständlichen Darstellung ihrer Doktorarbeit bewerben können. Und dann sind da natürlich noch die dauerhaften Großprojekte: also das Heidelberger Institut für theoretische Studien (HITS) und das NaWiK, das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation am KIT.

Was hat es mit diesen beiden Großprojekten auf sich?
Das HITS setzt die Forschungsaktivitäten des Vorgängerinstituts EML Research gGmbH auf einer breiteren Grundlage fort. HITS wird im Endausbau ca. zehn Forschungsgruppen aus verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaften, der Mathematik und der Informatik umfassen. Ich bin davon überzeugt, dass eine solche multidisziplinäre Umgebung die Chancen für neuartige Zugänge zu grundlegenden Problemen der Naturwissenschaften eröffnet. Das NaWiK soll wiederum Wissenschaftler und Studierende fit machen für den Dialog mit der Öffentlichkeit. Wissenschaftler müssen heute erklären können, woran sie arbeiten, wofür Gelder der öffentlichen Hand verwendet werden, welche Chancen und Risiken in ihren Arbeiten stecken. Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation soll Wissenschaftler und Studierende in zielgruppenorientierter Wissenschaftskommunikation aus- und weiterbilden. Dabei konzentriert sich das NaWiK zunächst auf die Gruppe der Doktoranden und Master-Studierenden, aber auch auf andere Kunden, z.B. aus Stiftungen und der Industrie.

Möchten Sie noch weitere Vorhaben nennen?
Ja, und zwar die Bauten für wissenschaftliche Einrichtungen: zum Beispiel das neue Ausbildungszentrum ATC des Europäischen Molekularbiologischen Labors EMBL, das HdA, das Haus der Astronomie des Heidelberger Max Planck Instituts für Astronomie, das Klaus Tschira Zentrum für "Computational Cardiology" der Universität Heidelberg und das MUH, das in Bau befindliche Mathematikon der Universität Heidelberg.

... sie die Wiege aller Wissenschaften ist und immer noch Neues bietet, obwohl schon einige tausend Jahre alt. Klaus Tschira


Im September findet das 1. Heidelberg Laureate Forum (HLF) statt. Was ist die Idee hinter dieser Initiative?

Nachwuchswissenschaftler in Naturwissenschaften profitieren ungemein vom frühen Kontakt mit Koryphäen ihres Faches bei den Lindauer Tagungen der Nobelpreisträger. Leider gibt es für Mathematik und Informatik keine Nobel-Preise, aber der Nachwuchs würde auch in diesen Fächern enorm profitieren. Also nehmen wir die quasi-Nobel-Preise: Wir laden die Abel-, Fields-, und Turing-Preisträger nach Heidelberg ein und bringen sie mit Nachwuchswissenschaftlern zusammen. Nebenbei ist es auch eine gute Gelegenheit, ein wenig Verständnis für die Belange der Naturwissenschaften und der Nachwuchswissenschaftler in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wie wurde die Idee bei den Preisträgern und wie wurde sie beim Nachwuchs aufgenommen?
Überwältigend gut. Bis jetzt haben sich 44 Preisträger angemeldet, das ist mehr als ein Drittel aller lebenden Preisträger. Und was den Nachwuchs anbelangt, so hatten wir 600 vollständige Bewerbungen von Young Researchern aus aller Welt, von denen wir 200 für das Treffen vom 22. bis 27. September ausgewählt haben.

Können Sie uns kurz den geplanten Ablauf beschreiben und einige Höhepunkte des Treffens nennen?
Nun, zunächst haben wir die Eröffnungsfeierlichkeiten in der Aula der Universität Heidelberg mit Empfang und Charity Concert. An den folgenden Tagen gibt es Impulsvorträge ausgewählter Preisträger im Wechsel mit Workshops zu bestimmten Themen. Neben der Arbeitsatmosphäre soll aber auch das gesellige Beisammensein nicht zu kurz kommen. Oft entstehen ja neue Ideen eher in entspannter Atmosphäre als im stillen Kämmerlein. Deshalb sind die gemeinsamen Mahlzeiten und Ausflüge bei dieser Tagung genauso wichtig. Hinter dem Get-together am Dienstag Abend verbirgt sich zum Beispiel ein Bayerischer Abend, zu dem wir als Festredner Herrn Prof. Hausladen von der TU München, Fakultät für Architektur, eingeladen haben. Er wird über parametrisches Bauen sprechen. Einmal werden wir das gemeinsame Abendessen im Schwetzinger Schloss einnehmen, einmal eine Bootstour auf dem Neckar unternehmen und das Abschiedsdinner haben wir für das Heidelberger Schloss vorgesehen.

Welche Aktivitäten planen Sie in den kommenden Jahren?
Zum einen soll es natürlich nicht bei einem Laureatentreffen bleiben, sondern es soll jährlich stattfinden. Weitere jährlich wiederkehrende Ereignisse sind Explore Science und KlarText! Sehr gespannt bin ich auch, wie sich HITS und NaWiK entwickeln, die beide ja noch relativ junge Einrichtungen sind. Außerdem bereiten wir gerade ein neues Zentrum für Astronomie für die ESO in Garching vor. Die ESO ist eine führende internationale Organisation für astronomische Forschung.

Dann wünsche ich Ihnen weiterhin alles Gute für Ihre vielfältigen Vorhaben!


Links zu den oben genannten Projekten:

Haus der Astronomie des Heidelberger MPI für Astronomie

EMBL Advanced Training Centre (ATC)

Forscherstation, Klaus Tschira Zentrum für frühe naturwissenschaftliche Bildung an der PH Heidelberg

Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS)

Heidelberg Laureate Forum (HLF)

KlarText! Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft

Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWiK)