Die Geschichte der NASA ist auch eine Geschichte großer Mathematikerinnen. Wissenschaftlerinnen wie Margaret Hamilton, Frances „Poppy“ Northcut und Katherine Johnson gelang es, sich trotz aller Widerstände in jener Männerdomäne durch bahnbrechende Pionierleistungen hervorzutun und in die Annalen der Luft- und Raumfahrt einzugehen. Eine von ihnen, Katherine Johnson, ist am 24. Februar dieses Jahres gestorben. Sie wurde 101 Jahre alt.

Geboren als Katherine Coleman und aufgewachsen in der Kleisntadt White Sulfur Spring in West Virginia zeigte sich schon früh ihre außerordentliche mathematische Begabung; sie übersprang zwei Klassen, sodass sie bereits im Alter von 14 Jahren das West Virginia College besuchte und schließlich mit 18 Jahren den Abschluss Bachelor of Science in Mathematik und Französisch erlangte. Nachdem sie – wie ihre Mutter – einige Zeit als Lehrerin tätig gewesen war, fing sie an, beim National Committee for Aeronautics, der Vorgängerorganisation der NASA, als Rechnerin zu arbeiten.

R_1966-L-06717 001Katherine Johnson in ihrem Büro bei der NASA, 1966

Foto: Freie Lizenz

Als einzige der beim NACA und der frühen NASA angestellten Rechnerinnen, die Johnson scherzhaft „Computer mit Röcken“ nannte, nahm sie regelmäßig auch an Briefings und Konferenzen teil und wurde, vor allem durch ihre Kenntnisse in der analytischen Geometrie, schnell unentbehrlich für ihre männlichen Kollegen. Sie war eine der federführenden Figuren in der Entwicklung des Mercury-Programm, dem ersten Weltraumprogramm für bemannte Raumfahrt der NASA und hatte somit entscheidenden Anteil am Erfolg der Mercury-Redstone-3-Mission, bei der der Astronaut Alan Shephard als erster US-Amerikaner und zweiter Mensch überhaupt in den Weltraum flog.

Auch während der Apollo-Missionen blieb Johnson wichtige Mitarbeiterin des Entwicklerteams der NASA. Insbesondere die spektakuläre Rettung der Crew der Apollo-13-Mission war wesentlich Johnsons Berechnungen zu verdanken. Darüber hinaus wirkte sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1986 an der ersten Phase des Space-Shuttle-Programms mit.

Das Leben der Afroamerikanerin Johnson war von der rassistischen Diskriminierung zur Zeit der Rassentrennung geprägt. Da es in ihrer Heimatstadt keine Highschool für schwarze Schülerinnen und Schüler gab, war sie gezwungen, die zweihundert Kilometer entfernte Highschool des West Virginia Colleges zu besuchen. Später beim NACA musste sie zunächst in einem von ihren weißen Kolleginnen und Kollegen getrennten Büro arbeiten.

Ihre wissenschaftlichen Leistungen fanden außerhalb der NASA erst sehr spät Beachtung. Erst im Jahr 1998 wurde ihr eine Ehrendoktorwürde der State University of New York, Farmingdale, zuteil. 2015, und damit mehr als 60 Jahre nach dem Mercury-Programm, verlieh US-Präsident Barack Obama der damals 96-jährigen die Presidential Medal of Freedom, eine der beiden höchsten zivilen Auszeichnungen der USA.

Johnsons Wirken (und das der ebenfalls schwarzen Wissenschaftlerinnen Dorothy Vaughan und Mary Jackson) bei der NASA wurde 2016 unter dem Titel „Hidden Figures“ vom Regisseur Theodore Melfi verfilmt. Als Vorlage diente das gleichnamige Buch von Margot Lee Shetterly. „Hidden Figures“ wurde bei der Oscarverleihung 2017 dreimal nominiert, unter anderem in der Kategorie „Bester Film“.

Zu ihrem 100. Geburtstag erschien 2018 in den Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (Band 26, Heft 2-3) ein Artikel über Katherine Johnson von der Autorin Kristina Vaillant. Der Artikel ist hier einsehbar.

Johnson hinterließ drei Töchter aus erster Ehe.

Konrad Krug

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