Mathematikerinnen und Mathematiker in ganz Deutschland feiern im November 2018 Felix Hausdorff: Er war Mitbegründer der allgemeinen Topologie und lieferte grandiose Beiträge zur Mengenlehre, Maßtheorie, Funktionalanalysis und Algebra. Am 8. November vor 150 Jahren wurde er geboren.

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Quelle: wikimedia

Das nach ihm benannte Hausdorff Center of Mathematics in Bonn veranstaltet eine Gedenkveranstaltung am Donnerstag, den 8.11.2018, von 11 bis 17 Uhr. Die Eröffnungsrede wird vom Bonner Bürgermeister Reinhard Limbach gehalten. Ein Spaziergang zum Familiengrab der Hausdorffs wird um 12Uhr und nochmals um 14:30 stattfinden. Zusätzlich wird Ihnen als Gast dieser Veranstaltung ein Einblick in die gesammelten Werke Hausdorffs im Hausdorff Research Institute for Mathematics gewährt. Interesse? Mehr Informationen finden Sie hier (Fotos der Veranstaltung finden Sie im Anhang.)

Hausdorff als Mathematiker

Der Name Hausdorff findet sich vielfach in der Mathematik wieder. Hier eine kleine Auswahl:    Hausdorff-Raum, Hausdorff-Maß, Hausdorff-Dimension, Hausdorff-Konvergenz, Hausdorff-Metrik, Hausdorffs Maximal-kettensatz, Hausdorff-Trennungsaxiom, Hausdorff-Lücken, Hausdorff-Young-Ungleichung, Baker-Campbell-Hausdorff-Formel. An Hand seines Magnum Opus: „Grundzüge der Mengenlehre“ lässt sich gut verdeutlichen, welch ein Genie dieser Mann war. Es war das erste Lehrbuch, dass die gesamte Mengenlehre in diesem umfassenden Sinne systematisch und mit vollständigen Beweisen darstellte. Hausdorff war sich dessen bewusst, wie leicht der menschliche Geist auch beim Bemühen um Strenge und Wahrheit irren kann. So stellt er im Vorwort der Grundzüge in Aussicht:

   „… von dem menschlichen Privileg des Irrtums einen möglichst sparsamen Gebrauch zu machen.“

Dieses Buch ging weit über die meisterhafte Darstellung des Bekannten hinaus und war richtungsweisend für die Entwicklung der modernen Mathematik. Es enthielt eine Reihe bedeutender origineller Beiträge seines Verfassers, die im Folgenden nur kurz angedeutet werden können:

Eine ausführliche Mengenalgebra mit zum Teil neuen zukunftsweisenden Konzepten ist enthalten, die die künftige mathematische Sprache bereitstellt. Natürlich präsentiert Hausdorff die wichtigsten Ergebnisse seiner eigenen Forschungen über geordnete Mengen und entwickelt zu der systematischen Theorie der topologischen Räume auch grundlegende Konstruktionsverfahren. Er benannte die „metrischen Räume“ und entwickelte systematisch die Grundzüge ihrer Theorie und bereicherte sie durch eine Reihe neuer Konzepte. Auch das Kapitel über Abbildungen und das der Grundzüge über Maß- und Integrationstheorie bestechen durch die Allgemeinheit des eingenommenen Standpunktes und die Originalität der Darstellung. Hausdorffs dort gegebener Hinweis auf die Bedeutung der Maßtheorie für die Wahrscheinlichkeitsrechnung hatte große historische Wirkung.

Hausdorff als Philosoph

Unter dem Pseudonym Paul Mongré - à mon gré bedeutet: nach meinem Wunsch, wie es mir gefällt - wirkte er auch als philosophischer Schriftsteller und Literat. Als Mann mit vielseitigen Interessen, umfassend gebildet, hochsensibel und differenziert im Denken, Fühlen und Erleben, verkehrte er in seiner Leipziger Zeit mit einer Reihe bekannter Literaten, Künstler und Verleger wie Hermann Conradi, Richard Dehmel, Otto Erich Hartleben, Gustav Kirstein, Max Klinger, Max Reger und Frank Wedekind. Sein Aphorismenband von 1897 war das erste unter dem Pseudonym erschienene Werk Hausdorffs. Er trägt den Titel „Sant’ Ilario“ – „Gedanken aus der Landschaft Zarathustras“ und spielt auf die geistige Nähe zu Nietzsche an. Hausdorff hat nicht versucht, Nietzsche zu kopieren oder gar zu übertreffen. Er stellte sich vielmehr neben Nietzsche in dem Bestreben, individuelles Denken freizusetzen, sich die Freiheit zu nehmen, überkommene Normen in Frage zu stellen. Seinen eigenen kritischen Maßstab leitete Hausdorff direkt von Nietzsche her,

    „von dem gütigen, maßvollen, verstehenden Freigeist Nietzsche und von dem kühlen, dogmenfreien, systemlosen Skeptiker Nietzsche […]“

Die Jahre 1897 bis etwa 1904 markieren den Höhepunkt seines literarisch-philosophischen Schaffens; in dieser Zeit erschienen 18 der insgesamt 22 unter Pseudonym veröffentlichten Schriften.

Hausdorffs Leben

Der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie war bereits in jungen Jahren Klassenprimus. Seine Studienfachwahl wäre auf Musik gefallen, hätte er dem Andrang seines Vaters nicht nachgegeben. So studierte er Mathematik und Astronomie in Leipzig, zeigte aber darüber hinaus vielseitiges Interesse an Physik, Chemie, Geographie, Philosophie und Philosophiegeschichte sowie an Themen der Sprach-, Literatur- und Sozialwissenschaften. Mit der Habilitation wurde Hausdorff Privatdozent an der Universität Leipzig und begann eine umfangreiche Lehrtätigkeit in den verschiedensten mathematischen Gebieten. Der unverhüllte Antisemitismus, der im gesamten Deutschen Reich einen starken Aufschwung genommen hatte, zentrierte sich in Leipzig, insbesondere auch unter der Studentenschaft. Es mag dies ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Hausdorff an der Leipziger Universität nicht besonders wohl fühlte. 1910 wurde Hausdorff als planmäßiger Extraordinarius an die Universität Bonn berufen. Seine Vorlesung über Mengenlehre, überarbeitete er wesentlich im Sommersemester 1912 (hier begann auch die Arbeit an seinem Buch „Grundzüge der Mengenlehre“). Von 1913 bis 1921 war Hausdorff Ordinarius an der Universität Greifswald und 1921 wurde er wieder nach Bonn berufen. Der Antisemitismus wurde mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Staatsdoktrin. Seine Verbeamtung seit 1914 schützte ihn vor der Emeritierung bis zum 31. März 1935. Ein Wort des Dankes für 40 Jahre erfolgreiche Arbeit im deutschen Hochschulwesen fanden die damals Verantwortlichen nicht. Der Nachlass Hausdorffs zeigt, dass er in den immer schwieriger werdenden Zeiten ständig mathematisch arbeitete und die aktuelle Entwicklung auf den ihn interessierenden Gebieten zu verfolgen suchte. Hierführ erhielt er unterstützung von Erich Bessel-Hagen. Mitte 1941 wurde damit begonnen, die Bonner Juden in das Kloster „Zur ewigen Anbetung“ zu deportieren. Von dort erfolgten später die Transporte in die Vernichtungslager. Nachdem Felix Hausdorff, seine Frau und ihre Schwester den Befehl erhalten hatten, in das Lager überzusiedeln, schieden sie gemeinsam am 26. Januar 1942 durch Einnahme einer Überdosis Veronal aus dem Leben. Ihre letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn. Seinen handschriftlichen Nachlass übergab er zwischen der Bestellung ins Zwischenlager und der Selbsttötung dem Ägyptologen und Presbyter Hans Bonnet, der diesen trotz Zerstörung seines Hauses durch einen Bombentreffer weitestgehend retten konnte.

Lange galt der Abschiedsbrief von Felix Hausdorff im großen Archiv des Universitätsmuseums der Uni Bonn als unauffindbar. Erst vor 10 Jahren wurde er wiederentdeckt, wie die Universität Bonn damals mitteilte: Auf den Spuren von Felix Hausdorf

In diesem Artikel wurde nur ein Bruchteil des facettenreichen Lebens Felix Hausdorffs angeschnitten. Für genauer Interessierte möchten wir die neu erschienene Biographie „Felix Hausdorff – Gesammelte Werke Band IB“ (2018) empfehlen. Das Buch ist die erste sehr ausführliche Biographie dieses außergewöhnlichen Menschen und Wissenschaftlers. Es zeichnet seine Lebensgeschichte und seine Beziehungen zu bedeutenden Mathematikern, Philosophen, Literaten und Künstlern nach und behandelt sein tragisches Schicksal unter der nationalsozialistischen Diktatur. Es enthält einen umfangreichen Abbildungsteil und zahlreiche Zitate aus Briefen und anderen Originaldokumenten (erschienen im Springer-Verlag).

Mina-Anina Ahmadi

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Felix_Hausdorff
Bilquelle der Startseite: hcm.uni-bonn.de

 Hier ein kleiner Einblick zur Gedenkveranstaltung in Bonn (Fotos von Amini-Bashiri)

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