Stellvertretend für alle etwa 2000 im Juni und Juli 2010 geehrten oder noch zu ehrenden DMV-Abiturpreisträgerinnen und -preisträger zeichnet die DMV in diesem Monat die  herausragende Abiturientin Christina Bracht aus Buchholz in der Nordheide (Niedersachsen) aus. Sie hatte das Glück sowohl in der Schule als auch außerhalb der Schule eine ansprechende mathematische Förderung erhalten zu haben. Jetzt steuert sie konsequent auf ein Mathematikstudium zu. Stephanie Schiemann vom DMV-Netzwerkbüro Schule - Hochschule sprach mit ihr:

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(Foto: privat)

Seit wann begeistert dich die Mathematik?
Mathematik begeistert mich, seitdem ich denken kann. Schon von Kindesbeinen an - im Kindergarten, in der Vorschule und auch in der Schule - habe ich viel gerechnet und geknobelt. Mathematik war immer mein Lieblingsfach, es bot mir eine willkommene Herausforderung. In der Grundschulzeit gab mir meine Mathematiklehrerin oft zusätzliche Knobelaufgaben für die Ferien. Morgens diese Aufgaben zu lösen war immer ein besonderes Ereignis für mich, da es genau der richtige Weg war, Freizeit mit Kopfarbeit zu verbinden.

Dein mathematisches Talent hat sich schon früh entwickelt. Wer hat dich „entdeckt" und wie wurdest du gefördert?
Es gibt keine Person, die mich richtig „entdeckt" hat. Ich hatte das Glück, auf jeder Schule gefördert worden zu sein. In der Grundschule hat mir meine Mathematiklehrerin, wie bereits erwähnt, oft zusätzliche, schwerere Aufgaben mitgegeben. Auf dem Gymnasium wurde eine Mathematik Knobel AG angeboten, die ich gerne besucht habe. Nachdem ich von der Schule für die Talentsuche der Talentförderung Mathematik e.V. vorgeschlagen wurde und diesen bestand, wurde ich ab der 7. Klasse hauptsächlich durch die Talentförderung Mathematik gefördert, die alle zwei Wochen samstagvormittags stattfand. Auf Vorschlag der Schule bin ich von der 8. Klasse (1. Halbjahr) in die 10. Klasse (2. Halbjahr) gesprungen, was von der Schule sehr gut unterstützt und begleitet wurde. Außerdem besuchte ich viele außerschulischen Veranstaltungen, die meinem Interesse entgegen kamen.

Beschreibe bitte deine wichtigsten außerschulischen Mathematikaktivitäten.
An außerschulischen Aktivitäten ist in erster Linie die Talentförderung Mathematik e.V. in Niedersachsen zu nennen, der ich einen Großteil meiner Liebe zur Mathematik zu verdanken habe (www.mathetalente.de). Bei der Talentförderung bearbeiten wir in Gruppen Aufgaben, die den schulischen Horizont überschreiten oder auch Themengebiete behandeln, die in der Schule nicht behandelt werden, wie z.B. Spieltheorie. Die Arbeit in Gruppen hat mir sehr viel Spaß gemacht, weil man in der Gruppe auch vieles schneller herausbekommt als alleine. Highlight waren die jährlich stattfindenden Mathefahrten, die ich dieses Jahr zum ersten Mal als Betreuerin begleiten werde. Auf einer Mathefahrt wird vormittags Mathe gemacht und am Nachmittag gibt es kreatives Kontrastprogramm mit diversen Gruppenspielen, Ralleys oder anderen Aufgaben, sodass am Ende die perfekte Mischung zwischen Mathe und sozialem Miteinander entsteht.
Ich nahm in der 11. Klasse an einer 16-tägigen Deutschen Schülerakademie (www.deutsche-schuelerakademie.de) teil, eine weitere Veranstaltung, die mir viel Spaß bereitet hat und bei der ich auch viel gelernt habe. Ich kann so etwas nur jedem empfehlen, der die Möglichkeit hat, teilzunehmen. Darüber hinaus nahm ich in der 12. Klasse das Angebot der Technischen Universität Hamburg-Harburg war, in einem Frühstudium erste Einblicke in ein Studium zu erhaschen und auch erste Inhalte zu lernen. Dies war eine prägende Erfahrung, die ich nicht würde missen wollen. Auch deutschlandweit gibt es viele Angebote. Zum Jahr der Mathematik flog ich zum Lufthansa Tag nach Frankfurt, wo ich neben Informationen zu technischen Berufen bei der Lufthansa auch einen erstklassigen Vortrag über die Geschichte der Mathematik besuchen durfte. 2009 nahm ich ein Angebot der Technischen Universität München an - ein Programm - genannt TUMMS - das Oberstufenschüler und Abiturienten mit einem 5-tägigen Mathematik-Stipendium nach München lockt (www.ma.tum.de/Schulportal/TUMMS). Dies war eine intensive Zeit, in der ich die TU München kennenlernte, interaktive mathematische Vorträge hörte, eine Vorlesung besuchte und auch selbst an einem Mathematikwettbewerb teilnahm.

Du möchtest jetzt nach deinem Abitur Mathematik studieren. Wie ist es zu der Entscheidung gekommen?
Mit dem Gedanken Mathematik zu studieren habe ich schon früh gespielt. Dennoch habe ich lange gezweifelt, ob Mathe das perfekte Studienfach für mich ist, da es sich doch um ein ziemlich komplexes und schwierigeres Studium handelt und ganz anders ist, als die in der Schule vorgestellte Mathematik, die mir wie vielen Mathebegeisterten sehr leicht viel. Mit einfachem Auswendiglernen ist es dabei nicht getan, sondern man muss sich ins mathematische Denken einfinden, es muss irgendwann „Klick" machen.
Eine große Hilfe bei der Entscheidung war das Frühstudium, das ich während der 12. Klasse an der Technischen Universität Harburg besucht habe. Dabei konnte ich einen Einblick in das Mathematikstudium bekommen und so besser einschätzen, ob das Studium etwas für mich ist. Letztlich waren es Gespräche mit Mathematikstudenten und Studienberatern, die mich davon überzeugten, dass ein Mathematikstudium zwar viele Herausforderungen bietet, die aber mit Fleiß und Veranlagung gut zu schaffen sind.

... sie vollkommen logisch aufgebaut ist und keine Willkür duldet. Außerdem ist und bleibt sie immer eine Herausforderung. Christina Bracht


Dein erwünschter Studienort liegt nicht in Deutschland. Wie bist du darauf gekommen in Cambridge zu studieren? Was ist dort das Besondere?

Es gibt viele Gründe, weshalb ich mich dafür entschlossen habe, mich in Cambridge zu bewerben. Zum einen ist es natürlich eine Top Universität, gerade was den Fachbereich der Mathematik betrifft. Man trifft dort auf viele Gleichgesinnte und das Studium stellt einem viele Herausforderungen, was natürlich anstrengend ist, wodurch man aber auch viel lernt. Zum anderen gefallen mir die Umgebung und das soziale Miteinander. Das Leben in Colleges bildet eine ganz andere Gemeinschaft und soziale Kontakte heraus, als wenn man sich nur täglich an der Universität sieht. Man studiert, wohnt und lebt an einem Ort und verbringt auch seine Freizeit dort. Nicht zuletzt haben mich auch die alten Gebäude und vor allem die alten Bräuche und Sitten in Cambridge überzeugt. In meinem Bekanntenkreis sind einige, die dort studiert haben und mir letztlich nur Positives berichten konnten. Außerdem sehe ich ein Studium in Englisch als fordernd und sinnvoll an, da weiterführende Literatur im Bereich Mathematik sowieso in Englisch geschrieben ist.

Vor deinem Mathematikstudium möchtest du ein mathematisches Praktikum absolvieren. Das finde ich eine tolle Idee. Wie bist du darauf gekommen? Wie stellst du es dir vor?
Bevor ich in einem Jahr mein Studium beginnen kann, möchte ich die Zeit sinnvoll nutzen. Neben praktischer Erfahrung in einem Beruf und einem Auslandsaufenthalt habe ich Lust im Bereich der Mathematik in Deutschland zu arbeiten und mitzuhelfen das Image der Mathematik in der Schule und der Öffentlichkeit zu verbessern. Es interessiert mich in  ein mathematisches Institut einer Universität hinein zu schnuppern und mit Mathematikstudenten -lehrern und -hochschullehrern zusammenzuarbeiten. Ich hoffe, dass ich dieses mit einem Praktikum beim der DMV im Netzwerkwerkbüro Schule - Hochschule erreichen kann und sowohl kreativ in der Materie arbeiten, als auch viel mit Mathematikern in Kontakt kommen werde.

Hast du außer der Mathematik auch noch andere Hobbies?
Die Mathematik ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und wird es bei einem Studium natürlich auch weiterhin bleiben, dennoch sind mir meine anderen Hobbies sehr wichtig, um auch einen Ausgleich zur kopflastigen Arbeit zu haben. Ich musiziere sehr gerne, vor allem indem ich singe und Querflöte spiele. Darüber hinaus besuche ich regelmäßig einen Tanzkreis in Standard- und Lateintänzen. Ein wichtiges Hobby bildet auch das Rollenspiel, bei dem man in eine Fantasywelt eintauchen kann und zusammen mit Freunden Abenteuer besteht. Außerdem ist mir auch regelmäßiger Sport wie Schwimmen, Laufen und Reiten sehr wichtig.

Abschließend würde mich interessieren, ob in es in deiner Familie noch andere Mathematikliebhaber gibt - oder woher deine Liebe zur Mathematik kommt?
Meine Liebe zur Mathematik ist dadurch gegeben, dass Mathe komplett logisch aufgebaut ist und es einen immer wieder vor Herausforderungen stellt. Meine beiden Elternteile lieben auch Knobelei und das logische Denken. Darüber hinaus denke ich, dass ich einen Großteil meiner Veranlagung und meines Interesses auch von meinem Großvater „mitbekommen" habe, der als langjähriger Professor im Bereich Maschinenbau auch eine Liebe zur Mathematik hat. Mein Großvater wiederum sieht die Wurzeln unserer intellektuellen Fähigkeiten und Liebe zu den Naturwissenschaften bei seinen Vorfahren, zu denen auch ein Nobelpreisträger in Chemie zählt.