Stellungnahme der mathematischen Fachgesellschaften (in English below)
"Wer sich weigert, sich mit Arithmetik zu beschäftigen, ist dazu verdammt, Unsinn zu reden". Dieser Satz stammt von John McCarthy, Professor für Künstliche Intelligenz (KI) und einer ihrer Gründerväter. Während KI heute als Teilgebiet der Informatik wahrgenommen wird, ist vielen nicht bewusst, dass es sich um ein stark interdisziplinäres Gebiet handelt, das massiv von Ideen aus der Mathematik profitiert. Die Mathematik trägt dazu bei, die Sicherheit und Effizienz von KI-Systemen zu steigern.
Vier Beispiele:
- Generative KI, die aus einfachen Texteingaben verblüffend realistische Bilder erzeugt, nutzt anspruchsvolle mathematische Konzepte wie Diffusionsmodelle, die auf stochastischen Differentialgleichungen basieren.
- Moderne KI-Systeme basieren meist auf komplexen neuronalen Netzen. Inzwischen ist bekannt, dass neuronale Netze instabil sein können: Kleinste Störungen in den Eingangsdaten (z.B. sog. Adversarial Attacks) können zu massiven Fehlern im Ergebnis führen. In praktischen Anwendungen wie etwa dem autonomen Fahren oder der medizinischen Diagnostik stellt dies ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Die Mathematik erforscht, wie man solche Instabilitäten durch ein besseres Design der neuronalen Netze in den Griff bekommen kann.
- Neuronale Netze in KI-Systemen hängen von Millionen und Abermillionen von Parametern ab. Das macht sie für uns Menschen intransparent. Ziel der Mathematik ist es, kompaktere Modelle zu entwickeln, die bei gleicher Leistung weniger Parameter benötigen, transparenter und damit erklärbarer sind und auch Leistungsgarantien in kritischen Anwendungen ermöglichen.
- Damit neuronale Netze die geforderte Leistung erbringen, müssen ihre Parameter mit hohem Rechenaufwand trainiert werden. Dies verschlingt enorme Energieressourcen. Prognosen gehen davon aus, dass zukünftige KI-Systeme weltweit den Strombedarf ganzer Länder wie der Niederlande, Schwedens oder Argentiniens verschlingen werden. Durch die Entwicklung moderner Optimierungsverfahren macht die Mathematik das Training neuronaler Netze effizienter und ressourcenschonender.
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Obwohl oft behauptet wird, KI sei eine Blackbox, können tatsächlich alle Elemente der KI mathematisch präzise erklärt werden. Dazu gehören das statistische Verständnis der Daten, die Trainingsziele, die Trainingsmethoden und die Netzwerkarchitekturen. Dies ermöglicht uns, den Erfolg von neuronalen Netzen zu verstehen. Eine fundierte mathematische Ausbildung ermöglicht es, Trainingsziele so zu modellieren, dass wichtige Aspekte, wie beispielsweise Sicherheitsüberlegungen, im Training berücksichtigt werden können. Darüberhinaus erlaubt es die abstrakte, mathematische Denkweise, Lösungen aus bestimmten Anwendungsdomänen effizient auf andere Bereiche zu übertragen.
Dies alles verdeutlicht, wie sehr Mathematik eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und dem Verständnis von KI spielt.
Prof. Dr. Joachim Escher Prof. Dr. Karsten Urban Prof. Dr. Thomas Schuster
Präsident der DMV Präsident der GAMM 1. Vorsitzender GIP
Prof. Dr. Alexander Martin Prof. Dr. Michael Günther
1. Vorsitzender GOR. 1. Vorsitzender KoMSO
DMV: Deutsche Mathematiker-Vereinigung e. V.
GAMM: Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik e. V.
GIP: Gesellschaft für Inverse Probleme e. V.
GOR: Gesellschaft für Operations Research e. V.
Komitee für Mathematische Modellierung, Simulation und Optimierung e. V.
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