Ihre Errungenschaften tragen ihre Namen: Lemaître-Universum und Chintschins schwaches Gesetz der großen Zahlen. Sie haben im Juli 2019 beide ihren 125. Geburtstag. - Die Reyesche Konfiguration wurde nach Karl Reye benannt, welcher seinen 100. Todestag im Juli hat. Weniger bekannt ist Siegfried Heinrich Aronhold, der Schöpfer der Invariantentheorie, an dessen 200. Geburtstag wir gleichwohl erinnern möchten.

Am 17. Juli 2019 hat Georges Henri-Joseph-Edouard Lemaître seinen 125. Geburtstag

Georges Henri-Joseph-Edouard Lemaître war ein belgischer Theologe, katholischer Priester und Astrophysiker. Er gilt als Begründer der Urknalltheorie ("Lemaître-Universum"). Zeit seines Lebens blieb er ein Einzelgänger, der nicht viele Kontakte zu Wissenschaftskollegen pflegte. Seine Korrespondenz ist minimal und obwohl Lemaître nie versuchte, ein Erstentdeckerrecht zu beanspruchen, sprach sich die Internationale Astronomische Union (IAU) als weltgrößte Astronomenvereinigung mit gut 12000 Mitgliedern nach einer Abstimmung im Oktober 2018 dafür aus, die Hubble-Relation, die den Zusammenhang zwischen Entfernung und Geschwindigkeit beschreibt, Hubble-Lemaître-Beziehung zu nennen.

george lamitre 95936Georges Lemaître
Quelle: St. Andrews

Vita

Schon in jungen Jahren wollte Lemaître Priester und Wissenschaftler werden. An der Katholischen Universität Löwen studierte er Physik und Mathematik, promovierte 1920 mit der Arbeit „Näherung von Funktionen mehrerer reeller Variablen“ und drei Jahre später wurde er ordiniert. Seine Lehrer waren: Charles-Jean de La Vallée Poussin und Arthur Eddington. Er studierte an der Universität Cambridge und am Massachusetts Institute of Technology mit Promotion. 1925 nahm er eine Teilzeitprofessur an der Universität Löwen an. 1940 wurde er aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften berufen und wurde 1960 deren Präsident. 1964 wurde er emeritiert. Zu seinen berühmtesten Schülern zählen André Deprit und Georges Papy.

millikan lemaitre einsteinv.l.n.r.: Millikan, Lemaitre, Einstein
Quelle: Exposition - "Georges Lemaître , le maître du Big Bang

Forschung und Leistungen

In Löwen begann er, seine Ideen zur Expansion des Universums aufzuschreiben. Erstmals erschien seine Arbeit 1927 (1931 in Englisch) in einer wenig bekannten Fachzeitschrift. Damit erschien seine Arbeit zwei Jahre früher als die Edwin Hubbles, dem das Konzept von der Expansion des Universums bisher zugeschrieben wurde, und nach den Arbeiten des schon 1925 verstorbenen russischen Mathematikers Alexander Alexandrowitsch Friedmann, der diese Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen nach heutigem Kenntnisstand zuerst fand.

Universe expansionKünstlerische Illustration der Entstehung des Universums aus dem Urknall heraus
Quelle: Wikimedia

Lemaître stellte seine Ideen auf einem Kongress in London vor. Er beschrieb seine Vorstellungen vom Ursprung des Universums als Uratom, „ein kosmisches Ei, das im Moment der Entstehung des Universums explodierte“. Er zog dabei unter anderem die Rotverschiebung weit entfernter Galaxien heran. Seine Kritiker benannten die Theorie als Urknalltheorie (oder Big Bang Theory). Eddington und Einstein lehnten sie zunächst ab, da sie zu sehr an eine religiöse Vorstellung angelehnt schien und weil sie vom physikalischen Standpunkt aus viele Unschönheiten hatte (zum Beispiel: Singularitäten). Der Streit darüber hielt über mehrere Jahrzehnte an. Auf einer gemeinsamen Reise nach Kalifornien legte Lemaître alle Einzelheiten dar und konnte so Einstein von seiner Theorie überzeugen. 1934 erhielt Lemaître den Francqui-Preis, die höchste wissenschaftliche Auszeichnung Belgiens, aus der Hand König Leopolds III.

Kurz vor seinem Tod am 20. Juni 1966 in Löwen erfuhr Lemaître noch von der Entdeckung der kosmischen Mikrowellenstrahlung, die seine Theorie erhärtete.

 

Alexander Jakowlewitsch Chintschin hat am 19. Juli 2019 seinen 125. Geburtstag.

Alexander Jakowlewitsch Chintschin (häufig auch Khintchine oder Aleksandr Jakovlevich Khinchin) war ein sowjetischer Mathematiker. In seinem Hauptarbeitsgebiet, der Stochastik, wurde Chintschins schwaches Gesetz der großen Zahlen nach ihm benannt. Er wird in der Literatur als einer der Begründer der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Sowjetunion bezeichnet. Neben seinen zahlreichen mathematischen Werken („Drei Perlen der Zahlentheorie“, Berlin 1951) schrieb er einige bedeutende Arbeiten zu deren Geschichte.

Khinchin 3Aleksandr Khinchin
Quelle: St. Andrews

Vita

Seine Schulausbildung absolvierte Chintschin iteils in Kaluga, Zürich und in Moskau. 1911 begann er an der Moskauer Universität sein Mathematikstudium und führte seine ersten selbständigen Untersuchungen zur Theorie reeller Funktionen in der Forschungsgruppe des Mathematikers Nikolai Nikolajewitsch Lusin durch. 1916 schloss er sein Studium ab und arbeitete an dem polytechnischen Institut in Moskau, wohin er anschließend als Professor an die mathematisch-physikalischen Fakultät in Iwanowo-Wosnessensk berufen wurde. 1922 kehrte Chintschin für den Lehrstuhl in Mathematik nach Moskau zurück. In den dreißiger Jahren ernannte ihn die Akademie der Wissenschaften der UdSSR zum korrespondierenden Mitglied und er wurde Sektionsleiter für die Methodik des Unterrichts im Volkskommissariat für Bildung der RSFSR. Ab Mitte der 1940er Jahre gehörte er dem Präsidium der sowjetischen Akademie der pädagogischen Wissenschaften für weitere Jahre an.

Forschung und Leistungen

Indem er an die Arbeiten von Arnaud Denjoy anknüpfte, konzentrierte Chintschin sich auf Untersuchungen auf dem Gebiet der Zahlentheorie. Er entwickelte die sogenannten Übertragungssätze für Ergebnisse zwischen verwandten Approximationsproblemen. Er beschäftigte sich mit der Anwendung der metrischen Funktionentheorie auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitstheorie (Lévy-Khinchin-Formel) und begründete die metrische Theorie der Kettenbrüche. 1935 zeigte er, dass bei fast allen reellen Zahlen das geometrische Mittel der Teilnenner ihrer Kettenbrüche gegen die Chintschin-Konstante konvergiert.

Khinchins constantKhinchins-Konstante (OEIS - A002210)
Quelle: Wikimedia

Zeitgleich mit Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow zeigte er Grundlagen zur Beschreibung zufälliger Prozesse. Diese Arbeiten führten ihn auf das Gebiet der klassischen Quantenphysik, wo er mit analytischen Methoden einige Zusammenhänge beweisen konnte. Weiterhin wandte er sich dem Gebiet der Informationstheorie zu (Wiener-Chintschin-Theorem).

Für seine Leistungen erhielt Chintschin den Staatspreis der UdSSR, den Leninorden, den Orden des Roten Banners der Arbeit und den Stalinpreis.

 

Am 16. Juli 2019 hat Siegfried Heinrich Aronhold seinen 200. Geburtstag

Siegfried Heinrich Aronhold war ein deutscher Mathematiker und Physiker. Er gilt als der Schöpfer der Invariantentheorie in Deutschland.

AronholdSiegfried Aronhold
Quelle: St. Andrews

Vita

Siegfried Heinrich Aronhold (* 16. Juli 1819 in Angerburg; † 13. März 1884 in Berlin) war Sohn eines Kaufmanns und studierte an der Albertus-Universität Königsberg Mathematik, Astronomie und Physik bei Friedrich Wilhelm Bessel, Friedrich Julius Richelot, Otto Hesse, Franz Ernst Neumann und Carl Gustav Jacob Jacobi. In dieser Zeit wurde Aronhold zweifach für die beste Arbeit ausgezeichnet, beendete aber vorzeitig sein Studium in Königsberg und folgte Jacobi nach Berlin, wo er sich selbständig mit mathematischen Problemen befasste. Hier machte ihn Jacobi auch mit Peter Gustav Lejeune Dirichlet, Jakob Steiner, Heinrich Gustav Magnus und Heinrich Wilhelm Dove bekannt, deren Vorlesungen er auch hörte. Eine feste Anstellung erlangte er jedoch nicht, sondern konnte seinen Lebensunterhalt lediglich durch privaten Unterricht einigermaßen bestreiten. Von 1851 an dozierte er außerordentlich an der Berliner Bauakademie und habilitierte sich dort. Nebenbei unterrichtete er auch an der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule. Am Berliner Gewerbeinstitut erhielt er 1860 einen Lehrauftrag, 1862 den Lehrstuhl für reine Mathematik und 1863 den Professorentitel.

Forschung und Leistungen

Seine Abhandlung „Über die homogenen Functionen dritter Ordnung von drei Veränderlichen“ aus dem Jahr 1849 beeindruckte die Philosophische Fakultät der Albertina in Königsberg, so dass seine Folgearbeit „Über ein neues algebraisches Prinzip“ als Dissertation von dieser anerkannt wurde. Aronhold verfasste weitere Abhandlungen in Crelles Journal sowie in den Monatsberichten der Berliner Akademie. 1850 wurde er Mitglied der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin und veröffentlichte verschiedene Fachartikel in deren Jahresberichten. 1869 wurde er korrespondierendes Mitglied der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen und mit dem Roten Adlerorden ausgezeichnet. Nach der Zusammenlegung der Bauakademie und des Gewerbeinstituts zur Technischen Hochschule Berlin war Aronhold kurzzeitig dort Prorektor. Verschiedenen Rufen etablierter Hochschulen außerhalb Berlins folgte er nicht. Anlässlich seiner Emeritierung im Jahr 1883 wurde ihm abermals der Rote Adlerorden verliehen.

 

Am 2. Juli 2019 hat Theodor Reye seinen 100. Todestag

Karl Theodor Reye war ein deutscher Mathematiker, der die projektive Geometrie auf synthetischer Grundlage behandelte. Nach ihm ist die Reyesche Konfiguration benannt.

ReyeKarl Reye
Quelle: St. Andrews

Vita

Reye ging in Hamburg auf die Gelehrtenschule des Johanneums und studierte zunächst Maschinenbau am Polytechnikum in Hannover und in Zürich, wo er sich unter dem Einfluss von Rudolf Clausius der theoretischen Physik zuwandte. Er wurde 1861 in Göttingen, wo er unter anderem Bernhard Riemanns Vorlesungen hörte, promoviert („Die mechanische Wärmetheorie und das Spannungsgesetz der Gase“). Er lehrte danach am Polytechnikum Hannover und ab 1863 in Zürich am Eidgenössischen Polytechnikum zunächst als Privatdozent und ab 1867 als Professor.

Über die Graphische Statik von Karl Culmann lernte er die projektive Geometrie kennen, die er in einem dreibändigen Lehrbuch "Geometrie der Lage" (1866, 1868) darstellte. Das Buch erlebte bis 1923 sechs Auflagen und wurde ins Englische, Französische und Italienische übersetzt (wikipedia). 1870 wurde er auf den Lehrstuhl für Geometrie und Graphische Statik am neu gegründeten Polytechnikum in Aachen berufen. 1872 wechselte er an die ebenfalls neu gegründete Universität Straßburg, wo er neben Elwin Bruno Christoffel Mathematik lehrte. 1877 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt und war 1886/87 Rektor der Universität. 1909 emeritierte er. 1918 wurde er nach dem Ende des Ersten Weltkriegs vertrieben und zog zu seiner Tochter nach Würzburg.

Neben "Geometrie der Lage" schrieb er ein Buch über Kugelgeometrie und beschäftigte sich zusätzlich mit Meteorologie. Ein Buch über Wirbelstürme verschaffte ihm sogar einen Ruf an die neu gegründete Seewarte in Hamburg.

Mina-Anina Ahmadi

Quellen:

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