Stellungnahme der Deutschen Mathematiker Vereinigung (1979)

Vorbemerkung

Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) hat sich in ihrer Denkschrift vom Frühjahr 1976 mit der Situtation des Mathematikunterrichts an den Schulen befaßt. Sie hielt es in der Folge für geboten, sich auch mit aktuellen Fragen der Lehrerausbildung zu beschäftigen, und legt hiermit als Arbeitsergebnis der dafür eingesetzten Kommission Gedanken und Vorschläge zur Ausbildung von Studierenden des gymnasialen Lehramts im Fach Mathematik vor. Vieles gilt sinngemäß auch für die Mathematikausbildung von Lehrern an Realschulen oder an beruflichen Schulen.

Diese neue Denkschrift wendet sich an alle Hochschullehrer und Mitglieder mathematischer Fachbereiche/Fakultäten, zu deren Aufgaben es gehört, Lehramtskandidaten für das Gymnasium auszubilden; sie ist möglicherweise darüber hinaus auch für andere an der Lehrerausbildung beteiligte Personen und Stellen von Interesse. Zwar besteht unter den Hochschullehrern ein weitgehender Konsens über den erforderlichen quantitativen Umfang des Grund- und Hauptstudiums der Lehramtskandidaten im Fach Mathematik. Dagegen gibt es relativ stark divergierende Entwicklungen hinsichtlich der Inhalte und der Gestaltung des Studiums und recht unterschiedliche Auffassungen z.B. über die Berücksichtigung schulrelevanter Inhalte, den Differenzierungsgrad des Studiums oder die wissenschaftliche Hausarbeit.

Auch wenn im folgenden nur von Lehramtskandidaten und ihrer Ausbildung die Rede ist, so gilt doch vieles sinngemäß für die Ausbildung von Diplommathematikern. Die Fragen, die das gegenseitige Verhältnis von Lehramts- und Diplomstudiengang betreffen, sollten in diesem Zusammenhang sorgfältig bedacht werden. Insbesondere ist zu überlegen, wieweit die Ausbildung für beide Studiengänge gemeinsam durchgeführt werden kann, oder wo eigene Lehrveranstaltungen für Lehramtskandidaten eingerichtet werden sollten.

TEIL I

Allgemeine Gesichtspunkte für die Ausbildung der Lehramtskandidaten

Das Mathematikstudium soll den künftigen Lehrer befähigen, einen sachgerechten Mathematikunterricht erteilen zu können. Daher hat die Ausbildung an der Hochschule folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Für den künftigen Lehrer und seine berufliche Tätigkeit ist es von ausschlaggebender Bedeutung, wie er in Mathematik ausgebildet wird, wie er seine mathematischen Erfahrungen im Studium sammelt und welches fachliche Niveau er erreicht. Daher ist eine solide und umfassende fachwissenschaftliche Ausbildung, in der der Lehramtskandidat die Mathematik immer wieder als Arbeit an der Lösung von Problemen erfährt, eine wesentliche Grundlage für seinen späteren Beruf.
Der Student soll die Grundlagen und den Hintergrund der Schulmathematik kennen- und verstehenlernen. Dabei wird hier als Kern der Schulmathematik pragmatisch das angesehen, was in der Denkschrift der DMV von 1976 zum Mathematikunterricht als dessen unverzichtbarer Bestand beschrieben ist.
Schon während der Ausbildung in der Hochschule soll der Student Verständnis für die Probleme der Vermittlung von Mathematik in der Schule erwerben. Dazu gehört auch, daß er Gesichtspunkte für das Setzen von Prioritäten bei der Auswahl mathematischer Unterrichtsgegenstände und Urteilsvermögen über ihre Stellung innerhalb der Mathematik, ihre Wichtigkeit und Anwendbarkeit erwirbt.
Die fachwissenschaftliche Ausbildung muß den Studenten unter den obengenannten Aspekten gründlich mit Arbeitsweisen vertraut machen und zwar so, daß er sowohl Einblick in einige mathematische Teilgebiete erhält als auch in einem Gebiet soweit eine Vertiefung erreicht, daß er einen Eindruck von der Bearbeitung aktueller Fragestellungen gewinnt. Nur auf diese Weise kann dem zukünftigen Lehrer ein adäquates Bild der Mathematik vermittelt werden, und nur so wird er auch befähigt, sich später fortzubilden und sich - entsprechend den ständig wechselnden Anforderungen an den Mathematikunterricht in der Schule - in neue Teildisziplinen mit dem nötigen Verständnis einzuarbeiten.

Die fachwissenschaftliche Ausbildung sollte in fachdidaktischer Hinsicht ergänzt werden, soweit es im Rahmen des Hochschulstudiums möglich und sinnvoll ist; viele Fragen der Vermittlung von Mathematik in der Schule, vor allem methodischer Art, können erst fruchtbringend und eingehender erörtert werden, wenn eine fachliche Basis vorhanden ist und konkrete Erfahrungen mit Unterricht vorliegen, also in der Vorbereitungszeit (Referendarzeit). Ein kurzes Praktikum bietet hierfür noch keine hinreichende Grundlage. Die fachdidaktische Ausbildung an der Hochschule muß deshalb das Augenmerk darauf richten, die spätere spezifische Berufsausbildung möglichst gut vorzubereiten. Das kann in besonderen fachdidaktischen Lehrveranstaltungen sowie an geeigneten Stellen in den mathematschen Lehrveranstaltungen durch didaktische Analyse eines Stoffgebiets und Erörterung der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Vermittlungsmöglichkeiten geschehen. Besonders wichtig ist es dabei, die vielfältigen Beziehungen zwischen einzelnen mathematischen Sachverhalten oder zwischen verschiedenen Teilgebieten zu besprechen und die sich so ergebenden Möglichkeiten für den Unterricht zu erörtern. Dies soll den Lehramtskandidaten in die Lage versetzen, später unter Einbeziehung pädagogischer Gesichtspunkte Unterricht zu planen und andererseits im Unterricht auf Anregungen von Schülern eingehen zu können. Es sollten aber auch, wo immer möglich historische Bezüge und klassische Problemstellungen in der Mathematik aufgewiesen und vertieft werden. Von hieraus ergeben sich Beziehungen der Mathematik zu anderen Fächern, die den Lernenden motivieren, der sich ausbreitenden Isolation der Fächer entgegenwirken und dem Lehrer wichtige Grundlagen und Anregungen für den Unterricht bieten.- Die für besondere fachdidaktische Veranstaltungen zur Verfügung stehende Zeit wird im allgemeinen sehr beschränkt sein (ca. 6-8 Semesterwochenstunden), so daß die didaktischen Fragen nur exemplarisch behandelt werden können.

Hinsichtlich detaillierter Vorschläge zur fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ausbildung der Lehramtskandidaten wird auf Teil II dieser Denkschrift verwiesen.

Es ist allerdings, auch aus Zeitgründen, nicht einfach, die fachwissenschaftliche und fachdidaktische Komponente der Ausbildung mit ihren unterschiedlichen Anforderungen an das Lehramtsstudium miteinander in Einklang zu bringen und in jeweils angemessener Weise zu berücksichtigen. Hier ergeben sich leicht Einseitigkeiten und Defizite in der Lehrerausbildung, die in Zukunft vermieden werden sollten. Die Lehramtskandidaten nehmen derzeit nicht selten ein falsches oder zumindest schiefes Bild der Mathematik in ihre Berufspraxis mit; z.B. kann es geschehen, daß sie wegen einseitiger Gewöhnung im Umgang mit allgemeinen Strukturen diese Einstellung später auch auf den Schulunterricht übertragen und glauben, Mathematik könne am besten an Trivialstrukturen gelernt werden; oft fehlt es an sinnvollen konkreten Beispielen und Modellen im Unterricht, an der Vertrautheit mit klassischen Fragestellungen, an der Kenntnis der Anwendungen und sogar an Rechentechniken. Schon die Denkschrift von 1976 enthält Hinweise auf solche meist aus mangelhafter fachlicher Orientierung sich ergebende didaktische Fehlentwicklungen und ihre Gefahren. Die vorliegende Denkschrift ist aus der Absicht entstanden, solchen Gefahren für den Schuluntericht durch die Hochschulausbildung entgegenzuwirken. Ziel der mathematischen Lehrerausbildung muß es sein, daß jeder Absolvent mit wesentlichen klassischen und modernen Fragestellungen der Mathematik vertraut ist, daß er hinreichende Kenntnis bedeutsamer Beispiele und Modelle zu allgemeinen Strukturen besitzt, die bis zu wichtigen Anwendungen führen, und daß er die einschlägigen Rechentechniken beherrscht und mathematische Sachverhalte mündlich und schriftlich klar und verständlich formulieren kann.

Schwierigkeiten sind nicht zuletzt auch dadurch entstanden, daß äußere Eingriffe in die Lehramtsausbildung der Fachbereiche und Fakultäten die Lage kompliziert haben. Vor allem die neuen Hochschul- und Lehrerbildungsgesetze enthalten zahlreiche normierende Vorgaben, wie z.B. die Regelstudienzeit oder Festlegungen über die Anteile der einzelnen Fächer bzw. der Erziehungswissenschaften, die die Ausgestaltung der Lehramtsstudiengänge reglementierend beeinflussen. Diesen Schwierigkeiten stehen andererseits Chancen gegenüber, die eine richtig angelegte und durchgeführte Lehramtsausbildung bietet. Neben den oben angedeuteten Fertigkeiten und Fähigkeiten im fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Bereich kann der künftige Mathematiklehrer durch das Studium seines Faches auch weitere Fähigkeiten trainieren, wie z.B. die Fähigkeit zur Abstraktion, zur Analyse komplexer Sachverhalte, zur Konzentration, Ausdauer und Kritik oder zur logisch und sprachlich einwandfreien Darstellung von Sachverhalten. Lehramtskandidaten sollten bereits zu Beginn des Studiums an eine saubere und verständliche Formulierung mathematischer Aussagen gewöhnt werden. Formalisierungen können dazu dienen, sich bei komplexen Zusammenhängen Klarheit zu verschaffen, sie dürfen aber nicht zu einer Flucht aus der deutschen Sprache führen.

Nicht zuletzt kann eine richtig angelegte Lehramtsausbildung auch einen wichtigen bildungspolitischen Effekt haben: sie kann - über das Verhalten gut ausgebildeter Lehrer - eine stabilisierende Wirkung in der zuweilen hektischen Abfolge von "Reformen" des Schulbereichs haben. Der künftige Lehrer sollte durch sein Studium so viel mathematischen Überblick und didaktische Urteilsfähigkeit erworben haben, daß er in der Lage ist, bei der Gestaltung seines Unterrichts positive Entwicklungen von modischen Trends zu unterscheiden.

Hinweise zur Gestaltung des Studiums

Nachdem der Lehramtskandidat die Grundvorlesungen absolviert hat, sollte er die wichtigsten Teilgebiete der Mathematik kennenlernen. Abgesehen von ein oder zwei Schwerpunkten seiner Wahl wird er aus Zeitgründen nur eine einsemestrige Vorlesung pro Gebiet besuchen können. Im allgemeinen ist dazu der erste Teil einer mehrsemestrigen Vorlesungsreihe - etwa zur Analysis, Algebra, Geometrie, Logik, Numerik, Stochastik oder Topologie - weniger geeignet. Vielmehr sollten zu diesem Zweck einsemestrige Einführungsvorlesungen konzipiert werden, die inhaltlich abgerundet sind und möglichst viele Querverbindungen zu anderen Gebieten aufzeigen. Einige Anregungen hierzu finden sich in Teil II. In einem begrenzten Bereich muß der Studiengang allerdings über die Einführungsvorlesungen hinaus eine Vertiefung vorsehen. Dazu können ein oder zwei speziellere Vorlesungen, ein sich anschließendes Seminar und die wissenschaftliche Hausarbeit dienen.

Während der gesamten mathematischen Ausbildung sollten die Verbindungen der Mathematik zu anderen Fächern (insbesondere den Natur- und Wirtschaftswissenschaften) in einsichtiger Weise herausgestellt werden. An einigen wichtigen Stellen sollte sich der Lehramtskandidat mit Anwendungsproblemen der Mathematik beschäftigt und näher vertraut gemacht haben. In diesem Zusammenhang ist es besonders zu bedauern, daß immer weniger Lehramtskandidaten als Zweitfach Physik wählen.

Eine weiterreichende Vertiefung und Konsolidierung mathematischer Fähigkeiten wird für die meisten Lehramtskandidaten an knapp bemessenen Studienzeiten und am Aufwand, der für das zweite Studienfach erforderlich ist, eine Grenze finden. Umso dringlicher stellt sich in diesem Zusammenhang die Forderung nach angemessenen Fortbildungsmöglichkeiten. Trotz der Bestrebungen, die Studienzeit zu verkürzen, muß jedoch auf jeden Fall die Möglichkeit bestehen bleiben, besonders begabte und interessierte Studenten im Rahmen ihres Studiums an selbständige mathematische Forschung heranzuführen. Lebendige Beziehungen zwischen der Ausbildung von Lehrern und Forschern sind für die Universität ebenso wie für die Schule von ganz wesentlicher Bedeutung.

Abschließend seien noch einige Bemerkungen zum gegenseitigen Verhältnis von Lehramts- und Diplomstudiengang angefügt: Aus Gründen der Durchlässigkeit sollten beide Studiengänge insbesondere im Grundstudium, aber auch im Hauptstudium soweit wie möglich übereinstimmen. Z.B. sind die oben angesprochenen Einführungsvorlesungen für Lehramtskandidaten und Diplomanden gleichermaßen geeignet. Als Lehrveranstaltungen speziell für Lehramtskandidaten wird man am ehesten Seminare, gelegentlich auch besondere Vorlesungen anbieten können, um den Bedürfnissen der Lehrerausbildung gerecht zu werden. Vorlesungen und Seminare dieser Art lassen sich dann mit didaktischer Analyse, gegebenenfalls auch mit parallel laufenden oder nachfolgenden fachdidaktischen

TEIL II

Der nun folgende zweite Teil enthält Hinweise für die in der gymnasialen Lehramtsausbildung wichtigsten Teilgebiete der Mathematik. Es handelt sich dabei nicht etwa um einen Studienplan oder einen Kanon verbindlicher Inhalte, sondern um fachliche und didaktische Erwägungen, die bei der Planung und Durchführung eines Lehramtsstudiums Beachtung finden sollten, um inhaltliche Vorschläge, die mögliche Wege für die Realisierung dieser Erwägungen aufzeigen.

Von nicht geringer Bedeutung für das Lehramtsstudium ist auch eine sinnvolle Gestaltung der Übungen und Seminare, der wissenschaftlichen Hausarbeit und der fachdidaktischen Lehrveranstaltungen. Zu diesem Fragenkreis wird in den abschließenden Abschnitten noch kurz Stellung genommen.

Analysis

Die Analysis nimmt eine zentrale Stellung in der Lehrerausbildung ein. Wegen der Vielfalt der Anwendungsbezüge innerhalb und außerhalb der Mathematik bietet sie mehr als manche anderen Gebiete die Möglichkeit, dem Studenten eine Einsicht in die Entwicklung der grundlegenden Begriffe als Werkzeuge zur Bearbeitung vorgegebener Fragestellungen zu vermitteln; diese Möglichkeit sollte auch genutzt werden.

Ausgangspunkt der Analysis sind die reellen Zahlen. Auf die Erörterung ihrer Problematik (z.B. der Vollständigkeit) sollte man nur so weit eingehen, wie dies für die Analysisvorlesung erforderlich ist; auf eine konstruktive Einführung (ausgehend von den natürlichen Zahlen und über die rationalen Zahlen) sollte man aber im ersten Semester verzichten, um den Studenten zunächst mit wichtigeren Fragen und Methoden der Analysis bekannt machen zu können. Will man Verfahren zur Erweiterung von Zahlbereichen behandeln, so kann dies weit wirksamer in einem späteren Studienabschnitt - eventuell im Zusammenhang mit didaktischen Fragen - geschehen.

Die Analysis gründet sich vor allem auf das Prinzip der Approximation und den Begriff des Grenzwertes. In vielen Fällen gibt es zur approximativen Berechnung von Werten algorithmische Verfahren. Ein Eindruck von diesem numerischen Aspekt muß dem Studenten schon in der Anfängervorlesung vermittelt werden. Als Beispiele seien genannt: Bestimmung der Nullstellen von Funktionen, numerische Integration, numerische Lösung von Differentialgleichungen. Technische Einzelheiten (etwa genauere Fehleranalysen oder Vergleiche über den Rechenaufwand bei verschiedenen Verfahren) können der numerischen Mathematik vorbehalten bleiben.

In enger Beziehung zu diesen praktischen Verfahren stehen sehr abstrakte Hilfsmittel, etwa der Topologie und Funktionalanalysis (Kompaktheitsargumente, Fixpunktsätze), deren Nützlichkeit dem Studenten klar werden muß. Bei der Arbeit mit abstrakten Begriffen sollten jedoch häufig Hinweise gegeben werden, welch unerwartete Pathologien sich oft unter scheinbar einsichtigen Begriffsbildungen verbergen können (etwa stetige und nirgends differenzierbare Funktionen; unendlich oft diffrenzierbare Funktionen, die von ihrer Taylorreihe nicht dargestellt werden oder deren Taylorreihe divergiert; Peanokurven). So kann ein zukünftiger Lehrer wohl am ehesten von allzu bedenkenlosem Spielen mit Begriffen und Axiomen nachhaltig gewarnt werden.

Der Nutzen der linearen Algebra für die Analysis muß schon in den Anfängervorlesungen deutlich werden. Nichttriviale Zusammenhänge zwischen den beiden inhaltlich oft zu sehr voneinander entfernten Anfängervorlesungen ergeben sich beispielsweise bei der Untersuchung von Extrema bei mehreren Veränderlichen (Definitheit der Hesse-Matrix) oder bei Systemen von linearen Differentialgleichungen, wo die Diagonalisierbarkeit von Matrizen und die Jordansche Normalform eine wichtige Rolle spielen. Gerade die Systeme linearer Differentialgleichungen sind ein Paradebeispiel der wechselseitigen Durchdringung von Inhalten beider Vorlesungen.

In der elementaren Funktionentheorie sollte man von jenen Fragen ausgehen, die in der reellen Analysis entstanden sind und dort nicht befriedigend beantwortet werden konnten (etwa Konvergenzverhalten von Potenzreihen, Nullstellen von Polynomen). Auch sollten die wechselseitigen Beziehungen, Gemeinsamkeiten und charakteristischen Unterschiede der Theorie der reellen und komplexen Funktionen aufgezeigt werden. Man wird auch kaum darauf verzichten können, einen Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra zu geben.

Für die Grundvorlesungen in Analysis ist etwa folgendes Minimalprogrammm denkbar:

Differentialrechnung für reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen und für Funktionen f aus Rm in den Rn . Integralrechnung für reelle Funktionen einer reellen Veränderlichen sowie einige elementare Ergebnisse aus der Integralrechnung für Funktionen mehrerer Veränderlicher (Riemannsches Integral, einfache Inhaltsberechnungen).
Elementare Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen. Funktionentheorie bis zum Cauchyschen Integralsatz (wünschenswert: bis zum Residuensatz und seinen Anwendungen).
Darüber hinaus kommen als weiterführende Themen in Betracht:

Integrationstheorie
Gewöhnliche und partielle Differentialgleichungen
Fortsetzung der Funktionentheorie
Funktionalanalysis.
Lineare Algebra

In der linearen Algebra werden systematisch Fragen untersucht, die ihre Wurzeln vorwiegend in der Geometrie und Analysis haben: Zu den Grundbegriffen der Geometrie gehören lineare Mannigfaltigkeiten und Hyperflächen zweiter Ordnung; diesen begegnet man auch in der Analysis, wenn man den linearen und quadratischen Anteil einer Funktion betrachtet (Jacobi-Matrizen und Hesse-Matrizen partieller Ableitungen). Das Problem, eine Matrix auf Normalform zu transformieren, stellt sich z.B. beim Versuch, Differentialgleichungssysteme zu lösen. Bei der Untersuchung von Fourrierreihen wird man in natürlicher Weise dazu geführt, Vektorräume von Funktionen zu betrachten; dies erfordert Hilfsmittel aus der linearen Algebra, die frei von Koordinaten sind.

Einem Anfängerstudenten, der nichts von diesen Hintergründen weiß, kann es kaum einsichtig werden, wozu der Formalismus der linearen Algebra entwickelt wurde - besonders dann nicht, wenn man von Mengen und Relationen über Gruppen, Ringe und Moduln fortschreitend, schließ Vektorräume einführt und durch dieses Vorgehen strukturelle Gesichtspunkte zu stark in den Vordergrund treten läßt. Zentrales Thema der linearen Algebra sollte vielmehr das Studium von reellen und komplexen Vektorräumen im Hinblick auf die vielfältigen Anwendungen - nicht nur innerhalb der Mathematik - sein.

Besonders fruchtbar für die lineare Algebra und auch leicht verständlich für den Anfänger sind die Beziehungen zur analytischen Geometrie. Vektorräumen und Skalarprodukten kann man die affinen und euklidischen Räume (eventuell auch schon die projektiven Räume) zur Seite stellen. Hierbei sollte ein Student das lebendige Wechselspiel zwischen geometrischer Anschauung und präzisem algebraischem Formalismus kennenlernen. In späteren Teilen der Vorlesung, wenn die parallel laufende Ausbildung in Analysis etwas fortgeschritten ist, sollten auch Querverbindungen hierzu immer wieder hervorgehoben werden (etwa bei reellen Vektorräumen die Extremaleigenschaft der Eigenwerte von selbstadjungierten Endomorphismen, oder die Beziehung zwischen den beiden Zusammenhangskomponenten der linearen Gruppe und den zwei möglichen Orientierungen).

Die Anwendungen der linearen Algebra gehen über Geometrie und Analysis hinaus; so ist z.B. der Matrizenkalkül in der angewandten Mathematik und in der Stochastik von erheblicher Bedeutung. Es ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, daß man - etwa bei Systemen linearer Gleichungen (oder linearer Ungleichungen in der Optimierung) - nicht nur Aussagen über die Existenz von Lösungen machen kann, sondern daß sich in einfacher Weise Verfahren angeben lassen, die Lösungen numerisch darzustellen. Am Beispiel solch einer Umsetzung einer theoretischen Aussage in ein praktisches Verfahren kann der Lehramtskandidat einen Eindruck von den Methoden der angewandten Mathematik erhalten.

Geometrie

Der Geometrie kommt in der Lehramtsausbildung eine mit Analysis und Algebra vergleichbare Bedeutung zu; Gewicht und Akzente der heutigen Geometrieausbildung entsprechen allerdings häufig nicht den Bedürfnissen des Schulunterrichts. In der Ausbildung wird es besonders darauf ankommen, daß der Lehramtskandidat den anschaulichen Hintergrund geometrischer Überlegungen stets vor Augen hat, andererseits auch den Nutzen algebraischer und analytischer Hilfsmittel in der Geometrie erfassen lernt. Die Geometrie hat sich historisch in fruchtbarer Wechselwirkung mit vielen anderen Wissensgebieten entwickelt; Beziehungen zu anderen mathematischen und außermathematischen Disziplinen lassen sich daher an vielen Stellen leicht aufzeigen.

Der Lehramtskandidat hat in der linearen Algebra die Grundzüge der affinen und euklidischen Geometrie kennengelernt und kann, darauf aufbauend, in späteren Semestern wahlweise mit einem geometrischen Teilgebiet im Rahmen einer entsprechenden Einführungsvorlesung vertraut werden; eine allgemeine, umfassend konzipierte Einführungsvorlesung in die Geometrie ist dagegen wegen der Unterschiedlichkeit der geometrischen Teildisziplinen und ihrer Methoden kaum möglich. Von den Teilgebieten, unter denen der Lehramtskandidat wählen kann, seien exemplarisch einige genannt:

Die projektive Geometrie (in analytischer Behandlung) bietet sich als natürliche Fortsetzung der Anfängervorlesung über lineare Algebra an. Von hier aus ergeben sich Einblicke in die nichteuklidische Geometrien und damit in wichtige Phasen der Mathematikgeschichte, aber ebenso Bezüge zu anderen Disziplinen (algebraische Geometrie, Topologie).

Die Differentialgeometrie hat sich zu einem weit verzweigten Teilgebiet der Geometrie entwickelt, das vielerlei Beziehungen zu anderen mathematischen Gebieten (Analysis, Topologie), aber auch zu anderen Fächern (Mechanik, theoretische Physik) aufweist. In einer Einführungsvorlesung sollte der Lehramtskandidat mit den Grundlagen der Kurven- und Flächentheorie, den Elementen der Riemannschen Geometrie und mit Anwendungen in anderen Gebieten vertraut gemacht werden.

Als formale Aufgabe des Geometrieunterrichts wird traditionell das Studium von Geometrien als Beispiele axiomatisch-deduktiver Systeme betrachtet, weil historisch solche Systeme zuerst bei Untersuchungen zur Begründung der Geometrie eine Rolle gespielt haben. Inzwischen werden aber viele Gebiete der Mathematik (besonders die Algebra) auf diese Weise dargestellt, so daß diese Motivation für das Studium geometrischer Axiomensysteme an Bedeutung verloren hat. Es ist aber wünschenswert, daß der Lehramtskandidat in einer einführenden Vorlesung über Grundlagen der Geometrie den synthetisch-axiomatischen Aufbau der Geometrie soweit kennenlernt, daß ihm verschiedene axiomatische Zugänge zur projektiven, affinen und insbesondere zur euklischen Geometrie und die besondere Situation des ebenen Falles bekannt sind. Auf detaillierte Ausführungen über spezielle Ebenen wird man hierbei verzichten müssen. Eines der vordringlichen Ziele der Geometrieausbildung des Lehramtskandidaten sollte es vielmehr sein, im Hinblick auf den Schulunterricht die Grundlagen der Elementargeometrie - möglicherweise auch in einer eigens dafür angebotenen Lehrveranstaltung - zu klären.

Die darstellende (konstruktive) Geometrie behandelt geometrische Objekte und ihre Beziehungen vom konstruktiven Standpunkt aus. Ihr Nutzen liegt besonders darin, daß sie das oft unterentwickelte räumliche Vorstellungsvermögen der Lehrerstudenten und ihre Fähigkeit verbessern kann, rämliche Objekte in einer anschaulichen Skizze darzustellen.

Algebra

Die Entwicklung der Algebra wurde stark angeregt durch die Arbeit an einfach zu formulierenden Problemen (etwa Lösung von Gleichungen, Fragen der Zahlentheorie und Geometrie). Die dabei zutage getretenen strukturellen Gesichtspunkte führten zur Entwicklung eines immer weiter verfeinerten Begriffssystems. Dafür wurde schließlich ein straffer axiomatischer Rahmen gefunden, der es gestattet, die Zusammenhänge in ihrer allgemeinsten Form klarzulegen. Die Erforschung algebraischer Strukturen hat insofern stark an Bedeutung gewonnen, als sich einerseits die Anwendungen der Mathematik nicht mehr auf die Physik beschränken und andererseits algebraische Hilfsmittel in anderen Zweigen der Mathematik (Funktionalanalysis, topologische Gruppen und Lie-Gruppen, Logik) eine wesentliche Rolle spielen.

Ein Student, der Algebra lernen will, wird große Schwierigkeiten haben, die denkökonomischen Vorteile des Fortschreitens von den allgemeinsten zu den spezielleren Strukturen richtig einschätzen zu können. Die Axiomensysteme der Algebra sind zwar wesentlich knapper zu formulieren und einfacher zu handhaben als etwa die Axiomensysteme der Geometrie. Dafür sind geometrische Axiome eher anschaulich plausibel zu machen. Um die Bedeutung axiomatisch eingeführter Strukturen der Algebra erkennen zu können, muß man viele Beispiele, ihre charakteristischen Unterschiede und ihre Leistungsfähigkeit bei der Lösung konkreter Probleme kennen.

Eine Möglichkeit, in einer Einführungsvorlesung bei der Beschäftigung mit den Grundstrukturen der Algebra (Gruppen, Ringe, Körper) Leitlinien sichtbar werden zu lassen, besteht darin, die Entwicklung der Theorie zu begleiten durch die Arbeit an konkreten Problemen. Von kaum zu übertreffender Einfachheit in der Fragestellung und ganz unterschiedlicher Schwierigkeit in der Durchführung sind die Probleme der Lösbarkeit von Gleichungen, der Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal oder elementar erscheinende Fragen der Zahlentheorie. In jedem Fall sollte sich eine Vorlesung über Algebra als Ziel setzen, Probleme zu lösen, die sich außerhalb des Formalismus zuvor gestellt hatten. Auch sollte bedacht werden, welche Fragen in der Schulmathematik wichtig sind (etwa die Teilbarkeitslehre, mehr als z.B. die Boolsche Algebra).

Die Algebra hat sich stets in engem Kontakt zu anderen mathematischen Disziplinen entwickelt; durch die strenge Axiomatik und den daraus resultierenden Purismus sind diese Zusammenhänge in Vorlesungen oft in den Hintergrund gedrängt worden. Gelegentliche Hinweise darauf sind für Studenten höchst nützlich. Beispiele für Berührungspunkte mit der Analysis sind etwa analytische Beweise des Fundamentalsatzes der Algebra oder auch der Transzendenzbeweis für e und ?.

Topologie

Die Topologie hat zwei starke Wurzeln: zum einen behandelt sie Fragen der Stetigkeit aus der Analysis im allgemeineren Rahmen (daraus hat sich der mengentheoretische Zweig der Topologie entwickelt), zum anderen sucht sie nach algebraischen (diskreten) Invarianten geometrischer (kontinuierlicher) Gebilde (daraus ist die algebraische und auch die Differentialtopologie entstanden). Als selbständige Wissenschaft ist die Topologie noch relativ jung. Ein Lehramtskandidat wird zunächst nur im Rahmen der Vorlesungen über reelle und komplexe Analysis mit einfachen Hilfsmitteln der mengentheoretischen Topologie bekannt werden.

Will er sich darüber hinaus mit Topologie beschäftigen, so sollte dies nicht in einer Vorlesung über mengentheoretische Topologie geschehen, in der ausschließlich Strukturaussagen verschiedener Typen axiomatisch charakterisierter allgemeiner topologischer Räume behandelt werden. Er sollte vielmehr auch den geometrisch-algebraischen Zweig der Topologie (oder Differentialtopologie) kennenlernen, der von zunächst anschaulich evident erscheinenden Fragestellungen ausgeht - man denke etwa an den Jordanschen Kurvensatz oder die Aussage, daß die Kugelfläche und die Ringfläche nicht homöomorph sind. Er muß zunächst erkennen, daß sich dafür ohne subtile Hilfsmittel keine präzisen Beweise geben lassen.

Eine für Lehramtskandidaten geeignete Vorlesung über Topologie sollte sich zum Ziel setzen, Bezüge zwischen Analysis, Geometrie und Algebra sichtbar werden zu lassen. Sie sollte mehr exemplarisch als systematisch sein: Der Student muß genügend viele nichtpathologische Beispiele topologischer Räume kennenlernen (Tori, projektive Räume, kompakte Flächen, Untergruppen der linearen Gruppe und andere einfache Mannigfaltigkeiten). Bei der Beschäftigung mit ihnen gelangt man zwanglos zu Problemstellungen, bei deren Lösung man die Standardmethoden und -begriffe der mengentheoretischen und der elementaren algebraischen oder Differentialtopologie (wie Kompaktheit, Zusammenhang, Fundamentalgruppe, Abbildungsgrad etc.) entwickeln und anwenden kann.

Numerische Mathematik

lm Hinblick auf die zunehmende Bedeutung großer Datenverarbeitungsanlagen für alle Bereiche der Wissenschaft wie auch des täglichen Lebens sollte jeder Mathematiklehrer exemplarisch mit grundlegenden Problemen der numerischen Mathematik sowie Fragen ihrer praktischen Lösung auf elektronischen Datenverarbeitungsanlagen vertraut sein. Eine erste Begegnung mit numerischen Fragen und Methoden sollte und kann bereits in den Anfängervorlesungen der Mathematik erfolgen. Daran anknüpfend sollte jeder Lehramtskandidat noch während des Grundstudiums eine an seinem Studienziel orientierte Einführung in das Programmieren (vorzugsweise in eine höhere Programmiersprache), in der Regel einen Intensivkurs während der vorlesungsfreien Zeit besuchen , um ein Gefühl dafür zu bekommen, welchen Aufwand die Realisierung eines Rechenprozesses (Algorithmus) erfordert. Diese Erfahrung sollte dem Studenten später helfen, die in zunehmendem Maße in den Schulen aufgestellten Kleinrechner und Terminals zu benutzen und zu größeren Datenverarbeitungsanlagen in Beziehung zu setzen.

In einer später zu besuchenden Einführungsvorlesung über numerische Mathematik kann der Student dann genauer mit der Gewinnung von Verfahren zur numerischen Lösung, mit Methoden zur Fehlerabschätzung sowie mit Fragen des Vergleichs verschiedener numerischer Verfahren im Hinblick auf ihre Eignung bei den zur Verfügung stehenden Rechnern bekannt gemacht werden. Es empfiehlt sich, bei dieser Einführung nicht zu sehr ins Detail zu gehen; ausgehend von speziellen Fragestellungen und Verfahren sollten die Grundprinzipien herausgearbeitet werden, die für den Lehramtskandidaten letztlich wichtiger sind als eine Vielzahl spezieller Verfahren. Dabei bietet etwa die Behandlung von Iterationsverfahren, insbesondere der Fixpunktsatz für kontrahierende Abbildungen, die Möglichkeit, die Brücke zur Funktionalanalysis herzustellen. Verfahren für spezielle Probleme, etwa zur Bestimmung von Nullstellen, zur Lösung von linearen Gleichungssystemen oder von Differentialgleichungen, lassen sich als Spezialfälle dieser allgemeinen Überlegungen darstellen. Insbesondere kann dann auch auf Fehlerabschätzungen und die selbstkorrigierende Eigenschaft von Verfahren, die auf dem Fixpunktsatz basieren, eingegangen werden. Darüber hinaus bietet die Behandlung numerischer Fragestellungen die Möglichkeit, auf die Bedeutung einer sachgemäßen Problemstellung (z. B. Existenz und Eindeutigkeit, stetige Abhängigkeit von Anfangsdaten o. ä.) auch im Hinblick auf die zugrundeliegende außermathematische Fragestellung einzugehen und auf die Bedeutung mathematischer Methoden in anderen Wissenschaften hinzuweisen.

In der einführenden Vorlesung über numerische Mathematik sollte dann - abgestimmt auf die Einführung in das Programmieren - die Gelegenheit genutzt werden, Aspekte der Informatik anzusprechen, insbesondere die Erarbeitung geeigneter Algorithmen zur Lösung vorgegebener Fragestellungen, die Beschreibung von Algorithmen mit Hilfe von Programmiersprachen und deren anschließende Bearbeitung auf Datenverarbeitungsanlagen. Auf diese Weise wird der künftige Lehrer instandgesetzt, auf Fragen der Schüler zur Informatik, mit denen viele von ihnen später in den verschiedensten Berufen in Berührung kommen, innerhalb des Mathematikunterrichts einzugehen.

Zur Vertiefung bieten sich im Hinblick auf den späteren Schulunterricht insbesondere Vorlesungen über Optimierungsmethoden, Splinefunktionen oder finite Elemente an.

Stochastik (Wahrscheinlichkeitstheorie und Mathematische Statistik)

Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik haben wegen ihres starken Bezugs zum täglichen Leben und ihrer Bedeutung für andere Wissenschaften einen festen Platz in den Lehrplänen der gymnasialen Oberstufe erhalten. Die Probleme und Denkweisen der Stochastik sind von denen anderer mathematischer Disziplinen recht verschieden; insbesondere weicht die stochastische Betrachtungsweise und Beschreibung etwa eines physikalischen oder ökonomischen Sachverhalts wesentlich von der sonst verwendeten kausal-deterministischen ab. Ein Lehrer wird deshalb in der Schule kaum einen sachgerechten Unterricht in diesem Fach erteilen können, wenn er nicht durch sein Universitätsstudium in die Lage versetzt worden ist, über den Schulbüchern zu stehen. Daher sollte jeder Lehramtskandidat wenigstens eine einführende Lehrveranstaltung über Stochastik besuchen.

Jede solche Vorlesung wird mit dem Wahrscheinlichkeitsraum als Modell zur Beschreibung zufallsabhängiger Vorgänge beginnen. Erfahrungsgemäß bereitet dem Studenten die Bildung solcher Modelle bereits in einfachen konkreten Fällen besondere Schwierigkeiten. Es sollte deshalb - über die in den Vorlesungen behandelten Standardbeispiele hinaus - in den Übungen die selbständige Angabe von Modellen wenigstens für einfache "reale" Situationen gefordert werden. Dabei sind kombinatorische Hilfsüberlegungen angemessen zu berücksichtigen. Besondere Bedeutung kommt der stochastischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit zu, die deshalb in den Standardbeispielen eingehend zu diskutieren sind. Bei diesen einleitenden Betrachtungen sollten bereits die wichtigen Begriffe Zufallsgröße und Verteilung sowie deren Lage- und Streuungsparameter eingeführt werden.

Da sich die Eigenart des Wahrscheinlichkeitsbegriffs in Grenzwertaussagen widerspiegelt, was insbesondere für die Interpretation wichtig ist, sollte es ein Ziel der Vorlesung sein, derartige Grenzwertsätze (Gesetz der großen Zahlen, zentraler Grenzwertsatz, Poissonscher Grenzwertsatz) wenigstens in ihren einfachsten Formen zu behandeln (also für Binomialverteilungen). Die Beschränkung auf die Spezialfälle diskreter bzw. absolut stetiger Verteilungen oder sogar nur auf diskrete endliche Verteilungen (bei geeigneter Behandlung der Normalapproximation von Binomialverteilungen) wird zweckmäß sein, um keine weiteren mathematischen Hilfsmittel bereitstellen zu müssen.

Nach den Schullehrplänen soll durch die Behandlung einfacher statistischer Fragestellungen und Schlußweisen ein Grundverständnis für die beurteilende Statistik erzielt werden; daher muß für diese Fragen bereits während der einführenden Vorlesung ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung stehen. Wichtiger als die Behandlung möglichst vieler statistischer Verfahren erscheint ein grundsätzliches Erfassen statistischer Fragestellungen und der mit statistischen Schlußweisen verbundenen Fehlentscheidungen; auch muß die Problematik der Ermittlung und Zuverlässigkeit empirischer Daten an Beispielen aufgezeigt werden. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Modellannahmen zu: Eine Gegenüberstellung der etwa bei Binomial- und Zeichentest jeweils zugelassenen Verteilungen wird das Verständnis hierfür fördern. Die Behandlung allgemeiner entscheidungstheoretischer Begriffe sollte gegenüber den in den Lehrplänen enthaltenen Grundbegriffen der Schätz- und Testtheorie zurücktreten.

Als weiterführende Vorlesungen bieten sich einmal solche über Wahrscheinlichkeitstheorie und stochastische Prozesse an: Erst hier wäre die Einbettung in die allgemeine Maß- und Integrationstheorie zu skizzieren. Solche Vorlesungen geben dann auch die Gelegenheit, die zahlreichen Querverbindungen der Stochastik zu anderen Gebieten der Mathematik, insbesondere zur Analysis, aufzuzeigen. Eine Alternative dazu stellen weiterführende Vorlesungen über anwendungsorientierte mathematische Statistik dar. Diese würden die begrifflichen Schwierigkeiten abbauen, die erfahrungsgemäß bei einer ersten Berührung mit statistischen Schlußweisen auftreten; auch könnte auf praxisorientierte Probleme eingegangen werden, die eine kritische Einstellung gegenüber Meinungsumfragen, Vorhersagen und sonstigen statistischen Auswertungen des täglichen Lebens ermöglichen. Bei derartigen Vorlesungen erweist sich besonders die Bedeutung der linearen Algebra für die Stochastik.

Mathematische Logik und Grundlagen der Mathematik

Einer Einführungsvorlesung auf dem Gebiet der mathematischen Logik stellen sich mehrere Aufgaben: Sie sollte dem Lehramtskandidaten einen Einblick in die Grundlagen seines Studienfachs vermitteln; sie kann - in Ansätzen - den Beitrag der mathematischen Logik zu Untersuchungen in anderen mathematischen Disziplinen (wie etwa Algebra, Analysis, Informatik, Topologie) beleuchten; und sie sollte den zukünftigen Mathematiklehrer in die Lage versetzen, dem unsachgemäßen Gebrauch von Logik und Mengenlehre, wie er öfter an der Schule zu beobachten ist, in eigener Kompetenz entgegenzuwirken.

Da das Vorgehen in der mathematischen Logik, wo ja weitgehend "die Mathematik selbst" Gegenstand der Untersuchung ist, für junge Semester oft Verständnisschwierigkeiten aufwirft, und da metamathematische Fragestellungen wirklich erfolgreich nur dann behandelt werden können, wenn ausreichend viel Material aus der Mathematik zur Verfügung steht, sollten durch eine solche Vorlesung in erster Linie Studenten mittlerer und höherer Semester angesprochen werden.

Das wesentliche Anliegen der Vorlesung sollte darin bestehen, Grundlagenprobleme und methodologische Probleme bewußt zu machen, zu präzisieren und an eine Klärung heranzuführen. Mögliche Themenkreise sind etwa: der Beweisbegriff und seine Präzisierung im Rahmen der ersten Stufe, die Tragweite der ersten Stufe, der mengentheoretische Aufbau der Mathematik, die Widerspruchsfreiheit der Mathematik, die Präzisierung des Berechenbarkeitsbegriffs, die Begrenztheit axiomatischer und algorithmischer Methoden, die Rolle der Logik bei der Systematisierung mathematischer Theorien.

Bei der Behandlung dieser Fragen sollen methodologisch wichtige Resultate hervorgehoben werden. Neben dem Gödelschen Vollständigkeitssatz sollten dazu auch die Gödelschen Unvollständigkeitssätze (oder geeignete Abschwächungen) gehören. Eine solche Vorgehensweise erfordert zugleich Hilfsmittel aus der Logik, der Mengenlehre und der Theorie der rekursiven Funktionen. Aus Zeitgründen dürfte daher eine gewisse Schwerpunktbildung unumgänglich sein.

Im Hinblick auf den oben gerügten unsachgemäßen Gebrauch der mathematischen Logik im Schulbereich sollte der Student dazu gebracht werden, in den entwickelten Begriffen und Formalismen der Logik ein methodologisches Hilfsmittel zu sehen, das inhaltliche mathematische Arbeits- und Darstellungsweisen nicht verdrängen, sondern in ihrem Verständnis fördern will.

Übungen und Seminare

Der selbständige Umgang mit Mathematik ist notwendige Bedingung für ein erfolgreiches Studium. Daher ist den Studenten während ihres ganzen Studiums immer wieder Gelegenheit zu geben, das erlernte Wissen an Problemen zu erproben und Anreiz zu vermitteln, sich durch Beschäftigung mit Literatur auf Neuland zu wagen.

Im Grundstudium wird das Schwergewicht der Eigentätigkeit des Studenten auf den die Vorlesungen begleitenden Übungen liegen. Diesen Lehrveranstaltungen kommt in besonderem Maße die Aufgabe der lokalen Verklammerung der Wissensteile zu; daher sollte - wenigstens in den Übungen zu Anfängervorlesungen - der Reflektion und der Beherrschung von Methoden des jeweiligen Niveaus, der Anwendung abstrakter Sachverhalte auf konkrete Beispiele und dem Üben von Techniken und Algorithmen Vorrang eingeräumt werden vor Ergänzungen und Ausblicken auf allgemeinere Theorien. Nützlich für die Vorbereitung auf eigenes Literaturstudium sind Aufgaben, die die Analyse vorgelegter Beweise oder die Ergänzung von Beweisskeletten verlangen: Die Korrektur schriftlicher Übungen gibt den Studenten die Rückmeldung über ihren Leistungsstand und erfordert besondere Sorgfalt, an der es nicht selten mangelt; mathematisch oder sprachlich unzureichende und unklare Formulierungen dürfen dabei nicht unbeanstandet bleiben. Gelegentliche Anfertigung von Übungsaufgaben in Klausur gestattet eine frühzeitige Gewöhnung an spätere Prüfungssituationen.

Der mündliche Vortrag und die Diskussion sind gerade für Lehramtsstudenten von unschätzbarer Bedeutung, haben sie doch zu lernen, ihre Gedanken über das Medium der Sprache verständlich zu machen. Bereits in den Anfängerübungen muß der mündliche Vortrag sorgfältig gepflegt werden. Darüber hinaus sollte jeder Student noch im Grundstudium - in einem Proseminar - Gelegenheit zu einem längeren Vortrag erhalten. Die Themen hierzu werden in nahem Zusammenhang mit den absolvierten Vorlesungen stehen und Literaturstudium erfordern. Da "Lesenlernen" in der Mathematik nicht leicht ist, sollte die Vorbereitung zu diesen Vorträgen mit intensiver Beratung verbunden sein.

Das Hauptstudium gipfelt in den Seminaren, anspruchsvolleren Vortragsveranstaltungen, die größere Selbständigkeit und mehr Überblick verlangen. Sie werden in der Regel auf weiterführenden Vorlesungen aufbauen, damit ausreichende Vorkenntnisse verfügbar sind. Daher sind bei der Planung weiterführender Vorlesungen und auf ihnen aufbauender Seminare die Interessen der Lehramtskandidaten zu bedenken. Dies darf aber nicht zu einer Minderung des Niveaus der Seminare führen; das gilt auch für die speziell den Lehramtskandidaten angebotenen didaktischen Seminare. Im Prinzip sollten jedoch Lehramtskandidaten und Diplomanden gemeinsam an Seminaren teilnehmen, damit die fachwissenschaftliche Qualität der Lehrerausbildung gewahrt bleibt.

Es sollte vermieden werden, die Seminarthemen zu weit entfernt vom eigenen mathematischen Erfahrungsbereich des Studenten und also weitab von den Inhalten seiner Ausbildung zu wählen; hier gilt sinngemäß das unten für die wissenschaftliche Hausarbeit Gesagte. Die Frage, wie weit als Themen neuere Originalarbeiten in Frage kommen, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Nützlich erscheint es, durchaus auch ältere Literaturstellen heranzuziehen und sie in der Sprache neuerer Theorien darstellen zu lassen. Themen, die sich möglicherweise zu wissenschaftlichen Hausarbeiten ausbauen lassen, sollten als solche bezeichnet und vorzugsweise an die Lehramtskandidaten vergeben werden, die ihre Examensarbeit in Mathematik anfertigen wollen.

Besondere Aufmerksamkeit erfordert die vorbereitende Betreuung der Seminarteilnehmer. Sie sollte nicht so intensiv wie beim Proseminar gehandhabt werden, es ist aber in Vorgesprächen zu klären, ob ausreichendes Problemverständnis und die erforderlichen Kenntnisse vorhanden sind, oder ob ein anderes Thema zu empfehlen ist. Der Gefahr, daß sich die Seminarteilnehmer nicht von ihrer Vorlage befreien und daher keine selbständige Leistung erbringen können, kann durch vergleichende Bearbeitung mehrerer Vorlagen oder durch zusätzliche Probleme begegnet werden.

Wo gesetzliche Regelungen es nicht ausschließen, sollte von jedem Studenten die Absolvierung von mindestens zwei Seminarvorträgen aus verschiedenen Bereichen der Mathematik verlangt werden. Auch sollten Seminare so anregend gestaltet werden, daß sie außer für die Vortragenden auch für interessierte Zuhörer attraktiv sind.

Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Studenten immer wieder dazu anzuhalten sind, sich mit mathematischer Literatur zu beschäftigen. Nur so werden sie im Laufe der Zeit lernen, selbständig mit Literatur zu arbeiten und später auch in der Lage sein, sich in ein neues Gebiet selbständig einzuarbeiten.

Wissenschaftliche Hausarbeit

Es gibt kaum noch ein Teilgebiet der Mathematik, in dem ein Student im Laufe seines Studiums bis zum gegenwärtigen Stand der Forschung vordringen könnte. Als Ziel einer wissenschaftlichen Hausarbeit wird man daher nur gelegentlich neue mathematische Erkenntnisse erwarten können.

Dennoch ist es für einen Lehramtskandidaten von größter Bedeutung, daß er sich am Ende seines Studiums längere Zeit selbständig mit einer mathematischen Frage und den einschlägigen Monographien und Zeitschriftenarbeiten auseinandersetzt. Nur so kann ihm neben einer breiten mathematischen Allgemeinbildung auch ein Eindruck von den Möglichkeiten kreativer Erfahrung und den Erlebnissen eigener mathematischer Entdeckung vermittelt werden. Auch ist die Herausforderung, einmal längere und verzweigte mathematische Gedankengänge selbst anordnen und formulieren zu müssen, für einen künftigen Lehrer als Übung in wissenschaftlicher Methodik unerläßlich. Er wird dadurch zu einer vertieften Einsicht in die übliche systematische Darstellung der Mathematik geführt und wird leichter in der Lage sein, die für die Schule immer wieder nötige Transformation von der systematischen zu einer didaktisch angemessenen Darstellung vornehmen zu können.

Bei der Auswahl des Themas einer wissenschaftlichen Hausarbeit muß auf den mathematischen Erfahrungsbereich des Studenten Rücksicht genommen werden. Als Themen eignen sich daher besonders solche Fragestellungen, zu denen in einem Seminar die Grundlagen erarbeitet und Anregungen gegeben wurden oder die in mehreren Vorlesungen von verschiedenen Gesichtspunkten aus aufgetreten sind. Im Rahmen seiner im Studium erworbenen Fähigkeiten sollte der Student dabei möglichst selbständig arbeiten können.

Als weitere Anregungen für die Themenstellung einer wissenschaftlichen Hausarbeit seien genannt: Fragen, die den mathematischen Hintergrund der Schulmathematik betreffen oder sich daran anschließen;

Ausarbeitung nichttrivialer Modelle zu allgemeinen Sachverhalten;
Auffinden und Darstellen direkter Zugänge zu mathematischen Sachverhalten, die man üblicherweise nur als Spezialfälle allgemeiner Theorien kennenlernt;
Untersuchung verschiedener Darstellungen desselben Problemkreises auf den notwendigen Begriffsumfang, das Abstraktionsniveau und die fachlichen Voraussetzungen hin;
mathematische Fragestellungen aus Zweitfächern des Studenten (etwa Physik oder Biologie);
numerische Behandlung von konstruktiven Verfahren.
Gedanken zur fachdidaktischen Ausbildung von Lehramtskandidaten

Die mathematische Fachdidaktik behandelt Fragen der Vermittlung mathematischer Inhalte und Methoden im Unterricht unter Berücksichtigung des jeweiligen Adressatenkreises, etwa des Alters der Schüler und der Schulform. Hier soll vor allem auf die Rolle der Fachdidaktik in der Ausbildung von Gymnasiallehrern eingegangen werden. Für Realschullehrer gilt vieles entsprechend.

Damit der künftige Lehrer einen sachgerechten Mathematikunterricht erteilen kann, ist es erforderlich, daß ihm zuvor durch das Studium ein adäquates Bild der Mathematik vermittelt wird. Insbesondere sollte er die wesentlichen Inhalte und Methoden der der Schulmathematik zugrundeliegenden Gebiete und deren Stellung im Gesamtgefüge der Mathematik kennen. Dies ist eine wesentliche Grundlage für fachdidaktische Überlegungen und Entscheidungen für den späteren Unterricht. Aus diesem Grunde muß die fachdidaktische Ausbildung im direkten Zusammenhang mit dem Fach selbst stattfinden. Die Mathematikdidaktik darf daher an der Universität nicht mit anderen Fachdidaktiken oder mit anderen Fächern institutionell zusammengefaßt werden. Auch können allgemein-didaktische Ergebnisse meist - wenn überhaupt - erst nach entsprechender Transformation für die Mathematikdidaktik fruchtbar gemacht werden.

Wie schon in Teil I dargelegt, kann der mehr methodische Teil der Fachdidaktik an der Universität nicht eingehend behandelt werden, weil dafür als Voraussetzung längere eigene Unterrichtserfahrungen des Studenten nötig wären, die auch durch ein kurzes Praktikum nicht hinreichend gegeben sind. Methodische und unterrichtspraktische Fragen im engeren Sinn können also erst in der späteren Vorbereitungszeit (Referendarzeit) sinnvoll besprochen werden. Während der Universitätsausbildung können deshalb in der sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit im wesentlichen nur die mehr fachbezogenen Aspekte der Fachdidaktik angesprochen werden; dabei geht es vor allem um die Inhalte der Schulmathematik, also um Fragen der Stoffauswahl und -aufbereitung und um stoffdidaktische Analyse mit dem Ziel, mögliche Unterrichtsgänge mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen zu erörtern.

Fragen der Fachdidaktik (im weitesten Sinn) sollten aber nicht nur in fachdidaktischen Lehrveranstaltungen angesprochen werden, sondern auch immer dann, wenn sich in den mathematischen Lehrveranstaltungen Gelegenheit dazu bietet. Hierzu wurden in Teil I bereits verschiedene Hinweise gegeben.

Fachdidaktische Lehrveranstaltungen werden oft in engem Zusammenhang mit fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen stehen und können sich z. B. auf wichtige Teilgebiete der Schulmathematik wie Algebra und Geometrie der Unter- und Mittelstufe, lineare Algebra und analytische Geometrie, Analysis, numerische Mathematik oder Stochastik beziehen. Außer den in solchen Veranstaltungen naturgemäß anzusprechenden Fragen der Inhalte, Querverbindungen, Anwendungsmöglichkeiten, Motivationsmöglichkeiten, Plausibilitätsüberlegungen, Stufungen des Argumentationsniveaus und der Erörterung von möglichen Verständnisschwierigkeiten wird man auch auf die eine oder andere allgemeinere fachdidaktische Fragestellung eingehen, etwa auf verschiedene mathematische Denk- und Sprechweisen, auf Heuristik, problemorientiertes, genetisches oder axiomatisches Vorgehen, Modellbildung (Mathematisieren), auf Algorithmen zur Lösung von Problemen und Rechnereinsatz in der Schule oder auf historische Bezüge.

Andererseits können Lehrveranstaltungen so angelegt sein, daß sie umgekehrt von solchen übergreifenden Aspekten als Rahmenthemen ausgehen und diese Aspekte in verschiedenen mathematischen Gebieten verfolgen und untersuchen.

Studienorganisatorisch empfiehlt sich eine Einführung in eines der oben genannten Gebiete durch eine zwei- bis vierstündige Vorlesung (möglichst mit Übungen) und anschließend ein vertiefendes Seminar oder Proseminar. Allerdings wird sich der Student im Rahmen seines Studiums aus Zeitgründen höchstens mit zwei der genannten Gebiete fachdidaktisch beschäftigen können und zwar in aller Regel erst nach der Zwischenprüfung. Wie weit dabei schon unterrichtspraktische Gesichtspunkte (auch Unterrichtsmitschauen oder -besuche) einbezogen werden können, wird von den örtlichen Gegebenheiten abhängen.

Wesentlich für die Qualität der Lehrerausbildung wird es insgesamt sein, ein enges Zusammenwirken von fachlicher und fachdidaktischer Ausbildung zu erreichen. Der künftige Lehrer kann nur so in die Lage versetzt werden, Lehr pläne, Schulbücher und fachdidaktische Veröffentlichungen kritisch zu würdigen. In seinem Unterricht sollten die Schüler mathematische Arbeitsweise als Erarbeiten von Lösungen konkret gestellter Probleme erfahren können. Er sollte durch seinen Unterricht dazu beitragen, daß den Schülern ein ausgewogenes Bild der Mathematik vermittelt wird, in dem die vielfältigen Aspekte der Mathematik deutlich werden.

Anhang

Die vorangehenden Bemerkungen enthalten inhaltliche und einige studienorganisatorische Hinweise zum mathematischen Lehramtsstudium. Es kann nicht Aufgabe dieser Denkschrift sein, dazu auch einen Studienplan zu entwerfen. Dies liegt in der Kompetenz der einzelnen Fachbereiche.

In diesem Anhang wird lediglich versucht, an einem Rahmenmodell zu zeigen, wie etwa ein Lehramtsstudium unter Berücksichtigung der gegebenen Hinweise innerhalb der verfügbaren Studienzeit eines Lehramtskandidaten mit Mathematik als Hauptfach angelegt werden könnte. Die neben den einzelnen Lehrveranstaltungen in Klammern angegebenen Semesterwochenstundenzahlen sind als ungefähre Richtwerte einschließlich der Übungen zu verstehen.

 
Grundstudium

Analysis I, II, III (18)
Lineare Algebra und Geometrie I, II (12)
Stochastik oder Numerische Mathematik *) (6)
Proseminar (2) (38)

Bemerkung: Im Hinblick auf die in Teil II dargestellten Überlegungen wird für das Modell davon ausgegangen, daß die im Grundstudium aufgeführten Lehrveranstaltungen verbindlich sind. Dabei sollen in den Anfängervorlesungen Elemente der Algebra und Topologie an jeweils geeigneter Stelle mitberücksichtigt werden.

*)An dritter Stelle der Liste ist wahlweise Stochastik oder Numerische Mathematik genannt. Das Präsidium der DMV ist hierzu der Meinung, daß Stochastik verbindlich in die Studienpläne aufgenommen werden sollte, da dieses Gebiet inzwischen fester Bestandteil der meisten Schullehrpläne für die gymnasiale Oberstufe ist. Elemente der Numerischen Mathematik sollten und können an geeigneter Stelle in den Anfängervorlesungen behandelt werden.

 
Hauptstudium

Aus 3 oder 4 der 6 Gebiete

    Analysis
    Geometrie
    Algebra
    Numerische/Angewandte Mathematik
    Stochastik
    Mathematische Logik und Grundlagen der Mathematik

sind ca. 5 bis 6 Vorlesungen (mit Übungen) (25-30)
und zwei Seminare auszuwählen. (4)

Lehrveranstaltungen über Topologie können dabei sowohl zur Analysis wie auch zur Geometrie gerechnet werden.

Dazu kommen fachdidaktische Lehrveranstaltungen aus 2 Gebieten. (6-8) (35-42)

Bemerkung: Die Ausgestaltung des Hauptstudiums wird in den einzelnen Fachbereichen sehr unterschiedlich sein. Modifikationen dieses Modells sind insbesondere dann unvermeidlich, wenn in einzelnen Ländern verbindliche Rahmenvorgaben (etwa bezüglich der Prüfungsinhalte) bestehen oder zwischen erstem und zweitem Hauptfach Mathematik unterschieden wird.

Prof. Dr. H. Witting
Vorsitzender der DMV (1979)

Bezug dieser Denkschrift durch:

Geschäftsstelle der DMV
c/o WIAS
Mohrenstraße 39
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