Die 28-jährige Mathematiklehrerin Sabine Baumann hat nach dem Lehramtsstudium in Paderborn, einer kurzen Tätigkeit dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Mathematikdidaktik und nach vier Jahren Schulpraxis (inkl. 1 ½ Jahren Referendariat) ein Experiment gewagt und in ihrer Klasse iPads eingeführt! Stephanie Schiemann hat Sie auf dem "School Forum" der internationalen Konferenz "online educa" am Mittwoch in Berlin persönlich kennen gelernt und interviewt.

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(Foto: privat)

Viele träumen davon, doch wenige realisieren es. Wie ist Ihre Idee, Tablets-PCs im Schulunterricht einzusetzen, entstanden und wie haben Sie die Akzeptanz in Ihrer Schule - der IGS Lehrte - erreicht?
Alle großen Erneuerungen fangen bekanntermaßen mit einer Idee an. Unsere Idee war es, neben einer neu gestalteten Lernkultur, die geprägt sein soll durch Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, auch den technischen Fortschritt für unseren Unterricht zu nutzen. Letzteres sollte durch den Einsatz von Tablet-PCs anstelle von Notebooks geschehen. Daraufhin galt es, einen langen und teils steinigen Weg zu beschreiten, um das multimediale Lernen in unserer Schule zu erneuern. Viele konstruktive Gespräche wurden mit Eltern, Kollegen, Freunden und Medienberatern geführt, wodurch letztendlich eine mehrheitliche Akzeptanz geschaffen werden konnte. Dabei mussten auch immer wieder Vorbehalte ausgeräumt werden. Eine Etappe dieses neuen Weges wurde durch die Übergabe der iPads bereits erreicht. Am Ziel sind wir aber noch lange nicht angekommen. Selbstverständlich gilt es, den Einsatz der Tablet-PCs zu evaluieren und immer wieder dem Stand der Technik und dem Wissens- und Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler anzupassen.

Als Tablet-PC wurde das iPad3 in Ihrer Klasse 7 gewählt. Bitte beschreiben Sie kurz den Weg dahin und sagen auch etwas zur Finanzierung.
An unserer Schule haben wir ein Konzept zu "Multimediaklassen" bereits fest etabliert, wodurch der Grundstein schon vorhanden war. Für meine Klasse stand somit im 5. Schuljahr schon fest, dass sie ab dem 7. Schuljahr mit mobilen Endgeräten arbeiten wird. Nach der Entstehung der Idee Tablets einzusetzen, galt es somit nur noch Unterstützung für diese andere Geräteklasse zu erlangen. Zuerst einmal musste die Idee natürlich mit der Schulleitung besprochen werden und in einem weiteren Schritt dann mit den Erziehungsberechtigten. Durch einen ausführlichen Informationsabend stand auch ein bedeutender Großteil der Elternschaft hinter dem Projekt. Nachdem wir also von allen Seiten Zustimmung bekommen haben, wurden die Verträge mit unserem Partner, dem Madsack-Mediastore, unterzeichnet und im September wurden die Geräte übergeben. Die iPads sind elternfinanziert und mit einem Rundum-Versicherungs-Schutz ausgestattet.

Was sind die Vorteile des iPad-Einsatzes im Unterricht?
Es gibt sicherlich viele Vor- und auch Nachteile für bzw. gegen den iPad-Einsatz. Ich persönlich sehe einen großen Mehrwert im Einsatz der Tablets und möchte kurz einige bedeutende Vorteile aufzählen:

  • schnelle Verfügbarkeit durch Instand-On-Technologie
  • kleine und leichte Geräte bieten Mobilität und damit freie Lernortwahl
  • gute Akku-Laufzeit
  • einfache und selbsterklärende Technik
  • große Auswahl an Lern-Apps und digitalen Büchern
  • Multi-Touch-Oberfläche ermöglicht eine intuitive Bedienung sowie einen haptischen Umgang und damit das Ausfüllen von Arbeitsblättern mit einem digitalen Stift

Wie gehen die Schüler und vor allem auch die Schülerinnen mit dem iPad im Unterricht um? Haben sich das Arbeitsverhalten und die Sorgfalt der Kinder geändert?
Die Schüler und auch die Schülerinnen nutzen die Geräte bereits nach 11 Schulwochen sehr intuitiv. Bereits nach einem Tag hatte keiner mehr das Originalhintergrundbild und schon jetzt wischen die Schülerinnen und Schüler über die Tablets als hätten sie nie etwas anderes getan. Meine Mädchen sind darin übrigens genauso flott wie die Jungen. Die digitale Mappenführung hat sich gegenüber der herkömmlichen Mappenführung bei vielen Schülerinnen und Schülern verbessert. Es existiert keine lose Papiersammlung mehr und das Layout der Mappen hat sich sehr zum Positiven entwickelt. Allen Schülern macht es ersichtlich Spaß!

... ohne Mathematik kein Zählen möglich ist. Sabine Baumann


Haben die Schüler*innen zusätzlich noch Bücher, Hefte und Mappen?

Natürlich besitzen die Schülerinnen und Schüler weiterhin ihre normalen Schulbücher. Leider sind die digitalen Schulbücher noch nicht so weit, dass wir auf die herkömmlichen Bücher verzichten können. Auch besitzen die Schülerinnen und Schüler weiterhin Mappen, denn im Zeitalter der Digitalisate ist es leider nicht möglich auf ein komplett papierlose Arbeitsweise umzusteigen und außerdem sollen die Schüler natürlich nicht das Schreiben von Hand verlernen.

Nun kommt die spannende Frage zum Unterrichtsalltag mit den iPads: Wie arbeiten Sie im Mathematikunterricht damit, wie Ihre Kolleg*innen in anderen Fächern? Bitte stellen Sie uns einige interessante Apps kurz vor.
In fast allen Unterrichtsfächern nutzen wir die App "Notability" zur digitalen Mappenführung. In den dort geführten digitalen Mappen können die Schülerinnen und Schüler ihre Unterrichtsmitschriften, Übungsaufgaben sowie Hausaufgaben notieren. Mitschriften können über die Tastatur eingegeben oder auch handschriftlich erstellt werden. Arbeitsblätter können als PDF eingefügt und annotiert werden. Ebenfalls ist es möglich Skizzen zu erstellen, Fotos einzufügen oder Audio- bzw. Videoaufnahmen zu erstellen und einzufügen. Im Mathematikunterricht lassen sich bspw. die Apps "Geogebra" (ein digitales Geobrett) und "Geometry Pad" (dynamisches Geometrieprogramm) gut einsetzen. Selbstverständlich können auch viele Internet-basierte Lernplattformen und -portale über das iPad genutzt werden. Die Apps "Skitch" (zum Erstellen von Skizzen) und "SimpleMind+" (Mindmaperstellung) sowie die vorinstallierten Apps wie "Mail" (Emailclient) und "Safari" (Internetbrowser) kommen selbstverständlich auch häufig zum Einsatz.

Ich kann mir vorstellen, dass andere gerne ein ähnliches Projekt in Ihrer Schule starten möchten. Wie ich gesehen habe, gibt es dazu einen Blog von Ihnen. Bitte sagen Sie, wo man ihn finden kann und was Sie dort festgehalten haben. Kann man Sie auch kontaktieren?
Auf dem Blog versuche ich interessierte Kolleginnen und Kollegen über das Projekt zu informieren. Dort sind u.a. eine Liste möglicher Vor- und Nachteile sowie Erklärungen zu Apps und Schritte, die man gehen muss, um eine Tabletklasse ins Leben zu rufen, zu finden. Des Weiteren bemühe ich mich auch darum, technische Tipps und Tricks, die in unserem Umfeld notwendig waren, über dem Blogg zur Verfügung zu stellen.
Der Blog ist hier zu erreichen. Ich freue mich immer über Besucher auf dem Blogg und antworte auch gerne auf Fragen, die mir über den Blogg gestellt werden.

In Deutschland sind wir noch sehr zögerlich mit dem Einsatz von neuen Medien in der Schule. Wie sieht es anderen Ländern aus?
Andere Länder sind in der Tat bereits weiter mit dem Einsatz der neuen Medien und insbesondere von Tablets. In der Türkei wurden beispielsweise bereits 52 Grundschulen vom türkischen Bildungsministerium mit Tablet-PCs ausgestattet und 15 Millionen weitere Tablets sollen von der Türkei in naher Zukunft noch angeschafft werden. In Südkorea geht man sogar noch einen Schritt weiter und möchte bis zum Jahr 2015 alle Schülerinnen und Schüler mit Tablet-PCs ausstatten und alle Bildungsinhalte digitalisieren. Dafür wird Südkorea ca. 1,4 Milliarden Dollar ausgegeben.

Ich möchte am Schluss gerne noch eine persönliche Frage stellen. Wie sind Sie selbst zur Mathematik gekommen? Gab es da ein einschneidendes Erlebnis in Ihrer Kindheit oder Jugend oder ein Vorbild?
Das mir die Mathematik liegt und auch Spaß macht, zeichnete sich bereits in der Grundschule ab. Schon sehr früh wollte ich Lehrerin werden und ein Fach, das stand schon immer fest: "Mathematik". Die Antwort auf die Frage nach dem zweiten Fach war dagegen nicht so einfach zu beantworten und vielleicht habe ich aus diesem Grund auch zwei weitere Fächer studiert. Aber mein Herz schlägt in erster Linie für die Mathematik. Ich denke, dass mein Vater, der selber Mathematiklehrer ist, für mich ein großes Vorbild war und ich dadurch natürlich als Lehrerkind auch die andere Seite der Schule bereits früh kennenlernen durfte. Im Studium und während meiner Zeit in der Fachgruppe Mathematikdidaktik an der Universität Paderborn wurde meine Liebe zur Mathematik durch die interessante Zusammenarbeit in Vorlesungen, Seminaren und Praktika mit Prof. Dr. Hartmut Spiegel weiter bekräftigt.

Vielen Dank für das sehr interessante Interview, ich wünsche Ihnen und Ihrer Klasse noch viel Spaß mit den iPads!