Die beiden promoviertenMathematikerinnen wollen vor allem eines: Schüler für Mathematik begeistern. Für Bettermarks, Anbieter eines Online-Lernsystems für Mathematik, haben sie Lerninhalte für die Klassen 4 bis 10 konzipiert und für das Internet aufbereitet. Seit das Startup-Unternehmen sein Lern- und Lehrangebot auch im Ausland vermarktet, erarbeiten ihre Kollegen die Übungen, sie selbst prüfen die Inhalte, bevor sie online gehen. Katharina Skutella trägt inzwischen die Verantwortung für die didaktische Gesamtkonzeption. Kollegin Katja Kulas managt die Inhalte, damit alle zufrieden sind: Kunden ebenso wie Nutzer.

SkutellaKulasKatja Kulas und Katharina Skutella. Foto: Domenique Hopfgartner)

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Mathematik zu studieren?

Katja Kulas: Schon in der Schule hat mir das abstrakte Denken und konstruktive Vorgehen in der Mathematik Spaß gemacht. Dass ich dann tatsächlich Mathematik und nicht Musik – mein anderes Lieblingsfach – studiert habe, ist einem Zufall geschuldet: Die Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule fiel genau auf den Tag der mündlichen Abiturprüfung. Ich dachte, das muss Schicksal sein und schrieb mich für Wirtschaftsmathematik an der Technischen Universität Berlin ein.

Katharina Skutella: Auch mir hat Mathematik in der Schule sehr viel Spaß gemacht, trotzdem hatte ich zunächst vor, Geschichte zu studieren. Weil ich mir aber nicht vorstellen konnte, gar nichts mehr mit Mathematik zu tun zu haben, entschied ich mich am Ende doch für das Mathematikstudium. Ich habe in meiner Heimatstadt Bonn studiert, allerdings ohne ein genaues Berufsbild vor Augen zu haben. Lehrerin zu werden, daran habe ich damals nicht gedacht.

Ihre Leidenschaft für Mathematik hat Sie dann bis zur Promotion getragen. . .

Katharina Skutella: Ja, ich habe am Europäischen Graduiertenkolleg „Combinatorics, Geometry, and Computation“ in Berlin promoviert. In meiner Arbeit auf dem Gebiet der Diskreten Optimierung habe ich das klassische Flussmodell so erweitert, dass dynamische Prozesse wie beispielsweise Verkehrsflüsse genauer modelliert werden können. Also ein eher anwendungsorientiertes Thema.

Katja Kulas: Ich habe an der Technischen Universität Darmstadt promoviert und zwar über die Kombinatorik von tropischen Polytopen, eine theoretische Fragestellung aus der Diskreten Geometrie.

An Ihrem jetzigen Arbeitsplatz steht dagegen ganz die Vermittlung der Mathematik im Vordergrund . . .

Katja Kulas: Ja, als Content Product Owner, so mein offizieller Titel bei Bettermarks, bin ich für die Inhalte verantwortlich, die wir den Nutzern bieten. Ich bin direkt nach meiner Promotion im Oktober 2011 zu Bettermarks gekommen. In der Schule unterrichten, das wollte ich tatsächlich nie. Aber Mathematik-Aufgaben entwickeln, um Schüler beim Lernen und Lehrer beim Unterrichten zu unterstützen, das hat mich gereizt. Außerdem programmiere ich leidenschaftlich gern. Das kommt mir hier zugute, wenn es um die Umsetzung der Inhalte für das Internet geht.

Katharina Skutella: Ich bin nach der Promotion und zwei Berufsjahren in der Wirtschaft als Seiteneinsteigerin an die Schule gekommen, habe das Zweite Staatsexamen in Mathematik und Informatik abgelegt und in Dortmund an einem Gymnasium unterrichtet. Ich hätte mir auch vorstellen können, an der Schule zu bleiben, aber dann hat es mich aus privaten Gründen nach Berlin verschlagen. Ich bin hier aber nahe an der Schule dran geblieben. Für die Deutsche Mathematiker-Vereinigung habe ich mich um die Kooperation mit Schulen gekümmert und Projekte für Schüler, wie zum Beispiel den Online-Mathe-Adventskalender für die Mittelstufe, entwickelt. Seit 2010 bin ich bei Bettermarks.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Katharina Skutella: Als ich zu Bettermarks kam, bestand das Start-up-Unternehmen gerade mal zwei Jahre. Es ging zunächst darum, die Inhalte der Mathematik-Lehrpläne aller Bundesländer für die Plattform aufzuarbeiten. Deshalb habe ich mich zu Beginn selbst noch viel um die Inhalte gekümmert. Inzwischen bin ich für die gesamte Didaktik-Konzeption verantwortlich. Zu meinen Aufgaben gehört daher der Austausch mit Didaktik-Experten an Universitäten und die Begleitung der Evaluationen, die wir zusammen mit Schulen und Wissenschaftlern durchführen. Dieses Feedback ist uns sehr wichtig, denn wir wollen unser Produkt didaktisch immer weiterentwickeln. Außerdem vertrete ich das Konzept nach außen, gegenüber Kunden und Kooperationspartnern. Das können Schulen, Lehrer, Universitäten oder Bildungsbehörden, aber auch Unternehmen oder Verlage sein, nicht nur in Deutschland, auch im Ausland.

Katja Kulas: Als ich zu Bettermarks kam, war ich auch noch stärker an der Erarbeitung der Matheaufgaben beteiligt. Inzwischen bin ich als Teamleiterin dafür verantwortlich, einerseits die Anforderungen der Kunden aufzunehmen und andererseits dafür zu sorgen, dass die Inhalte der jeweiligen Lehrpläne nach den Standards von Bettermarks „verpackt“ werden.

Was heißt das genau?

Katharina Skutella: Zum einen gestalten wir die Aufgaben interaktiv, so dass Schüler die Elemente auf der Internetseite anfassen und bewegen können. Die Aufgaben sind grafisch ansprechend gestaltet, wir spielen viel mit Farben und legen Wert auf kurze und verständliche Texte. Andererseits heißt das, dass wir die Schüler beim Üben begleiten. Das System ist so programmiert, dass typische Fehler an den eingegebenen Lösungen erkannt und automatisch zusätzliches Wissen und Hinweise bereitgestellt werden. Außerdem bekommen Nutzer, wenn sie Aufgaben mehrmals rechnen, jedes Mal verschiedene Varianten angeboten. Wir wollen die Schüler immer wieder zum Mitdenken anregen.

Welche Tätigkeiten gefallen Ihnen besonders?

Katja Kulas: Ich übernehme vor allem die Managementaufgaben sehr gerne. Das Vermitteln und Koordinieren zwischen Anforderungen der Kunden, der Konzeption der Übungen und der Umsetzung im Team durch unsere Mathematiker, Programmierer und Grafiker. Am Ende bin ich dann dafür verantwortlich, dass alle mit dem Ergebnis zufrieden sind. Für das staatliche Bildungssystem in Uruguay haben wir beispielsweise die gesamten Inhalte von Bettermarks auf die dortigen Lehrpläne abgestimmt und ins Spanische übersetzt. Der südamerikanische Staat hat eine halbe Million Schüler mit Laptops ausgestattet, und Bettermarks ist dort seit Frühjahr 2013 die offizielle Lernplattform des öffentlichen Bildungssystems für das Fach Mathematik.

Katharina Skutella: Für mich ist es im Moment besonders spannend zu sehen, wie Mathematik in anderen Ländern vermittelt wird. In Uruguay ist das Vorgehen ganz ähnlich wie in Deutschland. In Indien, wo momentan ein Pilotprojekt läuft, stößt man zum Beispiel auf die vedische Mathematik. Sie umfasst eine Sammlung von Regeln, mit denen man bestimmte arithmetische Berechnungen beschleunigen kann. In Singapur verwenden die Schüler eine sehr anschauliche Methode, die „bar method“, um mehrschrittige Sachaufgaben zu visualisieren und zu lösen. Wir bekommen durch die Internationalisierung viele didaktische Impulse, insbesondere aus den Ländern, die in der Schulbildung schon stärker auf die Nutzung von Rechnern
umgestiegen sind.

Wird es in Zukunft mehr Jobs in dieser Branche geben?

Katharina Skutella: Davon gehe ich aus, denn der Bedarf steigt.

Was sollten junge Mathematikerinnen und Mathematiker mitbringen, die in dieses Berufsfeld einsteigen wollen?

Katja Kulas: Sie sollten aufgeschlossen sein und sich für die Idee begeistern, Kinder in der Mathematik voranzubringen.

Katharina Skutella: Die Ansprüche liegen weniger in der Mathematik selbst als vielmehr in dem, was drumherum passiert. Deshalb ist vor allem die Bereitschaft zur Teamarbeit gefragt. Das pädagogische Wissen kann man sich berufsbegleitend aneignen. Wir stoßen bei der täglichen Arbeit auch immer wieder auf mathematische Herausforderungen. Beispielsweise haben unsere Kollegen eine eigene Arbeitsoberfläche für Geometrieaufgaben kreiert und ein vereinfachtes Computeralgebrasystem entwickelt, eine Art Taschenrechner, der nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Variablen und Funktionen rechnet. Und was die Arbeit bei neu gegründeten Unternehmen wie Bettermarks besonders interessant macht: Man hat alle Möglichkeiten sich zu entwickeln. Wer gute Ideen einbringt, gewinnt schnell an Einfluss.

Nachtrag von 2023: Katharina Skutella arbeitet inzwischen als Referentin im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Das Gespräch führte Kristina Vaillant,
freie Journalistin in Berlin.
www.vaillant-texte.de