Diesen November wäre wäre die russisch-sowjetische Mathematikerin Wera Kublanowskaja 100 Jahre alt geworden: Sie erblickte am 21. November 1920 in dem Dorf Krokino bei Belosersk, Nordwestrussland, das Licht der Welt. Als Bauerntochter mit neun Geschwistern geboren, studierte sie 1939 Grundschullehramt am Pädagogischen Institut Gertzen in Leningrad (St. Petersburg), wo sie unter anderem von den Mathematikern Dmitri Konstantinowitsch Faddejew und Gregor Michailowitsch Fichtenholz gefördert wurde.
Während des zweiten Weltkriegs bekleidete sie in ihrem Heimatort Krokino eine Stelle als Lehrerin und Politruk, wie die für Partei- und Staatspropaganda zuständigen Politikoffiziere in der Sowjetunion genannt wurden.
Auf die Empfehlung Faddejews hin begann sie 1945 ein Mathematikstudium an der Staatlichen Universität Leningrad, das sie 1948 abschloss. Nach ihrem Abschluss trat sie in die Leningrader Abteilung des renommierten Steklow-Instituts der Akademie der Wissenschaften der UdSSR ein, der sie 64 Jahre lang angehörte.
Dort beschäftigte sie sich zunächst bis 1955 unter Leitung von Leonid Kantorowitsch mit geheimen numerischen Berechnungen zu Kernreaktoren. Die Arbeit hatte zur Folge, dass sie lange Zeit nicht ins Ausland reisen konnte. Neben ihrer geheimen Forschungsarbeit schrieb sie ihre Dissertation und wurde 1955 promoviert (Die Anwendung der analytischen Fortsetzung in numerischen Methoden der Analysis).
Von 1955 an arbeitete Kublanowskaja unter anderem mit Wera Faddejewa, der Gattin ihres Förderers Dimitri Faddejews, an der Programmiersprache Prorab, die speziell für Probleme aus der linearen Algebra, wie dem Zerlegen von Matrizen in einfachere Bausteine oder dem Berechnen von Eigenwerten und Eigenvektoren erdacht wurde. In dieser Zeit entdeckte sie (unabhängig von dem Briten John G. F. Francis) den QR-Algorithmus zur Effizienten Berechnung von Eigenwerten, siehe unten. Ihre Habilitation von 1972 trug den Titel Die Verwendung orthogonaler Transformationen zur Lösung von Problemen in der Algebra.
Sie starb 2012 im Alter von 91 Jahren.
Bei einer Matrixmultiplikation ändert ein Vektor für gewöhnlich seine Richtung. Tut er das nicht, sondern wird von der Matrix nur gestreckt oder gestaucht, so nennt man diesen Vektor Eigenvektor und den zugehörigen Streck- oder Stauchfaktor Eigenwert der Matrix. Eigenwerte (und Eigenvektoren) sind wichtige Kenngrößen von Matrizen und treten in zahllosen Anwendungen sowohl in der theoretischen als auch in der angewandten Mathematik auf. Der von Kublanowskaja erdachte QR-Algorithmus zur Bestimmung der Eigenwerte einer Matrix zielt darauf ab, auf eine gegebene Matrix auf geschickte Art und Weise Drehmatrizen (mit „Q“ bezeichnet) anzuwenden, und zwar derart, dass eine obere Dreiecksmatrix (mit „R“ bezeichnet) entsteht. Dreiecksmatrizen, also Matrizen, bei denen alle Einträge unterhalb der Hauptdiagonalen Null sind, haben viele angenehme Eigenschaften: Ihre Eigenwerte sind zum Beispiel nichts anderes als ihre Diagonalelemente. Da Drehungen die Eigenwerte einer Matrix nicht ändern, hat man mit dieser Methode nicht nur die Eigenwerte der oberen Dreiecksmatrix, sondern auch jene der ursprünglichen Matrix gefunden.