Es ist die Zeit ungewöhnlicher Koalitionen. Eine Zeit, in der ein Professor und ein Elftklässler als wissenschaftliches Autorenduo von sich reden machen. Auch thematisch ging es in der Publikation der beiden Leipziger Jochen Merker und Timo Hofmann wenig stromlinienförmig zu. Und doch: Ihr Beitrag zur Chaostheorie veranlasste die Jury des Ian Snook Preises im April 2018 zu einer "lobenden Erwähnung".

201806lypunocvProf. Jochen Merker (links) und Timo Hofmann. Foto: Robert Weinhold/HTWK Leipzig

Der in der internationalen Fachzeitschrift „Computational Methods in Science and Technology“ veröffentlichte Fachartikel war aus einer „Besonderen Lernleistung“ (BeLL) zum Thema „Chaotische Dynamik in Hamiltonschen Systemen“ entstanden, die Timo Hoffmann unter Betreuung von Prof. Jochen Merker erbracht hatte. Die gemeinsame Arbeit der beiden begann im Sommer 2017. Jeden zweiten Dienstag im Monat kommt der 17-jährige Schüler seitdem an die Hochschule, um gemeinsamen mit Merker – noch bis Ende des Schuljahres – an dem Thema zu tüfteln.

Dabei geht es um die Untersuchung chaotischer mechanischer Systeme mittels Methoden der angewandten Mathematik. Diese Methoden kann man unter anderem zur Stabilisierung von Systemen nutzen.
Chaos tritt in ganz unterschiedlichen Situationen auf, zum Beispiel bei der Bewegung eines Doppelpendels oder dreier Himmelskörper in der Mechanik, bei der Wettervorhersage in der Meteorologie oder beim Stop-and-Go im Feierabendverkehr. Gemeinsam haben diese Systeme, dass sie sensitiv auf Veränderungen reagieren, dass sich also beliebig nah beieinander liegende Zustände im Lauf der Zeit völlig unterschiedlich verhalten.

Ein Maß für das extreme Auseinanderdriften sind sogenannte Lyapunov-Exponenten. Die Zahlen geben an, wie stark zwei beliebig nah beieinander liegende Zustände einander im Lauf der Zeit abstoßen oder anziehen. Daraus kann man viele nützliche Größen berechnen, beispielsweise, wie viele Parameter mindestens zur Stabilisierung eines Systems gebraucht werden.

In ihrem Fachartikel diskutieren Merker und Hofmann, wie man ohne genaue Kenntnis des Langzeitverhaltens allein aufgrund lokaler Informationen Lyapunov-Exponenten berechnen kann, und weisen für den speziellen Fall mechanischer Systeme nach, dass mit einer Abstoßung von Zuständen auch immer eine Anziehung gleicher Stärke in einer anderen Richtung einhergeht. Diese Arbeit wurde von der Jury des Ian Snook Prize mit einer „Honorable Mention“ ausgezeichnet. Der eigentliche Preis ging an Kenichiro Aoki aus Japan, doch da die HTWK-Einreichung und seine nahezu gleichwertig waren, entschloss sich die Jury zu dieser Sonderform der Ehrung.

Hintergrund zum Ian Snook Prize
Der Preis wird seit 2013 jährlich für herausragende wissenschaftliche Beiträge zu einem Problem aus der angewandten Mathematik, Physik und Chemie ausgeschrieben. Er wird in Gedenken an den herausragenden australischen Physiker Ian Snook an eine Person oder ein Team vergeben und ist mit insgesamt 1.000 US-Dollar dotiert.
Ausrichter des Wettbewerbs sind das amerikanische Ehepaar Bill und Carol Hoover und die Polnische Akademie der Wissenschaften, vertreten durch das Poznań Supercomputing and Networking Center als Herausgeber von „Computational Methods in Science and Technology“ (CMST).

Literaturangaben:
prämierte Arbeit:
Timo Hofmann, Jochen Merker (2018): On Local Lyapunov Exponents of Chaotic Hamiltonian Systems, Computational Methods in Science and Technology (s. Link)


http://www.iansnook.com
http://cmst.eu/articles/on-local-lyapunov-exponents-of-chaotic-hamiltonian-systems/

Quelle: Presseinformation der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig vom 7.6.18, https://www.htwk-leipzig.de/no_cache/hochschule/aktuelles/newsdetail/artikel/1242/, editiert von Redaktion

 

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