Dieses Jahr haben weltweit Mathematik- und Schachbegeisterte zu Weihnachten weiteren Anlass zum Feiern. Es geht um zwei große mathematische Persönlichkeiten: Mikhael Leonidovich Gromov und Emanuel Lasker.

Gromov LaskerMikhail Leonidovich Gromov (links) und Emanuel Lasker (rechts)
Quelle: St. Andrews

Am 23. Dezember 2018 feiert Mikhail Leonidovich Gromov (auch Michael, Mischa oder Michail Leonidowitsch Gromow) seinen 75. Geburtstag. Der russisch-französische Mathematiker, der vor allem zur Differentialgeometrie, Analysis und Gruppentheorie forscht, gilt als einer der führenden Geometer und ist unter anderem Träger des Abelpreises 2009 „für seine revolutionären Beiträge zur Geometrie“. Aktuell war er 2018 einer der 200 Unterzeichner eines Aufrufs in der Zeitung Le Monde, in der vor drastischen Folgen für die Menschheit gewarnt wird. Darunter das Aussterben der menschlichen Spezies, falls nicht rasch ein Umsteuern beim Klimawandel und dem Artensterben geschieht.

Ebenfalls gratulieren wir dem zweiten offiziellen Schachweltmeister und zugleich der bislang einzige deutsche Träger dieses Titels: Emanuel Lasker. Weltweit feiern Schachbegeisterte und Mathematikbegeisterte am 24. Dezember 2018 seinen 150. Geburtstag. Denn Lasker war nicht nur leidenschaftlicher Schachspieler, sondern auch Mathematiker und Philosoph.
Lasker behauptete sich in der Position des Schachweltmeisters über einen Zeitraum von 27 Jahren (1894 bis 1921) und damit länger als jeder andere Schachweltmeister. 2008 wurde Emanuel Lasker in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

Mikhail Leonidovich Gromov feiert am 23.12.2018 seinen 75. Geburtstag.

Gromov Mikhael LeonidovichMikhael Leonidovich Gromov
Quelle: St. Andrews

Vita

Gromov wurde in der Kleinstadt Boksitogorsk östlich von Leningrad geboren. Er besuchte die Petrischule in Leningrad. Dann studierte er an der dortigen Universität und 1969 bei Wladimir Rochlin promovierte. Er war dort ab 1967 Assistenzprofessor und 1973 wurde er dort promoviert (sowjetischer Doktorgrad). 1970 war er zum ersten Mal Invited Speaker auf den Internationalen Mathematikerkongressen (ICM) und erhielt ein Jahr später den Preis der Moskauer Mathematischen Gesellschaft. Gromov durfte vier Mal aus den ICM sprechen. Ein Jahr später wurde er Professor an der Universität von Stony Brook in New York und 1981 an der Universität Paris in diesem Jahr erhielt er den Oswald-Veblen-Preis in Geometrie. Seit 1982 bis heute ist er am IHES in Bures-sur-Yvette bei Paris tätig und seit 1992 französischer Staatsbürger. Während dieser Zeit erhielt Gromov mehrere Preise, Auszeichnungen und Medaillen für seine Arbeit. Unter anderem wurde er 2008 Jay-Gould-Professor am Courant Institute of Mathematical Sciences of New York University. Auch hat er zahlreiche Mitgliedschaften mehrerer internationaler Akademien inne hat und ist zusätzlich Ehrendoktor der Universitäten von Genf und Tel-Aviv.

Forschung

Als der Begründer der geometrischen Gruppentheorie (in Erweiterung der Kombinatorischen Gruppentheorie, die aus den Arbeiten von Max Dehn entstand) untersuchte Gromov Gruppen von polynomialer Wachstumsordnung und führte den Begriff der hyperbolischen Gruppe ein. In der symplektischen Topologie etablierte er den Begriff der pseudoholomorphen Kurve. Der Bereich der partiellen Differentialgleichung bekam wesentliche Unterstützung durch Gromovs Homotopieprinzip für Differentialrelationen; Gromov erweiterte dabei ältere Ansätze, unter anderem den von John Nash. Insbesondere hat Gromov für die riemannsche Geometrie viele neue Sichtweisen eröffnet, beispielsweise indem er häufig asymptotische und globale Aspekte untersuchte und in Ungleichungen formulierte.
Die Laudatio zum Abelpreis 2009 ehrte folgende Beiträge Gromovs zur Mathematik:

  • seine entscheidende Rolle in der Kreation der modernen globalen Riemannschen Geometrie.
  • seine Position als Begründer der symplektischen Geometrie. Das führte zur Theorie der Gromov-Witten-Invarianten, heute ein aktives Gebiet mit Verbindungen zur modernen Quantenfeldtheorie und es durchdrang und veränderte viele andere Gebiete der Mathematik.
  • seine Arbeit über Gruppen polynomiellen Wachstums, die mit ihren dort eingeführten Ideen zu einer völlig anderen Sichtweise führte. Er entdeckte die Geometrie der diskreten Gruppen und löste verschiedene herausragende Probleme. Durch seinen geometrischen Zugang wurden komplizierte kombinatorische Argumente viel natürlicher und wirkungsvoller.


Emanuel Lasker hat am 24.12.2018 seinen 150. Geburtstag.

Lasker EmanuelEmanuel Lasker
Quelle: St. Andrews

Mathematiker und Philosoph

1900 schrieb er seine Dissertation „Über Reihen auf der Convergenzgrenze“ zum Dr. phil. bei Max Noether in Berlin. 1905 veröffentlichte er in der Zeitschrift Mathematische Annalen eine bedeutende mathematische Arbeit zur Theorie der Moduln und Ideale, die später von Emmy Noether weiterentwickelt wurde. Daraus entstammt der Satz von Lasker-Noether.
Lasker war mit Albert Einstein bekannt und disputierte mit ihm über physikalische Probleme. Dabei stellte Lasker die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in Frage. Trotz ihrer unterschiedlichen Meinungen in dieser Frage schrieb Einstein für die 1952 erschienene Lasker-Biographie von Jacques Hannak ein Geleitwort, in dem er Lasker als einen der interessantesten Menschen bezeichnet, die er in seinen späteren Jahren kennengelernt habe.
1925 Außerdem veröffentlichte er zusammen mit seinem Bruder Bertold ein von seiner machologischen Philosophie inspiriertes expressionistisches Drama, Vom Menschen die Geschichte, dem allerdings kein Bühnenerfolg beschieden war. Laskers erste philosophische Arbeit erschien 1907 in New York in einer englischen (Struggle) und einer deutschen Ausgabe (Kampf). In ihr entwirft Lasker eine „Wissenschaft des Kampfes“, die er Machologie nennt. Dabei abstrahiert er Prinzipien aus dem Schachspiel und überträgt sie auf andere Lebensbereiche. Seine Theorien führte Lasker später in zwei umfangreicheren Werken (Das Begreifen der Welt, 1913, und Die Philosophie des Unvollendbar, 1919) weiter aus. Die Bücher wurden jedoch von der Fachwelt kaum beachtet. Obwohl er auf Empfehlung von Paul Natorp Mitglied der Kant-Gesellschaft wurde, galt Lasker auf dem Gebiet der Philosophie zeitlebens als „Autodidakt und Außenseiter“.

Schachspiel

Als Lasker das Gymnasium in Berlin besuchte, erlernte er im Alter von zwölf Jahren von seinem Bruder das Schachspiel. Da nach Meinung seiner Eltern ihn das Schachspiel zu sehr ablenken würde, wechselte Lasker die Schule. 1893 folgte Laskers dem Weltmeister Wilhelm Steinitz über den Atlantik und besiegte ihn den Weltmeister. Laskers Spielstil war pragmatisch und kämpferisch. Er eröffnete seine Pertien meist simpel, machte wenige Fehler und konnte schlechtere Stellungen hervorragend verteidigen. Im Endspiel war Lasker unübertroffen. Seine Verteidigungskünste waren vielen Schachmeistern ein Rätsel. Von Hannak zitiert: „(Lasker) hat nicht der wissenschaftlich richtige Zug, sondern immer nur der für den konkreten Gegner unangenehmste Zug interessiert.“
1910 spielte er gegen den Österreicher Carl Schlechter den spannendsten Wettkampf seines Lebens. Mit einem ausgeglichenen Endstandzeigte Schlechter, dass er ein würdiger Herausforderer war. Thomas Glavinic hat diesen Wettkampf in seinem Roman Carl Haffners Liebe zum Unentschieden (Berlin, 1998) verewigt. 1914 fand in St. Petersburg eines der bedeutendsten Turniere der Schachgeschichte statt. Im Finale gelang es Lasker einen halben Punkt vor Capablanca (alias: Schachmaschine) zu führen und wurde somit Turniersieger.
1921 fand das Turnier um den Weltmeistertitel gegen Capablanca in Havanna statt. Lasker, der sich dem ungewohnten tropischen Klima ausgesetzt sah, gab den Wettkampf nach 14 Partien auf. Capablanca wurde neuer Weltmeister, nachdem Lasker diesen Titel 27 Jahre lang inne hatte. Nach dieser Niederlage gewann Lasker stark besetzte Turniere 1923 in Mährisch-Ostrau, 1924 in New York. Das New Yorker Turnier gilt als eines der bedeutendsten überhaupt in der Geschichte des Schachs. Dort spielte Emanuel Lasker auch die einzigen Turnierpartien gegen seinen Namensvetter Edward Lasker. 1925 in Moskau überholte er Capablanca nochmals um einen halben Punkt und wurde zweiter. Im selben Jahr erschien sein Lehrbuch des Schachspiels, in dem er unter anderem die Verdienste seines Vorgängers Steinitz, um die Erforschung des Positionsspiels, würdigt. Das Buch enthält zahlreiche philosophische Exkurse und zählt heute zu den Klassikern der Schachliteratur. Sein letztes internationales Turnier spielte er 1936 in Nottingham.

Theoretiker und Erfinder neuer Spiele

Lasker hat sich mit vielen Spielen als Theoretiker und Erfinder beschäftigt. Bei den Brettspielen hat er das Mühle-Spiel zu reformieren versucht: Jeder Spieler erhält zehn (anstatt neun) Steine und zu Beginn die Option neuen Stein einzusetzen oder einen bereits gesetzten zu spielen. Das Dame-Spiel entwickelte er zum Spiel Laska fort, bei dem geschlagene Steine unter dem schlagenden Stein mitgenommen werden und so „Türme“ bilden. Sowohl mit Kartenspielen (vor allem dem Poker) als auch mit anderen Brettspielen (vor allem Go) hat er sich theoretisch beschäftigt und dazu publiziert. Lasker hat eine Version des Nim-Spiels erfunden und durch Analysen von Aneinanderfügungen von Verluststellungen zur Entwicklung der frühen Kombinatorischen Spieltheorie entscheidend beigetragen. 1929 erschien sein Buch Das verständige Kartenspiel, 1931 Das Bridgespiel, Das Skatspiel und Brettspiele der Völker.

Vita

Lasker wuchs in Berlinchen auf und legte am Gymnasium in Landsberg an der Warthe 1888 das Abitur ab. In seinen ersten zwei Jahren des Mathematikstudiums in Berlin und Göttingen begann auch seine internationale Schachkarriere, weswegen er 1891 sein Studium unterbrach, um als Berufsspieler nach London zu gehen. In den darauffolgenden Jahren feierte er eine Vielzahl von Erfolgen in Turnieren und Wettkämpfen. Zusätzlich gab er verschiedene Schachzeitung heraus, gab sie allerdings immer wieder nach einigen Jahren auf. 1893 folgte Laskers dem Weltmeister Wilhelm Steinitz über den Atlantik und besiegte ihn im Weltmeisterschaftskampf. Lasker wurde 1894 der zweite offizielle Schachweltmeister und verteidigte seinen Titel bis 1921. 1895 veröffentlichte er sein erstes Schachbuch „Common sense in chess“ (deutsch: Gesunder Menschenverstand im Schach). Er wurde 1900 an der Universität Erlangen zum Dr. phil. promoviert. Trotz Abschluss konnte er keine akademische Anstellung als Mathematiker finden, weshalb er sich der Philosophie zuwandte. Lasker heiratete 1911 in Berlin die Schriftstellerin Martha Cohn. Nachdem 1921 Lasker seinen Weltmeistertitel an Capablanca abgeben musste, gewann er 1925 sein vorerst letztes Turnier in Moskau und widmete sich seit 1926 vermehrt dem Go-Spiel. Auch hier besiegte er 1930 in einer Turnierpartie den damals besten Go-Spieler Deutschlands. Neben Go wurde auch das Bridge-Spiel und Poker-Spiel ein Betätigungsfeld für Lasker. 1927 gründete er in Berlin eine Schule für Verstandesspiele und erfand einige Brett- und Kartenspiele. Die repressive antisemitische Politik durch die NSDAP nötigte Lasker und seine Ehefrau zur Flucht. In London nahm Lasker aus finanzieller Notlage seine Schachtätigkeit wieder auf. 1935 erhielt er eine Einladung der Akademie der Wissenschaften der UdSSR mitunter der ständigen Mitgliedschaft in der Akademie. Seinen Lebensunterhalt verdiente er an einem mathematischen Institut, indessen bestand sein Hauptwirken im Schachtraining mit sowjetischen Meisterspielern. 1937 nutzte Lasker eine Gelegenheit die UdSSR zu verlassen. Die Laskers blieben in den USA, 1938 wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Ende 1940 erkrankte Lasker und verstarb im Mount Sinai Hospital in New York am 11. Januar 1941.

Frohes Fest und schöne Feiertage

Mina-Anina Ahmadi

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