Der engagierte und kreative Mathematik- und Physiklehrer Olaf Schimmel organisiert seit über 10 Jahren im Regionalzentrum Ostthüringen sehr erfolgreich die Förderung mathematisch begabter und interessierter Schülerinnen und Schüler. Er begeistert Mathematiktalente der Klassen 3/4 mit Korrespondenzzirkeln, bietet jährlich Mathe-Spezialistenlager, mathematische Vormittage und "mathe plus"-Kurse zur Vorbereitung interessierter Oberstufenschüler auf ein MINT-orientiertes Studium an. Aus diesem Grunde erhielt er im Dezember 2012 von der Stiftung Faszination Begabung den Thüringer Stiftungspreis für Begabungsförderung. An seiner Schule, dem Ulf-Merbold-Gymnasium in Greiz, hält er die mathematischen Fäden zusammen und stellt eine beachtliche Webseite zur Verfügung. Der begeisterte Ausdauerläufer begleitet zudem mit Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft die Ausbildung von Lehramtsanwärtern. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule-Hochschule sprach mit ihm.

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(Foto:  Olaf Schimmel (li.) auf dem Spezialistenlager in Ilmenau 2012 und (re.) auf der Imaginata in Jena/privat)

Meines Wissens haben Sie bereits als Schüler entschieden Mathematiklehrer zu werden und ein Schnellabitur mit 17 Jahren gemacht. Mit 22 Jahren waren Sie dann schon als Lehrer tätig. Bitte beschreiben Sie Ihren Weg und Ihre Motivation dafür?
Als ich Schüler war wurden in der DDR Mathematik-Physik-Lehrer gesucht. Deshalb gab es beispielsweise an der FSU Jena einen Vorkurs, in dem man in diesen Fächern nach Abschluss der 10. Klasse in einem Jahr ein Spezialabitur abschließen konnte. Nahtlos schloss sich daran das Lehramtsstudium für die polytechnische Oberschule an. Nach einem praktischen Schuljahr 1988/89 trat ich dann tatsächlich mit 22 Jahren in den Schuldienst ein. Im Zuge der Umstrukturierung des Schulwesens fand ich nach der Wende den Weg ans Gymnasium. Dort unterrichte ich seit 1991. Als ich mich für diesen Weg entschied, wusste ich, dass mir Mathematik und Naturwissenschaften Freude bereiten und auch, dass ich gern mit Menschen arbeite. Ob dies reichen würde, ein guter Lehrer zu werden, der im Schulalltag bestehen kann, wusste ich damals nicht. Heute würde ich sagen: Es war eine der glücklichsten Entscheidungen meines Lebens.

Was gefällt Ihnen am Lehrerleben besonders? Würden Sie jungen Menschen raten, die heute vor der Entscheidung stehen, Lehrerin oder Lehrer zu werden?
Mir gefällt besonders die direkte Arbeit mit den jungen Menschen, sie ein Stück weit auf ihrem Weg zu begleiten und ihr Interesse an meinen Fächern, besonders an der Mathematik, nachhaltig zu wecken. Lehrer ist ein Beruf, den man mit Hingabe und Freude ausüben muss. Aber es ist auch ein sehr anspruchsvoller und zeitweise kraftraubender Beruf. Es ist kein Beruf, den man in erster Linie nur deshalb ausüben sollte, weil er recht gut bezahlt wird und schon gar keiner, den man nur als Alternativlösung wählen sollte.

Ihr Einstieg als Lehrer war 1999 in einer 4. Klasse. Heute - als Gymnasiallehrer - bieten Sie noch Korrespondenzzirkel für die Klassenstufen 3/4 an. Wie läuft das ab? Woher kommen die Aufgaben? Wie ist der Rücklauf der Schülerinnen und Schüler?
Jeder teilnehmende Schüler löst pro Schuljahr bis zu 6 Korrespondenzen und hat dafür meist 4 bis 6 Wochen Zeit. Jede Korrespondenz besteht aus einem Thementeil mit Erläuterungen und Aufgaben, sowie einem Knobelteil. Die Aufgaben erstelle ich größtenteils selbst. Am Zirkel beteiligen sich pro Schuljahr zwischen 20 und 30 Schülerinnen und Schüler der Region aktiv, das heißt, sie bearbeiten mehr als 3 der 6 Korrespondenzen. Natürlich kann man jederzeit, also auch im laufenden Schuljahr, einsteigen. Die aktiven Schüler erhalten am Schuljahresende auf einer Auswertungsveranstaltung eine Urkunde und einen kleinen Preis. Die Rückmeldungen seitens der Schüler und Eltern sind durchweg positiv.

Sie bieten „mathe plus"-Kurse für Oberstufenschüler an, weil auch in Thüringen der Leistungskurs Mathematik abgeschafft wurde. Was machen Sie in diesen Kursen? Gehören Sie zum Schulprogramm? Wie werden Sie angenommen und welche Rückmeldung erhalten Sie von ihren ehemaligen Schülern über den Studieneinstieg?
Als 2009 in Thüringen das Leistungsfach Mathematik gestrichen wurde, wollte ich eine Alternative für Schüler anbieten, die ein MINT-Fach als Studienwunsch haben und darauf vorbereitet sein möchten. Deshalb erarbeiteten wir an der Schule ein inhaltliches Konzept und schufen Rahmenbedingungen für ein Zusatzangebot. So entstand an der Schule der Kurs „mathe plus", in dem jeder Schüler der Klassenstufen 11 und 12 freiwillig und zusätzlich eine Doppelstunde Mathematik wöchentlich extra genießen darf. Die Themen sind ergänzend zum Thüringer Lehrplan gewählt. Einerseits werden Inhalte behandelt, die nun nicht mehr Gegenstand der Lehrpläne sind, beispielsweise das Beweisverfahren der vollständigen Induktion, andererseits auch Stoffabschnitte, die in Thüringen noch nie Lehrplaninhalt waren, wie die komplexen Zahlen. Seit 2009 haben wir durchgängig solche Kurse an der Schule.

... sie wesentlich vielseitiger und interessanter ist als viele glauben. Man muss sich nur etwas Zeit nehmen um die schönen Seiten der Mathematik zu entdecken. Olaf Schimmel


Schon seit vielen Jahren organisieren Sie mathematische Spezialistenlager? Das klingt sehr nach einer Spezialförderung wie zu DDR-Zeiten. Wer darf daran teilnehmen? Was wird den Teilnehmern dort geboten? Wie sieht es mit den Kosten aus?

Die Spezialistenlager dienen der Vorbereitung der Schüler der Region auf die zweite Stufe der Mathematikolympiade. Wir bringen jährlich etwa 40 gleichgesinnte Kinder aus dem thüringischen und sächsischen Vogtland zusammen, die sich gern mit mathematischen Problemen beschäftigen. Im Unterricht werden bekanntlich solche Aufgaben kaum angegangen. Dementsprechend schlecht fallen häufig die Ergebnisse bei Olympiaden aus. In den Mathe-Camps vermitteln und trainieren wir also Lösungsstrategien. Außerdem gibt es einen Lagerwettbewerb, der sich aus mehreren Puzzleteilen zusammensetzt, die während der 5 Tage eingebracht werden müssen. Dazu gehören unter anderem ein Kopfrechenwettbewerb, Knobelecken und eine Lagerolympiade.
Bewerben kann sich jeder Schüler der Region ab Klassenstufe 6. Die Zahl der Bewerber liegt jedoch meist höher als die Zahl der vorhandenen Plätze. Glücklicherweise übernimmt unser Schulträger regelmäßig einen Teil der Kosten, so dass der Eigenanteil, den jeder Schüler berappen muss, meist unter 100 € liegt. Auch die Stiftungen „Bildung für Thüringen" und „STIFT" unterstützten uns schon.

Ihre umfangreiche Webseite www.mathoid.de wurde schon fast 100.000-mal angeklickt. Was bieten Sie dort an? Bitte nennen Sie uns ein paar schöne Beispiele.
Auf meiner Website dokumentiere ich viele meiner mathematischen Aktivitäten, stelle Materialien zur Verfügung und veröffentliche Informationen zu unseren schulischen Inhalten und Projekten im Fach Mathematik. Daneben gibt es aber auch eine Menge interaktiver Inhalte, die ich selbst mit dem dynamischen Geometrieprogramm Geogebra erstellt habe. Leider fehlt es manchmal ein wenig an der Zeit, die Website kontinuierlich zu pflegen.

Möchten Sie uns noch von einem weiteren aktuellen mathematischen Projekt berichten? Ich bin gespannt.
Im Herbst 2012 schrieb ich einen schulinternen Lehrplan zu einem Unterrichtsfach, das wir im Wahlpflichtbereich der Klassenstufen 9 und 10 ab 2013 mit drei Wochenstunden extra anbieten möchten. Es heißt „Angewandte Mathematik" und hat auch wieder den Zweck, interessierten Schülern mehr Mathematik zu bieten, als allgemein üblich. Die gute Resonanz von „mathe plus" hat uns ermutigt, diesen Schritt zu gehen. Der Lehrplan liegt derzeit zur Genehmigung im TMBWK.
Wenn dieser genehmigt wird, kann bei uns jeder interessierte Schüler ab Klasse 9, durchgängig pro Woche insgesamt 6 oder sogar 7 Mathematikstunden erleben.
Etwas Besonderes stellen sicherlich auch immer wieder die „Schnappologie-Projekte" dar. Am 14. März findet dazu ein Workshop statt.

So und nun zum Abschluss kommen wir zu Ihnen persönlich. Woher kommt Ihre Liebe zur Mathematik? Hatten Sie ein Vorbild oder einen guten Lehrer?
Eigentlich gibt es kein einschneidendes Ereignis, welches mich direkt zur Mathematik geführt hat. Es hat mir schon immer Spaß gemacht, mich mit mathematischen Problemen auseinanderzusetzen. Die Liebe zu dieser Wissenschaft entstand langsam und wuchs mit jeder Stunde, in der ich mich mit ihr beschäftigte.

Vielen Dank für das Interview!