Ein bestimmter Vorschlag wird abgelehnt. Ein bestimmter Tatbestand ist nicht gegeben. Die Wahrheitsfrage bezogen auf eine bestimmte Behauptung wird negativ beantwortet. Die Negation einer Aussage brauchen wir, wenn wir einem bestimmten Irrtum respektive Lüge entgegentreten. Viele Signalwörter für die Negation stehen zur Verfügung: anders, ausgenommen, ausgeschlossen, außer, Einspruch, Einwand, fälschlich, falsch, Fehlanzeige, Fehler, frei von, Gegensatz, Gegenteil, gelogen, genauso wenig, Illusion, irreführend, irrig, Irrtum, kein, keinesfalls, keineswegs, Lüge, mitnichten, nein, nicht, nichts, nie, niemals, niemand, nimmer, nirgends, nirgendwo, ohne, Täuschung, ungültig, unmöglich, unwahr, unwirklich, Verbot, vermeintlich, weder / noch, widerlegt, Widerspruch, wohl kaum. Manchmal fehlt bei einer Negation das verneinende Signalwort.

Beispiel


A: Eine bestimmte rechteckige Türe hat eine Höhe von 2,00 m.
eine konkrete Negation von A: Das betreffende Maß ist 2,15 m.


Definition: Die „abstrakte Negation“ der gewöhnlichen Aussage A ist diejenige Aussage, welche A verneint, ohne dass irgendeine zusätzliche Information gegeben wird. – Für die abstrakte Negation von A schreibt man kurz: (nicht A). Es gilt die heuristische Regel: Je kleiner der logische Gehalt der gewöhnlichen Aussage A ist, desto größer ist der logische Gehalt von (nicht A) (siehe unten die Sätze von De Morgan, die vier Verneinungssätze der Prädikatenlogik, den Satz von der doppelten Verneinung und den Kontrapositionssatz mit Anwendung auf einen Kettenschluss).

Beispiel


A: Am 11.08.1999 gab es auf dem Planeten Erde eine totale Sonnenfinsternis. (wahr)
(nicht A) als Kurzantwort: Nein.
(nicht A): Am 11.08.1999 gab es auf dem Planeten Erde keine totale Sonnenfinsternis.
(unwahr)


Die Sätze von De Morgan: Für alle gewöhnlichen Aussagen A und B gelten die beiden nachstehenden Feststellungen der Äquivalenz:

(1) [nicht (A und B)] ist äquivalent mit [(nicht A) oder (nicht B)]
(2) [nicht (A oder B)] ist äquivalent mit [(nicht A) und (nicht B)]


Auf den logischen Gehalt der Aussagen A und B kommt es hier nicht an. Die Feststellungen (1) und (2) sind also allgemeingültig. Folglich besitzt die abstrakte Negation einer Konjunktion den logischen Status einer Adjunktion und die abstrakte Negation einer Adjunktion den logischen Status einer Konjunktion.


Definition: Mit Ausnahme der abstrakten Negation von A sind alle Aussagen, die der gewöhnlichen Aussage A widersprechen, „konkrete Negationen“ der Aussage A. – Man kann das Prädikat verneinen, das Subjekt, das Akkusativ-Objekt, das Dativ-Objekt, eine bestimmte Eigenschaft, den besitzanzeigenden Hinweis, den räumlichen Bezug, den zeitlichen Bezug, das Mittel, den Zweck und die Zahl. Durch den Vergleich einer bestimmten konkreten Negation NA mit der Aussage A wird deutlich, in welcher Einzelheit der Widerspruch liegt. Aus jeder beliebigen konkreten Negation der Aussage A folgt die abstrakte Negation (nicht A), aber nicht umgekehrt. Der logische Gehalt von (nicht A) ist also kleiner als der logische Gehalt jeder beliebigen konkreten Negation der Aussage A. Ist die Aussage B eine Implikation der Aussage A, welche nicht äquivalent ist mit A, so ist (nicht B) eine konkrete Negation von A.

Beispiel


A: Anton Huber ist am 23.11.2004 in Augsburg mit einem Mercedes 200 E (amtliches
Kennzeichen: A - K 1993) auf den stehenden Opel Astra von Maria Schmid aufgefahren.

konkrete Negationen von A:

 

N1: Bei dem betreffenden Unfall war nicht Anton Huber der Fahrer des ersten PKW, sondern Max Huber.
N2: Der betreffende Unfall ist nicht am 23.11.2004 passiert, sondern am 23.10.2004.
N3: Der betreffende Unfall ist nicht in Augsburg passiert, sondern in Ulm.
N4: Bei dem betreffenden Unfall war der erste PKW kein Mercedes 200 E, sondern ein VW Passat.
N5: Das amtliche Kennzeichen des ersten PKW war nicht A-K 1993, sondern A-KM 1993.
N6: Der zweite an dem betreffenden Unfall beteiligte PKW war kein Opel Astra, sondern ein Ford-Modell.
N7: Der zweite PKW ist zum Zeitpunkt des betreffenden Unfalls nicht gestanden, sondern vorwärts gerollt.
N8: Nicht Maria Schmid war zum Zeitpunkt des betreffenden Unfalls die Halterin des zweiten PKW, sondern der Ehegatte.
N9: Der Fahrer des ersten PKW ist bei dem betreffenden Unfall nicht auf den zweiten, sondern Maria Schmid ist beim Rückwärtsfahren auf den stehenden
Mercedes aufgefahren.
N10: Anton Huber hatte am 23.11.2004 keinen Autounfall.undSowohl der Mercedes 200 E mit dem amtlichen Kennzeichen A - K 1993 als auch der Opel Astra von Maria Schmid ist bis zur Verschrottung unfallfrei gefahren worden. – Hier handelt es sich um die totale Nichtübereinstimmung der Aussage A und der konkreten Negation N10.

 

die abstrakte Negation von A:
(nicht A) ist äquivalent mit der Adjunktion
(N1 oderN2 oderN3 oderN4 oderN5 oderN6 oderN7 oderN8 oderN9)
unter Weglassung von „sondern ...“.


Nach den Sätzen von De Morgan besitzt hier die abstrakte Negation von A den logischen Status einer Adjunktion. Denn die Aussage A kann als Konjunktion dargestellt werden. Das Formular für den Unfallbericht hat den Zweck, den betreffenden Unfall übersichtlich und vollständig als Konjunktion zu dokumentieren:

A ist äquivalent mit der Konjunktion

[(1) Bei dem betreffenden Unfall war Anton Huber der Fahrer des ersten PKW.
und(2) Der betreffende Unfall ist am 23.11.2004 passiert.
und(3) Der betreffende Unfall ist in Augsburg passiert.
und(4) Bei dem betreffenden Unfall war der erste PKW ein Mercedes 200 E.
und(5) Das amtliche Kennzeichen des ersten PKW war A - K 1993.
und(6) Der zweite an dem betreffenden Unfall beteiligte PKW war ein Opel Astra.
und(7) Der zweite PKW ist zum Zeitpunkt des betreffenden Unfalls gestanden.
und(8) Maria Schmid war zum Zeitpunkt des betreffenden Unfalls die Halterin des zweiten PKW.
und(9) Der Fahrer des ersten PKW ist bei dem betreffenden Unfall auf den zweiten PKW aufgefahren.].

Bei der Anwendung der Sätze von De Morgan muss man beachten, dass die Aussage N1 „Bei dem betreffenden Unfall war nicht Anton Huber der Fahrer des ersten PKW.“ zwar eine konkrete Negation der Aussage A ist, aber die abstrakte Negation von (1) „Bei dem betreffenden Unfall war Anton Huber der Fahrer des ersten PKW.“.


Sehr oft ist die abstrakte Negation respektive eine bestimmte konkrete Negation der gewöhnlichen Aussage A mehrdeutig. Als Adjunktion beziehungsweise Feststellung einer Kontravalenz ist die Negation in diesem Fall meistens eine schwache Aussage. In diesem Fall wird durch die Angabe einer bestimmten Möglichkeit die Negation eindeutig und zu einer starken Aussage. Durch die Ergänzung „sondern ...“ wird aus der abstrakten Negation eine konkrete Negation und die abstrakte Negation wird mit einer Begründung bekräftigt. Denn für alle gewöhnlichen Aussagen A gilt der Satz über die Negation: Aus einer beliebigen konkreten Negation der gewöhnlichen Aussage A folgt deren abstrakte Negation. – Nach dem Satz über Wahrheitsfeststellungen ist der betreffende Lehrsatz äquivalent mit < Für alle konkreten Negationen der gewöhnlichen Aussage A gilt: Aus „Eine bestimmte konkrete Negation NA ist wahr.“ folgt „(nicht A) ist wahr.“. >. – Nach dem Kontrapositionssatz und dem Satz von der doppelten Verneinung (siehe unten) gilt die allgemeingültige Feststellung: Aus der gewöhnlichen Aussage A folgt die abstrakte Negation jeder beliebigen konkreten Negation von A.

Beispiel


A: Am 30.06.2004 war Kathrin Müller 16 Jahre alt.

A ist eine starke Aussage.


(nicht A): Kathrin Müller war am 30.06.2004 nicht 16 Jahre alt.

(nicht A) ist die Feststellung einer Kontravalenz mit ca. 122 Möglichkeiten,
eine schwache Aussage.


Eine konkrete Negation von A ist N1: Am 30.06.2004 war Kathrin Müller 18 Jahre alt.

N1 ist eine starke Aussage.

(nicht N1): Am 30.06.2004 war Kathrin Müller nicht 18 Jahre alt.

(nicht N1) ist eine schwache Aussage.
(1) Aus N1 folgt (nicht A).
(2) Aus A folgt (nicht N1).


Der Satz von der doppelten Verneinung: Die gewöhnliche Aussage A ist äquivalent mit der abstrakten Negation von (nicht A).

(3) A ist äquivalent mit [nicht (nicht A)].



Aus diesem Axiom der Logik ergibt sich ein Kriterium für die abstrakte Negation: Die abstrakte Negation der gewöhnlichen Aussage A erkennt man daran, dass die Aussage A äquivalent ist mit der abstrakten Negation von (nicht A).

Beispiel


A: In jedem Rechteck sind die Diagonalen gleich lang.

A ist eine starke Aussage.

B: Es gibt ein Rechteck, bei dem die Diagonalen nicht gleich lang sind.

B widerspricht A und ist eine schwache Aussage.
Ist die Aussage B die abstrakte Negation von A ?

(nicht B): Es gibt kein Rechteck, bei dem die Diagonalen nicht gleich lang sind.

(nicht B) ist eine starke Aussage und äquivalent mit A.
Die Aussage B ist also die abstrakte Negation von A.


Der Kontrapositionssatz: Die Schlussfolgerung „Aus A folgt B.“ ist äquivalent mit „Aus (nicht B) folgt (nicht A).“, wobei A und B beliebige gewöhnliche Aussagen sind. – Im Beispiel für den indirekten Beweis (siehe unten) wird bei den Schlussfolgerungen [Aus (4) folgt (5).] und [Aus (8) folgt (9)] der Kontrapositionssatz angewandt: (Aus „Die ganze Zahl a ist nicht durch 2 teilbar.“ folgt „Die Quadratzahl a2 ist nicht durch 2 teilbar.“.) ist äquivalent mit (Aus „Die Quadratzahl a2 ist durch 2 teilbar.“ folgt „Die ganze Zahl a ist durch 2 teilbar.“.) – Sechste Anwendung der Logik in der Wissenschaft: Um einen Trugschluss aufzudecken, kann man den Kontrapositionssatz anwenden.

Beispiel


A: Fritz Meier hat bei der Ausspielung am 15.12.2007 drei Millionen Euro im Lotto
gewonnen.
B: Fritz Meier hat für die Lotto-Ausspielung am 15.12.2007 einen Tipp abgegeben.
(nicht B): Fritz Meier hat für die Lotto-Ausspielung am 15.12.2007 keinen Tipp abgegeben.
(nicht A): Fritz Meier hat bei der Ausspielung am 15.12.2007 keine drei Millionen Euro im
Lotto gewonnen.

Die Schlussfolgerungen [Aus A folgt B.] und [Aus (nicht B) folgt (nicht A).] sind zwar äquivalent, aber beide ungültig. Fritz Meier könnte im Rahmen einer Tipp-Gemeinschaft vom Tipp einer anderen Person profitiert haben.


Bei der Anwendung des Kontrapositionssatzes muss man genau hinschauen, sonst fällt man auf einen anderen Trugschluss herein: Aus „Die Implikation (C => D) ist gegeben.“ folgt nicht „Die Implikation [(nicht C) => (nicht D)] ist gegeben.“. Nach dem Kontrapositionssatz ist „[(nicht C) => (nicht D)] ist gegeben.“ äquivalent mit „(D => C) ist gegeben.“. Beide Schlussfolgerungen sind aber ungültig, wenn die Aussagen C und D nicht äquivalent sind. Denn die Umkehrung der Deduktionsrichtung ist nur erlaubt, wenn die Aussagen C und D äquivalent sind. Deshalb muss jedem brauchbaren Kriterium eine allgemeine Äquivalenz zu Grunde liegen.

Beispiel


Der Kongruenzsatz sss liefert ein Kriterium für die Kongruenz von Dreiecken:
Die Kongruenz von zwei Dreiecken erkennt man daran,
dass sie in den drei Seitenmaßen übereinstimmen.

D: Das Dreieck ABC und das Dreieck FGH sind kongruent. (relationale Eigenschaft)
E: Die Dreiecke ABC und FGH stimmen in den drei Seitenmaßen überein. (Kriterium)
Die Aussagen D und E sind äquivalent für alle Paare von Dreiecken (allgemeine Äquivalenz).

1. Fall: Beide Dreiecke haben die Seitenmaße: 5,7 cm, 6,5 cm und 8,0 cm. Das Kriterium E ist erfüllt. Also sind die betreffenden Dreiecke kongruent.

2. Fall: Das Dreieck ABC hat die Seitenmaße: 5,7 cm, 6,5 cm und 8,0 cm. Das Dreieck KLM hat die Seitenmaße: 5,7 cm, 7,2 cm und 8,0 cm. Das Kriterium E ist nicht erfüllt. Also sind die betreffenden Dreiecke nicht kongruent.


Der Satz über die Negation äquivalenter Aussagen: Die Feststellung, dass die Aussage D äquivalent ist mit E, ist gleichbedeutend mit „Die abstrakte Negation von D äquivalent ist mit (nicht E).“. – Mit Hilfe des Kriteriums für die Äquivalenz und des Kontrapositionssatzes kann man den betreffenden Lehrsatz beweisen.

Beispiel


D: Das Dreieck ABC und das Dreieck FGH sind kongruent.
E: Die Dreiecke ABC und FGH stimmen in den drei Seitenmaßen überein.
(nicht D): Das Dreieck ABC und das Dreieck FGH sind nicht kongruent.
(nicht E): Die Dreiecke ABC und FGH stimmen in mindestens einem der Seitenmaße nicht überein.

„[D <=> E] ist gegeben.“ ist äquivalent mit „[(nicht D) <=> (nicht E)] ist gegeben.“.



Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch: Aus „Die gewöhnlichen Aussagen A und B widersprechen sich.“ folgt (A ist unwahr. oder B ist unwahr.). – Die gewöhnliche Aussage A und die Aussage (nicht A) können nicht einmal beide unwahr sein. Denn entweder ist die Aussage A unwahr oder (nicht A). Demgegenüber besteht die Möglichkeit, dass die gewöhnliche Aussage A und eine bestimmte konkrete Negation NA beide unwahr sind. Die abstrakte Negation einer bestimmten Vermutung hat ebenfalls den logischen Status einer Vermutung. Eine konkrete Negation einer bestimmten Vermutung führt zu einer Klärung der Wahrheitsfrage, wenn diese nachweislich wahr ist (eine Widerlegung der Vermutung). Für alle gewöhnlichen Aussagen A gelten die Feststellungen (1) bis (6):

(1) „A ist wahr.“ ist äquivalent mit „(nicht A) ist unwahr.“.
(2) „A ist unwahr.“ ist äquivalent mit „(nicht A) ist wahr.“.
(3) Aus „A ist wahr.“ folgt „NA ist unwahr.“.
(4) Aus „NA ist wahr.“ folgt „A ist unwahr.“.
(5) Aus „NA ist unwahr.“ folgt nicht „A ist wahr.“.
(6) Aus „A ist unwahr.“ folgt nicht „NA ist wahr.“.


Der Satz über den indirekten Beweis ist ein Axiom der Logik: Die Feststellung „A ist wahr.“ ist äquivalent mit „(nicht A) ist unwahr.“, wobei A eine beliebige gewöhnliche Aussage ist. – Ein indirekter Beweis ist ein Wahrheitsbeweis: Die abstrakte Negation eines bestimmten Lehrsatzes wird widerlegt. Die abstrakte Negation des betreffenden Lehrsatzes erweist sich dabei in den meisten Fällen nicht nur als unwahr, sondern als kontradiktorisch. Diese Widerlegung bedeutet, dass der betreffende Lehrsatz wahr ist.

Beispiel für einen indirekten Beweis

Die Wahrheit des Lehrsatzes A „Es gibt keine rationale Zahl q,
welche die Gleichung x2 = 2 erfüllt.“ soll nachgewiesen werden.

Beweis mit Hilfe von neun Schlussfolgerungen und vier wahren universellen Gesetzen,
durch Anwendung des Satzes vom Kettenschuss, des Kontrapositionssatzes
und des Satzes über Konjunktionen im logischen Gehalt
und durch Widerlegung der Aussage (nicht A):


(1): Es gibt eine rationale Zahl q, welche die Gleichung x2 = 2 erfüllt.
Aus (1) folgt (2): Die Zahl q besitzt die Normaldarstellung: q = a : b, wobei a und b bestimmte ganze Zahlen sind, die teilerfremd sind, und b größer als null ist.

(Das universelle Gesetz „Jede rationale Zahl mit Ausnahme der Null
besitzt eine eindeutige Normaldarstellung.“ ist wahr kraft Definition.)

Aus [(1) und (2)] folgt (3): a2 : b2 = 2 | • b2
(3) ist äquivalent mit (4): a2 = 2 b2
Aus (4) folgt (5): Die ganze Zahl a ist durch 2 teilbar.

(Das ist eine Anwendung des Kontrapositionssatzes auf die allgemeine Implikation: Die
ganze Zahl a ist nicht durch 2 teilbar. => Die Quadratzahl a2 ist nicht durch 2 teilbar.)

Aus [(4) und (5)] folgt (6): (2 n)2 = 2 b2 , wobei n eine ganze Zahl ist.
(6) ist äquivalent mit (7): 4 n2 = 2 b2 | : 2
(7) ist äquivalent mit (8): b2 = 2 n2
Aus (8) folgt (9): Die ganze Zahl b ist durch 2 teilbar.

(Das ist eine Anwendung des Kontrapositionssatzes auf die allgemeine Implikation: Die
ganze Zahl b ist nicht durch 2 teilbar. => Die Quadratzahl b2 ist nicht durch 2 teilbar.)

Aus [(5) und (9)] folgt (10): Die Zahlen a und b besitzen einen gemeinsamen Teiler, nämlich die Zwei.

Die Implikationen von (nicht A) (2) und (10) widersprechen sich. Die Aussage (nicht A) ist also kontradiktorisch. Daraus folgt, dass (nicht A) unwahr ist. Also ist der Lehrsatz A wahr. – Es wird fälschlich behauptet, die Beweisidee im obigen Beispiel stünde in dem berühmten Werk von Euklid „Die Elemente“. Vielmehr ist der betreffende indirekte Beweis, den schon Aristoteles mehrfach erwähnt hat, nachträglich aus einem vermutlich älteren Werk eingefügt worden (vergleiche: Euklid, Die Elemente, übersetzt aus dem Griechischen nach Heibergs Text von Clemens Thaer, Darmstadt 1973, 5. Auflage, S. 462).


Die Prädikatenlogik (hier: „Prädikat“ = Eigenschaft) befasst sich mit Allsätzen und Existenzsätzen. Existenzsätze, welche den logischen Status einer Tatsachenbehauptung haben, beziehen sich entweder auf ein Teilgebiet des Universums (lokaler Existenzsatz) oder auf das ganze Universum (universeller Existenzsatz). Analytische Existenzsätze beziehen sich entweder auf eine endliche Menge (lokaler Existenzsatz) oder auf eine unendliche Menge (universeller Existenzsatz). Eine analoge Klassifizierung ist auch bei den Allsätzen möglich. Die vier Verneinungssätze der Prädikatenlogik sind gültig kraft Definition:

(1) [nicht (Alle x haben die Eigenschaft Z.)] ist äquivalent mit „Es gibt ein x, welches die Eigenschaft Z nicht hat.“.
(2) [nicht (Alle x haben nicht die Eigenschaft Z hat.“] ist äquivalent mit "Es gibt ein x, welches die Eigenschaft Z hat.".
(3) [nicht (Es gibt ein x, welches die Eigenschaft Z hat.)] ist äquivalent mit „Alle x haben nicht die Eigenschaft Z.“.
(4) [nicht (Es gibt ein x, welches die Eigenschaft Z nicht hat.)] ist äquivalent mit „Alle x haben die Eigenschaft Z.“.

Diese vier Feststellungen der Äquivalenz gelten auch für universelle Gesetze und universelle Existenzsätze. Also besitzt die abstrakte Negation eines universellen Gesetzes (universeller Allsatz) den logischen Status eines universellen Existenzsatzes. Und die abstrakte Negation eines universellen Existenzsatzes besitzt den logischen Status eines universellen Gesetzes.

Beispiel


A: Es gibt Planeten mit einem Ring-System.

Die Aussage A ist ein universeller Existenzsatz. Hier geht es um die Eigenschaft Z von Planeten, dass sie ein Ring-System besitzen. Die abstrakte Negation (nicht A) ist zwar unwahr, besitzt aber den logischen Status eines universellen Gesetzes. „Im ganzen Universum gibt es keinen Planeten mit einem Ring-System.“ ist äquivalent mit „Jeder Planet ist ohne Ring-System.“ Dieses universelle Gesetz wird widerlegt durch das Gegenbeispiel Saturn. Übrigens hat die Erforschung unseres Planetensystems mit Hilfe von Raumsonden ergeben, dass auch die anderen drei Gasplaneten Jupiter, Uranus und Neptun Ringe besitzen.

Manfred Brill

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