Über einen Elternhinweis haben die beiden Mathematiklehrerinnen Margrit Wendt und Karin Ortkraß vom Mathematik-Adventskalender der DMV erfahren und mit Unterstützung ihrer Schüler*innen in der "Mathe für Cracks-AG" fast alle Schüler*innen der 5. bis 7. Klassen Ihrer Schule motiviert mitzuspielen. Damit haben sie einen Rekord erreicht: Gemeinsam haben sie 266 Schüler*innen aus 19 Klassen Ihrer Schule, dem Gymnasium am Kattenberge in Buchholz in der Nordheide im nördlichen Niedersachsen, für den online-Mathekalender begeistert. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule - Hochschule sprach mit den Mathemacherinnen.

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(Foto: (li.) Margrit Wendt und (re.) Karin Ortkraß)

Zunächst eine Frage zu Ihren Ursprüngen: Wie und wann haben Sie Ihre Liebe zur Mathematik entwickelt? Gibt es da ein besonderes Ereignis?
Ortkraß: Als Kind war ich von der Schönheit und Vielfalt von Symmetrien in der Natur fasziniert, z. B. bei Blüten und Bienenwaben. Mathematik war auch Handwerkszeug: Beim Malen brauchte ich die richtigen Proportionen, beim Schneidern Maßstäbe usw. Und unter uns Geschwistern und Cousins wurden begeistert mathematische Rätsel und Logicals gelöst. Mathematik hat mich also immer begleitet.

Nun sind Sie beide Mathematik-Lehrerinnen geworden. Wie kam es zu dieser beruflichen Entscheidung?
Wendt: Die Beschäftigung mit Zahlen und mathematischen Problemen hat mir schon in der Schule sehr viel Spaß gemacht, das Lehrersein liegt in der Familie!!

Ortkraß: Um ehrlich zu sein, als Jugendliche wollte ich zunächst Sprachen studieren. In der gymnasialen Oberstufe zog ich es dann vor, Leistungskurse mit weniger Arbeitsaufwand zu wählen ... und entdeckte meine Leidenschaft für Mathematik. Der Weg ins Lehramt für Mathematik war bei mir allerdings sehr lang. Nach meinem Ersten Staatsexamen gab es einen Einstellungsstopp, deshalb habe ich fünfzehn Jahre in der Softwareentwicklung gearbeitet und erst dann eine Anstellung an einer Schule bekommen.

Wenn Sie auf Ihre Ausbildung in der Universität, im Studienseminar und an den Ausbildungsschulen zurückblicken, gibt es etwas, was Sie vermisst haben? Hätten Sie Wünsche oder Anregungen für die zukünftige Mathematik-Lehrerausbildung?
Wendt: Das ist zwar schon sehr lange her, aber die Ausbildung an der Uni war entschieden zu abgehoben und fachspezifisch. Es fehlten Praktika in der Schule. Für die heutigen Referendare würde ich mir mehr Angebote wünschen, wie diese die Schüler zu eigenverantwortlichem Lernen anleiten und dabei begleiten können. Wichtig wären meiner Meinung nach auch Seminare zur Rhetorik, Körpersprache und Teamentwicklung.

... Mathematik in vielen Bereichen des Lebens vorkommt und dort auch eine, manchmal nicht ganz unwichtige, Rolle spielt und sooooooooo viel Spaß machen kann. Margrit Wendt


Ortkraß: Der Mathematikunterricht wird von vielen Schülern mit Stress und Angst verbunden. Wie erzeuge ich als Mathelehrer Lust statt Frust? Wie entwickele ich eine gute Fehlerkultur? Es ist doch Mathematik das einzige Unterrichtsfach, in welchem Fehler ausdrücklich erwünscht sind. Darüber wird meist zu wenig gesprochen. Außerdem gab es in meiner Ausbildung nur wenig Anregung für praktische Übungen mit geeigneten Materialien oder mathematische Experimente. Gerade im praktischen Tun entdecken Schüler oft ihre mathematische Begabung und ihre Freude an der Mathematik, sie „begreifen" im doppelten Sinn des Wortes.

Das Unterrichtsfach Mathematik wird von einigen sehr geliebt, von anderen hingegen gehasst. Sicher hat es auch sehr mit der Lehrerpersönlichkeit und dem Unterricht zu tun. Wie versuchen Sie Ihre Schüler*innen für die Mathematik zu begeistern?
Wendt: Indem ich meine Begeisterung für das Fach weiterzugeben versuche, durch interessante Anwendungsaufgaben. Indem ich gerade bei jüngeren Schülern den spielerischen Aspekt nicht zu kurz kommen lasse, vor allem nach „trockenen" Arbeitsphasen. Durch viele verschiedene Methoden, die es den Schülern ermöglichen, in ihrem Tempo und mit ihrem Können zu arbeiten.

Ortkraß: Von Schülern hört man manchmal: „Wozu brauche ich dieses Verfahren überhaupt?" Die Anbindung des Unterrichts an die Lebenswelt der Schüler halte ich für sehr wichtig. Fragestellungen und Aufgaben müssen für die Schüler einen Sinn machen. Motivation entsteht besonders durch Erfolgserlebnisse, wenn ich z. B. mit Hilfe der erlernten Verfahren selbstständig mathematische Probleme lösen kann. Die größte Begeisterung erlebe ich bei meinen Schülern, wenn es Rätselaufgaben gibt oder wenn sie mit einfachen Hilfsmitteln praktisch arbeiten, z. B. mit Kreide und Bindfaden auf dem Schulhof Kreismuster konstruieren. Mathe macht Schülern Spaß, wenn sie Freiräume zum Probieren, Spielen, Denken und Diskutieren haben. Und wir motivieren unsere Schüler für Wettbewerbe, z. B. für „Mathe im Advent".

Fördern und Fordern gehört auch zu den Aufgaben einer jeden Schule. Sie bieten für beide Schülergruppen etwas an. Beschreiben Sie bitte kurz Ihr Engagement.
Wendt: Zum einen organisiere ich in jedem Halbjahr „Schüler helfen Schülern", d.h. ich suche ältere Schüler (Mentoren), die mit jüngeren Schülern möglichst in Dreiergruppen einmal in der Woche zusätzlich üben. Zum anderen bin ich gerade dabei, die Begabtenförderung an unserer Schule zu etablieren. Da stehen wir aber noch am Anfang. Auf Grund meines Faches motiviere ich Schüler an der Matheolympiade teilzunehmen. Am Mathe-Känguru-Wettbewerb nehmen ebenfalls viele Klassen teil, wir schicken Schüler zur Mathetalentförderung und ich bereite diese ein wenig darauf vor. Im Moment betreue ich die AG „Mathe für Cracks".

Ortkraß: Unser jahrgangsspezifischer „Förderunterricht Mathematik" bietet eine Wiederholung von Basiswissen und eine Vertiefung aktueller Themen; er richtet sich vornehmlich an Schüler, die sich nicht ausreichend sicher in der Mathematik fühlen. Fächerübergreifend gibt es daneben eine Hausaufgabenbetreuung, die von Mathelehrern geleitet wird. Beide Fördermaßnahmen finden in Kleingruppen statt.

... es in unserer Welt an vielen Stellen Mathematik zu entdecken gibt, auch dort wo man (insbesondere als Schüler) sie zunächst nicht vermuten würde. Karin Ortkraß


Die Mathematik-Adventskalender von der DMV und dem DFG-Forschungszentrum Matheon boten Schüler*innen ab Klasse 4 einen lustvollen Zugang zur Mathematik. Wie waren Ihre Erfahrungen damit? Schildern Sie bitte auch, wo Probleme lagen und wie Sie es geschafft haben, den Mathekalender in den Schulalltag zu integrieren.

Ortkraß: Ja, das hat zunächst einmal mir selbst Spaß gemacht. Die Aufgaben hatten Witz und Pepp, waren vielseitig und altersangemessen und durch die z. T. sehr niedliche Präsentation ansprechend und für die Schüler attraktiv. Probleme gab es hauptsächlich beim Anmeldeverfahren und beim Einrichten der Klassen. Viele Schüler brauchten Unterstützung bei ihrer Registrierung, denn z. B. bei einem Rechtschreibfehler in den Schuldaten konnten sie nicht ihrer Klasse zugeordnet werden. Nach dem Start des Adventskalenders wurden manche Aufgaben am Folgetag im Unterricht besprochen. In jeder Mathestunde konnten meine Schüler den Punktestand im Vergleich zu anderen Klassen aus einer Statistik ersehen, das hat den Wettbewerb gefördert. Und zur Halbzeit gab es Schokolade zur Stärkung ...

Wendt: Die Resonanz auf den Adventskalender war von Anfang an sehr hoch (ein Grund waren sicher auch die sehr attraktiven Preise und die Aussicht, eventuell nach Berlin fahren zu dürfen) und stieg noch, als wir den Schülern eine schulinterne Siegerehrung versprachen. Den ersten Anstoß gaben die Schüler meiner Mathe-AG, die zu zweit durch die Klassen zogen und von dem Adventskalender berichteten. Als die ersten Aufgaben frei geschaltet waren, trug die Attraktivität dieser Aufgaben sicher zur weiteren Motivation bei. Schwierig war die Anmeldung der Schüler als Klassenspieler, das hat trotz eines Infoblattes viel Zeit gekostet, bis alle endlich in die Klasse übernommen werden konnten. Ich freue mich sehr dass so viele Schüler unserer Schule mitgemacht und bis zum Schluss durchgehalten haben.

Sie wollen eine eigene Siegerehrung organisieren, das ist klasse! Abschließend möchte ich Sie zu unserer Siegerehrung aller Preisträger*innen am 21. Januar nach Berlin einladen. Nehmen Sie die Einladung an?
Ortkraß: Ja, sehr gern, wir freuen uns darauf nach Berlin zu kommen.

Herzlichen Dank!