Dr. Wolfgang Moldenhauer hat bereits zu seinen Schulzeiten erfolgreich an der Olympiade Junger Mathematiker (jetzt: Mathematik-Olympiade) teilgenommen. Durch seine persönliche mathematische Förderung im Jugendalter stand sein Berufswunsch fest. Er wurde Mathematiker und Ausbilder. Im Mittelpunkt seines Lebens steht die Weitergabe der mathematischen Begeisterung an Schüler*innen durch verschiedenste Projekte, die er in Thüringen etablierte. Aktuell richtet Wolfgang Moldenhauer mit seinem Team  am 9. April die Jubiläumsfeier zu 50 Jahren Mathematik-Olympiade in Jena aus. Mit dem Blog : „Mehr Mathe braucht das Land - Wir rechnen mit dir!" lädt Thüringen zum Mathemachen ein. Stephanie Schiemann vom DMV- Netzwerkbüro Schule - Hochschule sprach mit dem Initiator.

 

Bild Moldenhauer Aachen 250

(Foto: privat)

Ihr Interesse an der Mathematik hat sich früh entwickelt. Gibt es dazu ein einschlägiges Erlebnis?
Es war mehr Zufall. Ich löste 1962 die Aufgaben der Schulolympiade in Klasse 7, die als Beilage der „Jungen Welt" (die Tageszeitung mit der höchsten Auflage) erhältlich waren. Dies führte zu einer Delegierung zur Kreisolympiade und dies wiederum zur Bezirksolympiade. Und die besten vier jedes Bezirkes aus Klasse 7 und 8 trafen sich dann in einem 14-tägigen Sommercamp in Berlin. Ich erinnere mich daran, dass unsere IMO-Mannschaft uns besuchte und wir am Lagerfeuer von ihnen gestellte Aufgaben lösten. Unter den IMO-Teilnehmern war auch Monika Tietze, die heute als Monika Noack den Känguru-Wettbewerb organisiert.

Wichtig ist die kontinuierliche mathematische Förderung von klein auf. Wie haben Sie dies persönlich erlebt? Welche Bedeutung hatte es für Sie?
Ab Klasse 7 gab es auf Kreisebene einen Mathematikzirkel, in dem wir wöchentlich 2 Stunden Mathematik trieben. Dazu waren Schüler/-innen aus dem ganzen Stadtgebiet eingeladen. Nach wenigen Wochen verblieben etwa 10 Schüler/-innen, die dann über viele Jahre zusammen lernten und fast alle auch im gleichen Studienjahr Mathematik studierten. Sicher trugen zu diesem Zusammenhalt auch die jährlich stattfindenden Mathematikcamps in Graal-Müritz oder Bad Doberan bei.

Die Mathematik bestimmte fortan Ihr Leben. Welches waren Ihre mathematischen Highlights?
Es fällt mir nicht leicht, verschiedene Veranstaltungen besonders hervorzuheben. Mathematisch hat mich das LEOPOLDINA-Symposium Numerische Mathematik und ihre Anwendungen 1982 in Halle (Saale) beeindruckt, auf dem eine Vielzahl europäischer Spitzenmathematiker vortrug. 1974 gehörte ich bei der Internationalen Mathematikolympiade in Erfurt zu den Organisatoren und lernte dort meine Frau kennen. In jüngerer Zeit erinnere ich mich besonders an die Jubiläumsveranstaltung 2009 in Bremen zu 50 Jahren Internationale Mathematik-Olympiade, auf der u. a. drei Fieldspreisträger vortrugen.

1961/62 fand mit der Olympiade Junger Mathematiker (jetzt: Mathematik-Olympiade) in der DDR der erste deutsche Schülerwettbewerb in Mathematik statt. Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig über seine Geschichte.
Nach dem Start vor 50 Jahren gab es am 17. Dezember 1962 einen „Mathematikbeschluss zur Verbesserung und weiteren Entwicklung des Mathematikunterrichts", der die universellen, auch heute noch gültigen Ziele, der Mathematik-Olympiade formulierte. Die Mathematik-Olympiaden, an denen sich die Schüler/-innen freiwillig beteiligen konnten, sollten dazu beizutragen, dass sich die Schüler/-innen außerhalb des Unterrichts ein solides Wissen und Können auf dem Gebiet der Mathematik aneignen und dass sie ihre Kenntnisse erweitern und zu mathematischem Denken erzogen werden.
Sie sollte allen Schülern die wachsende Bedeutung der Mathematik für die weitere Gestaltung der Gesellschaft bewusst zu machen, Begeisterung für das Fach Mathematik wecken und vertiefen. Durch sie sollten mathematisch begabte Schüler/-innen ermittelt werden, die dann systematische  Förderung erhalten sollten. Auch dem Lehrer sollten die Olympiadeaufgaben Gelegenheit zur Fortbildung bieten.
Hierzu gab es eine Vielzahl unterstützender Maßnahmen, ab Dezember 1962 z.B. die Leipziger Volkszeitung (LVZ), als einzige Tageszeitung, kontinuierlich eine 16-seitige Mathe-LVZ als Sonderausgabe heraus. Am 1. Januar 1967 erblickte die „WURZEL" das Licht der Welt, am 20. Februar 1967 erschien die mathematische Schülerzeitschrift „Alpha" und im gleichen Jahr starteten Fachbuchverlage die Reihe „Mathematische Schülerbücherei" (genau 150 Bände). Die „WURZEL" und die am 1. Juni 1981 erschienene „Monoid" leben heute noch. Man kann sie günstig erwerben. Daneben gab es Arbeitsgemeinschaften, Korrespondenzzirkel und Hochschullehrer, die einzelne Schüler/-innen persönlich betreuten. In den Wendejahren 1990 und 1991 konnten wir in Erfurt die 4. Stufe der Mathematik-Olympiade ausrichten und dadurch wesentlich zum Erhalt der Olympiadebewegung beigetragen. Schließlich gelang es auf Initiative Thüringens 2007, dass die Mathematik-Olympiade in den Verbund der bundesweiten Mathematik-Wettbewerbe aufgenommen wurde. Damit war vor allem die Arbeit des Aufgabenausschusses finanziell gesichert, der das Aufgabenangebot für alle vier Stufen aller Klassen produziert. Heute nehmen jährlich mehr als 200.000 Schüler/-innen im gesamten Bundesgebiet daran teil und zwar die Hälfte in den Klassenstufe 3 und 4 und die andere Hälfte in den Klassenstufen 5 bis 12/13.

... sie nicht trocken, sondern voller Phantasie, nicht langweilig, sondern voller Schönheit, logisch, aber dennoch von ungeheurer Kreativität, uralt, aber voll neuer Ideen ist. ("Oh Gott, Mathematik?" - Neunzert/ Rosenberger) Wolfgang Moldenhauer


Was hat es mit dem Blog: „Mehr Mathe braucht das Land - Wir rechnen mit dir!" auf sich. Bitte erklären Sie es unseren Lesern.

Unter diesem Titel haben wir Schüler/-innen, Lehrer/-innen und auch Eltern dazu eingeladen, gemeinsam an Aufgaben zu arbeiten und in diesem Blog die Lösungen sowie Aufgabenvariationen zu diskutieren. Anlass für diese Idee war die 50. Mathematik-Olympiade in Thüringen. Hier ist jeder willkommen mitzumachen. Wir beantworten gerne Fragen zu den Aufgaben und zur Mathematik-Olympiade. Auch verwandte Themen aus der Mathematik und ihrem Umfeld können angesprochen werden.

Die Mathematikförderung in Thüringen war vor der Wende bereits organisiert. Wie war es damals, wie ist es heute? Können Sie uns dazu ein paar Sätze sagen?
Neben einer Vielzahl von Arbeitsgemeinschaften gab es in den drei Bezirken Erfurt, Gera, Suhl drei mathematisch-naturwissenschaftliche Spezialschulen. Diese jetzt Thüringer Schulen liegen in Erfurt, Ilmenau und Jena und verfügen über ein Internat. In den angegliederten Regionalzentren, werden die Schüler/-innen bereits ab der Klasse 5 entdeckt und gefördert. An jedem Gymnasium gibt es dafür einen namentlich bekannten Ansprechpartner. Dadurch besteht für die Gymnasien eine flächendeckende Förderungsmöglichkeit in den MINT-Fächern. Z. Zt. sind wir dabei, ein analoges System für die Grundschulen aufzubauen.
Natürlich ist ein Wettbewerb, wie die Mathematik-Olympiade, nur das „Salz in der Suppe". Die wesentliche Förderung geschieht im Mathematikunterricht durch die engagierten Lehrer/-innen.

Gab es in Ihrer Familie mathematische Vorbilder?
Eher nicht! Ich entstamme einer Medizinerfamilie, aber mein Vater hat mich durch seine Kopfrechenkompetenz (so sagt man wohl heute) immer wieder beeindruckt. Ansonsten konnte ich viel Freizügigkeit genießen und mich so auch dem Hobby Mathematik intensiv widmen. Hinzu kam die Möglichkeit, ein Abitur mit Berufsausbildung als technischer Rechner zu erwerben. Diese Regelung bestand nur wenige Jahre und kann heute als Vorläufer einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Spezialklasse angesehen werden.

... und wie sieht es mit Ihren Nachkommen aus? Konnten Sie Ihre Liebe zur Mathematik auch „weitervererben"?
Meine Frau ist Lehrerin für Mathematik und Physik, so dass beide Söhne in einer mathematisch angereicherten Atmosphäre aufwuchsen. Beide haben sich erfolgreich an der Mathematik-Olympiade und weiteren Wettbewerben beteiligt und beide haben in Dresden Mathematik studiert.

Vielen Dank für das Gespräch.

www.matheolympiade-thueringen.de

www.wurzel.org