Die beiden Augsburger Didaktikerinnen Ingrid Weigand und Dr. Renate Motzer haben sich in ihrer Region seit dem Jahr der Mathematik 2008 mit dem Grundschulprojekt „Mathe macht Spaß", dem Knobelkurs für Grundschulkinder und dem „Tag der Mathematik" für Jugendliche an der Uni Augsburg einen Namen gemacht. Studierende des Lehramtes Grundschule helfen dabei und sammeln so frühzeitig praktische Unterrichtserfahrungen. Wichtig ist den beiden viel Kontakt zu Schulen und Schulkindern, damit Theorie und Praxis so gut wie möglich zusammenkommen. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule - Hochschule sprach mit ihnen.
(Foto: (li.) Ingrid Weigand und Renate Motzer, (re.) zwei Grundschüler beim Knobeln/Uni Augsburg)
Bitte skizzieren Sie kurz die Idee hinter Ihrem Mathe-macht-Spaß-Projekt.
Ingrid Weigand (IW): 2010 war das Mathe-macht-Spaß-Thema: „Komm mit auf die Mathewiese", 2011: „Sommer im Matheland". Die Lebenserfahrungen der Kinder werden bei dem Projekt mit mathematischen Lerninhalten verbunden, um den regulären Schulstoff zu ergänzen, zu vertiefen, aber auch weiterzuführen und vor allem schülergerecht aufzubereiten. Hier bietet es sich an, die Freiheit des zusätzlichen Lernangebotes zu nutzen und in reichhaltigen Lernumgebungen die aktuellen Erlebnisse der Kinder zu berücksichtigen.
Welche mathematischen Themen haben Sie mit den Grundschulkindern bearbeitet?
IW: Bei „Sommer im Matheland" ergaben sich die mathematischen Themen über die Kinder selbst: „Blumen - Beete - Preise" (Sach- und Musteraufgaben), „Das Täschchen" (Faltgeometrie), „Weide einzäunen" (Erfahrungen zum Begriff Umfang und Fläche), „Räderaufgaben" (Denk- und Sachaufgaben), „Fibonacci-Zahlen" (Blumen und Gartenwege), „Unterm Sternenhimmel" (Schablonenzeichnen), „Ente, Schwan und Fisch" (Tangram-Varianten), „Verschlüsselungen" und Denk- und Strategiespiele (wie z. B. Wanderspiel, Frösche und Kröten).
Renate Motzer (RM): Im Knobelkurs für Grundschulkinder sind in diesem Semester die Schwerpunkte: Teilbarkeit, Kombinatorik und Würfelnetze. Die Themenauswahl erfolgte durch die Studentinnen, die im Kurs mitarbeiten.
Wie vermitteln Sie anspruchsvolle Themen wie z. B. Fibonacci-Zahlen an Grundschüler*innen?
RM: Fibonacci-Zahlen kann man durch die Postbotenaufgabe verdeutlichen: „Der Postbote nimmt immer 1 oder 2 Stufen. Wie viele Möglichkeiten gibt es, wenn die Treppe ... Stufen hat?" oder durch die Fibonacci-Spirale bei Tannenzapfen oder der Ananas, indem die Spiralen nach links und rechts gezählt werden.
IW: Die Fibonacci-Zahlen sind in allen Jahrgangsstufen der Grundschule sehr beliebt. Man kann damit sogar Erstklässler begeistern. Ausgehend von bekannten Zahlenreihen wird eine besondere Zahlenreihe angekündigt, wobei das Bild des Erfinders stark motiviert. Schon die Betrachtung der ersten drei Zahlen 1, 2, 3 bringt die Kinder auf die richtige Vermutung, die dann durch die folgende Zahl 5 zur richtigen Regelfindung führt. Wir arbeiten mit größeren laminierten Ziffernkarten, der Herr Fibonacci (ein Kind) schaut immer zu und kontrolliert, und zuletzt spielen wir das Fibonacci-Spiel: „Wer findet seinen Platz in der Fibonacci-Reihe?" Danach übertragen wir diese Erkenntnisse auf die Blumen: „Hallo! Ich bin eine Fibonacci-Blume". Die Kinder zählen Blütenblätter und entdecken neue mathematische Phänomene in der Natur. In der Altersgruppe der 3. / 4. Klasse fügen wir noch die Pflasterungen mit einer bestimmten Anzahl von Ziegelsteinen dazu und bei der Anzahl der Mustermöglichkeiten kommen wir wieder bei der Fibonacci-Zahlenreihe an.
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die Schulen, die Teilnehmer*innen und die Studierenden aus?
RM: Es werden alle Grundschulen in Augsburg und den umliegenden Landkreisen angeschrieben. Ein Losverfahren bestimmt dann, wer teilnehmen kann, da wir leider immer mehr Interessierte als Plätze haben.
IW: Schulen, Schulleiter/-innen richten ihre Anfragen direkt an uns und bekunden ihr Interesse. Die teilnehmenden Schüler werden von den Schulen ausgewählt. Ebenso bewerben sich die Studierenden. Bei der Auswahl der Studierenden berücksichtigen wir den persönlichen Eindruck und die Anzahl der absolvierten Vorlesungen und Übungen im Fach Mathematik. Die Student/-innen erhalten im Vorfeld durch die Teilnahme an einer Unterrichtseinheit und an zwei universitären Seminarsitzungen ausreichend Einblick über den Zeit- und Arbeitsaufwand.
Wie binden Sie die Lehrer*innen ein? Evtl. auch die Eltern?
RM: Die Lehrkräfte wählen aus, welchen Kindern sie die Einladung zum Knobelkurs weitergeben. Die Eltern melden die Kinder an und bringen sie zum Kurs.
IW: Mit den Schulleitungen und den Klassenlehrern stehe ich in ständigem Kontakt. Die Studierenden verfassen am Ende eines Halbjahres über jeden Schüler eine kurze Beurteilung zum Lern- und Arbeitsverhalten. Die Eltern werden am Ende eines Kurshalbjahres zu einer Präsentationsveranstaltung mit einem Angebot zu aktiver Teilnahme eingeladen. Den Rahmen dafür spreche ich mit den Schulleitern ab. Gerade in der letzten Woche hatten wir eine 2-stündige Unterrichtspräsentation in Anwesenheit des städtischen Schulreferenten, des Vorsitzenden der Bürgerstiftung, der Schulleitung und von Pressevertretern.
Wie sind Ihre Erfahrungen aus dem Jahr der Mathematik, dem MatheMonatMai in 2010 und 2011?
RM: Der Knobelkurs wurde zum ersten Mal im Sommer 2008 angeboten. Die Erfahrungen waren so positiv, dass er seither jedes Semester angeboten wird. Im Jahr 2008 haben sich über 400 Kinder angemeldet, inzwischen sind es jährlich um die 100. Wer kommen darf (ca. 30 Kinder pro Semester), wird ausgelost. Wer nicht zum Zuge kommt, hat im nächsten Semester einen Bonus. Das Feedback der Kinder und Ihrer Eltern war meist sehr positiv, nur ganz vereinzelt hat ein Kind den Kurs abgebrochen. Viele Kinder haben sich ein zweites Mal beworben. Die Aktion MatheMonatMai gab uns die zusätzliche Möglichkeit, den Kindern für Ihre Knobelmühen im Mai kleine Knobelpreise zu verleihen.
IW: Zurzeit sind in das Mathe-macht-Spaß-Projekt über 100 Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangs- und Begabungsstufen der beteiligten vier Grundschulen und 17 Studierende eingebunden. Die Teilnehmerzahlen an den Präsentationsnachmittagen sind sehr hoch, das Interesse an den kostenlosen Kursen steigt stetig an. Dazu haben auch sicher die Aktivitäten und die Berichte zu den MatheMonatMai-Festen an vier Augsburger Grundschulen beigetragen.
Wie unterscheiden sich die mathematischen Knobelkurse von dem Mathe-macht-Spaß-Projekt?
RM: Der Knobelkurs an der Uni richtet sich an Kinder, deren Schulen nicht vom Projekt „Mathe macht Spaß" erreicht werden. Die Knobelkurs-Kinder kommen an die Uni und lernen dort mathebegeisterte Kinder von anderen Grundschulen kennen. Den Knobelkurs gibt es jedes Semester mit jeweils 10 Terminen. Beim Mathe-macht-Spaß-Projekt hingegen finden die Kurse in jahrgangsübergreifenden Gruppen in den beteiligten Grundschulen statt. In jedem Schulhalbjahr werden wöchentlich zwei Unterrichtsstunden im Tandem erteilt.
Wie sind die Didaktik-Studierenden in die Kurse eingebunden?
RM: 3-4 Studentinnen arbeiten pro Semester mit. Sie wählen die Inhalte in Absprache mit mir aus, bereiten die meisten Stunden vor und betreuen die Kinder. Ihre Erfahrungen werten sie meist im Rahmen einer Examensarbeit aus (heißt in Bayern "Zulassungsarbeit" zum Staatsexamen).
IW: Die Studierenden übernehmen für ein halbes Jahr folgende Aktivitäten: Besuch der wöchentlichen 2-stündigen Vorbereitungsbesprechungen (auch während der Semesterferien), schriftliche Ausarbeitung der Artikulation und die notwendige Verbesserung und Überarbeitung nach meiner Durchsicht, schriftliche Reflexion und Evaluierung, teilweise Erstellung von Arbeitsblättern und -materialien, Vorbereitung und Erteilung von Mathematikunterricht im Tandem, Dokumentation der Halbjahresarbeit in Plakaten und Direktpräsentationen. Dazu kommen zusätzliche besondere Aktivitäten im MatheMonatMai: Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung der Schulfeste und Präsentationsaufgaben zum Projekt.
Kontakt:
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