Die Fürther Mathematik-Olympiade (kurz: FüMO) ist in Bayern ein äußerst erfolgreicher Hausaufgabenwettbewerb, bei dem die Mathe-Aufgaben von einem Team engagierter Lehrer*innen aus Mittel- und Unterfranken entwickelt werden. Die Aufgaben haben es in sich und sind nur mit einer gehörigen Portion Kreativität, Gehirnschmalz und Durchhaltevermögen zu bewältigen. Zielgruppe sind Realschüler*innen und Gymnasiast*innen der 5. bis 8. Klasse. Was vor 21 Jahren in der fränkischen Provinz begann ist aber längst über die Grenzen der Region hinausgewachsen. Mit dem Umzug der Mathematiklehrerin Gudrun Tisch von Aschaffenburg nach Berlin brachte sie vor acht Jahren diesen Wettbewerb mit in die Hauptstadt an die katholischen Schulen. Der Ableger in Berlin ist aber ganz anders organisiert als der Originalwettbewerb und alle sonstigen Filialen: Hier haben nicht Lehrer*innen, sondern Schülerinnen und Schüler der FüMO-AG die Wettbewerbsleitung übernommen: Mathe von Schüler*innen für Schüler*innen ist die Devise! Die Gruppe besteht im Wesentlichen aus Schüler*innen der Leistungskurse sowie Ehemaligen von Frau Tisch, die der Mathematik auch im Studium treu geblieben sind. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule-Hochschule spricht mit dem Team.
(Foto v.l.n.r.: Leonard Marschke, Charlotte Hermann, Clemens Bodenstein, Enja Michalke, Christian Flach, Sarah Roth, Johanna Kückes, Alina Helget, Gudrun Tisch, Marta Czarnecka, Annika Marschke (nicht im Bild: Julia Warsow/privat)
Wie sieht die Arbeit der FüMO-AG im Laufe eines Schuljahres aus?
Zu Beginn des Schuljahres motivieren wir die Schüler der 5. und 6. Klassen, an der Olympiade des laufenden Schuljahres teilzunehmen: Dazu findet zunächst der FüMO-Workshop statt, in dem die Schüler in Kleingruppen verschiedene ehemalige FüMO-Aufgaben bearbeiten, um mit der Art der Aufgabenstellung vertraut zu werden. Der Workshop ist in Stationen unterteilt, von denen jede Station von zwei Mitgliedern unseres Teams betreut wird, um die Schüler mit Tipps, Tricks und Denkanstößen zu unterstützen und zu motivieren.
Kurz darauf werden die Aufgaben der ersten Runde in den Schulen verteilt. Die Schüler haben nun mehrere Wochen Zeit, die Aufgaben zu bearbeiten. Kontaktlehrer an den teilnehmenden Schulen sammeln die Lösungen und leiten Sie an die Katholische Schule Liebfrauen (KSL) weiter. Die Arbeiten werden nun vom FüMO-Team - meist an einem Ferientag - korrigiert, wobei wir immer das Vier-Augen-Prinzip anwenden: Jede Arbeit wird immer von zwei Leuten kontrolliert.
Im Februar beginnt die zweite Runde: Die Aufgaben werden in den Schulen verteilt, bearbeitet und schließlich wieder von uns korrigiert. Alle erfolgreichen Teilnehmer werden zur großen Siegerehrung an die KSL im Juni eingeladen, dieses Jahr findet sie am 3. Juni statt. Es gibt Einzel- und Gruppengewinner in den jeweiligen Klassenstufen, dazu ein buntes Buffet und ein mathematisches Rahmenprogramm, das auch von uns vorbereitet wird. Im vergangenen Jahr hat Sarah das Spiel „Wer wird Pi-llionär" entwickelt, dieses Jahr gibt es eine Casting-Show mit dem Titel „Germany‘s next Top Problem", bei der vier schöne mathematische „Probleme" gegeneinander antreten.
Wie kam es dazu, die FüMO in Berlin zusammen mit einer Schüler-AG zu organisieren?
Hierzu antwortete Frau Tisch, die damals die Initiative ergriff: „Ich wollte den katholischen Grundschulen und Gymnasien in Berlin einen neuen Wettbewerb anbieten, doch möglichst ohne die dortigen Kollegen um Mitarbeit bitten zu müssen. Denn in einer Zeit, in der ständig Mehrarbeit auf die Kollegien zukommt, erschien mir dies wenig erfolgsversprechend, zumal ich die Kollegen ja noch gar nicht persönlich kannte. Doch wie kann das gehen? Es war in zweierlei Hinsicht ein guter Gedanke, es mit Oberstufenschülern zu versuchen: Für diese Schülerinnen und Schüler stellt die Arbeit in der AG eine hohe Forderung und somit auch eine gute Förderung dar. Sicher hat ein Teil derer, die heute Mathematik oder mathematikverwandte Fächer studieren, die Initialzündung dafür bei der Arbeit in der FüMO-AG erfahren. Andererseits stellte sich die Idee, erfahrene Jungmathematiker Inhalte und Faszination an Jüngere vermitteln zu lassen, als genial heraus. Die Teilnehmer an den Workshops und der Siegerehrung waren immer wieder begeistert von dieser Konstellation."
An wen richtet sich die FüMO in Berlin? Können auch weitere Schulen an diesem Wettbewerb teilnehmen?
Die FüMO in Berlin richtet sich an die Schülerinnen und Schüler der 5. bis 8. Klasse der katholischen Grund- sowie Oberschulen. Unser Team ist mit den katholischen Schulen Berlins an seiner Kapazitätsgrenze angekommen und kann daher keine weiteren Schulen in den Wettbewerb aufnehmen. Wir hoffen jedoch, dass sich die Idee, Schüler- und Studenten-Korrektur-Teams für FüMO zu bilden, weiter verbreitet und viele neue Teams entstehen, um möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Interessenten können sich über den Kontaktlink direkt an die FÜMO-Zentrale wenden oder über die Katholische Schule Liebfrauen mit Frau Tisch Kontakt aufnehmen.
Wie seid ihr zur FüMO-AG gekommen? Was ist eure Motivation mitzumachen?
Nun, es ist im Grunde unmöglich, Schülerin oder Schüler bei Frau Tisch zu sein und nichts von dem Wettbewerb mitzubekommen. Viele von uns kamen zuerst als Teilnehmer/in mit der FüMO in Berührung. Teilweise sind wir mit der Olympiade „groß geworden" und haben dann langsam begonnen, uns an der Organisation zu beteiligen und das Erbe der Berliner Pioniere anzutreten. Einmal im Team kommt man davon eigentlich nicht mehr davon los, dafür ist der Spaßfaktor zu groß. Unsere Truppe, die übrigens überwiegend aus Frauen besteht, ist inzwischen sehr eingespielt. Zudem ist das Bewusstsein, dass wir im Grunde im Alleingang etwas derartig Großes auf die Beine stellen, ein wunderbares Gefühl. Unsere große Hoffnung ist, damit viele begabte „Jungmathematikerinnen und -mathematiker" zu fördern und vielleicht auch einige junge Skeptiker für die Mathematik begeistern zu können.
Die meisten von euch sind in Mathematik auch noch an anderen Projekten beteiligt? Könnt ihr auch davon etwas erzählen?
Zum einen findet im Frühjahr ein jährliches Mathe-Camp über ein Wochenende statt, in dem wir für die jüngeren Schüler Workshops zu diversen mathematischen Themen anbieten sowie jedes Jahr eine neue Mathe-Rallye vorbereiten und durchführen. Auf diese Weise versuchen wir, mit viel Spiel und Spaß mathematische Inhalte zu vermitteln und Lust auf mehr zu machen. Während des Camps verteilen wir auch kleine Knobelaufgaben - die „Harte Nuss des Tages" - um auch dort Impulse für selbstständiges Beschäftigen mit Mathematik zu geben.
Außerdem nehmen manche von uns seit mehreren Jahren erfolgreich am "Digitalen Adventskalender" des DFG-Forschungszentrums MATHEON teil.
Bei der FüMO-AG sind deutlich mehr Mädchen als Jungen vertreten. Könnt ihr euch das erklären?
Vielleicht wirkt Frau Tischs Überzeugungkraft bei Mädchen besonders gut. Schließlich ist sie auch eine Frau! So oder so - wir sind eigentlich ganz froh, dass es so und nicht anders herum ist, da wir dadurch das deutliche Zeichen setzen: „Mathematik ist nicht nur Männersache!"
Welchen Bezug habt ihr zur Mathematik? Gab es ein Ereignis, das euch zur Mathematik gebracht hat? Wie kamt ihr auf die Idee, bei der FüMO-AG mitzumachen?
Das ist alles Frau Tischs Schuld ;-) Aber im Ernst: Die ersten Erfahrungen mit der Mathematik haben wir alle wohl in der Schule gesammelt und dann sind wir über den Wettbewerb, den FüMO-Workshop oder entsprechende Kontakte direkt mit Frau Tisch zur FüMO-AG gestoßen. Wichtig war und ist dabei allerdings nicht, welche „Qualifikationen" man im Bereich Mathematik mitbringt, sondern dass wir motiviert sind und vor allem Spaß an der Sache haben. Trotzdem ist natürlich der Anteil derjenigen, die im Leistungskurs sitzen oder ein mathematisches Fach studieren, enorm hoch.
Habt ihr das Gefühl, dass euch die Arbeit für FüMO selbst etwas bringt?
Nun, man lernt Vieles: Organisieren, im Team arbeiten, Schüler betreuen. Zudem schult es die Kreativität (wir brauchen immer neue Ideen für Highlights) und die pädagogischen Fähigkeiten. Neben den Korrekturen veranstalten wir Jahr für Jahr die Siegerehrung, womit die Notwendigkeit zur Arbeitsteilung auf der Hand liegt. Unsere Absicht ist es, während dieser Veranstaltungen außerdem den Kindern die faszinierende und weit über das Schulische hinausreichende Welt der Mathematik ein Stückchen näherzubringen. Deshalb versuchen wir, Teilgebiete dieser umfangreichen Wissenschaft in kreativ verpackter Form anzubieten. Somit sind eine Menge Einfallsreichtum sowie didaktisches Vermögen gefragt, die so zweifelsohne auch geschult werden. Nicht unwichtig für uns ist auch der Spaß-Faktor, der die Vorbereitung und Durchführung der Workshops, Korrekturen und Siegerehrungen jedes Jahr aufs Neue zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. Last but not least lernen wir selbstverständlich auch auf inhaltlicher Ebene erstaunlich viel.
Wie ist die Gruppe zusammengesetzt?
Natürlich ändert sich die Zusammensetzung jedes Jahr ein wenig, aber es gibt auch immer wieder Gründungsmitglieder, die zu Veranstaltungen oder zur Korrektur auftauchen, wenn sie gerade Zeit haben. Der „ganz harte Kern" sind Sarah, Enja, Annika und Johanna, die auch im Wesentlichen für die Siegerehrung verantwortlich sind. Für die Korrekturen sind wir aber immer ca. 8 bis 10 Leute und für den Workshop benötigen wir noch viel mehr: Im vergangenen Jahr waren wir 24 Betreuer. Dafür werden dann auch Leute aus den Grundkursen oder aus dem Wahlpflichtkurs der 9. und 10. Klasse rekrutiert und die wiederum sind dann oft in den folgenden Jahren bei den Korrekturen dabei.