Wie kommt das neue in die Welt?
„Fräulein Dr. Emmy Noether hat sich als Privatdozentin in der Mathematik an der Universität Göttingen habilitiert." Diese Notiz im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung von 1919 setzte den Schlussakkord unter einen vier Jahre dauernden Prozess des zähen Ringens um die Habilitation Emmy Noethers (1882- 1935). Es hatte dreier Anläufe, zweier Habilitationsschriften und einer Revolution bedurft, bevor dem Antrag der Göttinger Universität auf Habilitation Noethers vom preußischen Kultusministerium stattgegeben wurde. Es ist die erste Habilitation einer Frau in Preußen, das erste Mal, dass eine Mathematikerin in Deutschland habilitiert wurde", schreibt Dr. Mechthild Koreuber, Zentrale Frauenbeauftragte der Freien Universität Berlin, in Ihrer Einleitung des Wissenschaftlerinnen-Rundbriefs der Freien Universität Berlin, der Anfang Juni 2019 pünktlich zur Konferenz „Wie kommt das Neue in die Welt?" erschien. Anlass war das 100-jährige Jubiläum der Antrittsvorlesung Emmy Noethers in der Mathematik an der Universität Göttingen.
Ausgerichtet wurde die interdisziplinäre Fachkonferenz von der Zentralen Frauenbeauftragten der Freien Universität Berlin, Dr. Mechthild Koreuber, dem Berliner Exzellenzcluster MATH+ und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte.
„Wie kommt das Neue in die Welt?", fragten die Organisator_innen und loteten auf der Konferenz vom 3. bis 5. Juni aus mathematischer, physikalischer, wissenschaftstheoretischer und historischer Perspektive die Bedeutung Noethers bis in die Gegenwart aus und fragten, ganz allgemein, nach den Möglichkeiten von Veränderungen, seien sie wissenschaftlicher oder gesellschaftlicher Natur.
Dabei nahm die Konferenz Diskriminierungsmechanismen in den Blick, mit denen Emmy Noether als Frau jüdischer Herkunft im deutschen Wissenschaftssystem konfrontiert war, und fragte weitergehend nach der Vergeschlechtlichung der Mathematik wie auch der Universität damals und heute.Ganz im Sinne Noethers setzte die Konferenz auf die Offenheit gegenüber unbekannten Denkweisen und die Bereitschaft, tradierte akademische und gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, um Neues in die Welt zu bringen.
"Der hindernisreiche Weg der Mathematikerin, die auch nach ihrer Habilitation im akademischen System marginalisiert wurde, veranschaulicht exemplarisch die androzentrische Verfasstheit der Bildungsinstitution Universität", resümiert Koreuber. Wie andere jüdische Wissenschaftlerinnen verfolgte Noether ihren Erkenntnisdrang ungeachtet gesellschaftlicher Diskriminierung und Marginalisierung. Trotz aller Hürden gelang es ihr, eine eigene mathematische Schule aufzubauen und neue grundlegende Wissensvorstellungen zu etablieren.
Zum wissenschaftlichen Komitee zählten:
- Dr. Mechthild Koreuber (Zentrale Frauenbeauftragte der Freien Universität Berlin)
- Prof. Dr. Jürgen Renn (Geschichte der Physik, Direktor des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte)
- Prof. Dr. David Rowe (Geschichte der Mathematik, Universität Mainz)
- Prof. Dr. Christof Schütte, Mathematik, Freie Universität Berlin, Direktor des Zuse-Instituts Berlin, Co-Sprecher des Clusters MATH+)
- Prof. Dr. Bettina Wahrig, Geschichte der Naturwissenschaften und Pharmazie, TU Braunschweig und Präsidentin der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte
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