Zwei bestimmte gehaltvolle Aussagen können einen „inhaltlicher Zusammenhang“ haben. Das bedeutet, dass beide Aussagen Informationen über denselben Gegenstand geben. Die Informationen wiederholen sich oder sie ergänzen sich. Die Wiederholung muss nicht vollständig sein. Bei der Ergänzung kann ein Widerspruch auftreten. Ohne einen inhaltlichen Zusammenhang ist weder eine Widerspruchsbeziehung noch eine einseitige Implikation oder die Äquivalenz möglich. Das führt zum Satz über den fehlenden inhaltlichen Zusammenhang: Zwei beliebige gehaltvolle Aussagen ohne inhaltlichen Zusammenhang sind miteinander vereinbar und voneinander unabhängig. – Die anderen fünf Möglichkeiten des logischen Zusammenhangs darf man hier also ausschließen (siehe unten).
A: Die Rose „Lady Hillingdon“ blüht gelb. (wahr)
B: Jedes Rechteck besitzt einen Inkreis. (unwahr)
Bei den Aussagen A und B fehlt der inhaltliche Zusammenhang. Deshalb sind die beiden Aussagen miteinander vereinbar, obwohl die Aussage B unwahr ist. Aus demselben Grund sind die beiden Aussagen voneinander unabhängig: Weder folgt aus A die Aussage B, noch folgt aus B die Aussage A. Das ist das Kriterium für die Unabhängigkeit.
Für die Widerspruchsbeziehung der Aussagen A und B gibt es ebenfalls ein Kriterium: Es gibt eine gewöhnliche Aussage C, so dass gilt: Aus A folgt die Aussage C. und Aus B folgt die Aussage (nicht C). – Ist bei zwei bestimmten gewöhnlichen Aussagen eine Widerspruchsbeziehung gegeben, so ist ein inhaltlicher Zusammenhang gegeben, aber eine einseitige Implikation und die Äquivalenz sind nicht möglich. Ist dagegen B eine Implikation der kontradiktorischen Aussage D, so können bei den Aussagen B und D eine einseitige Implikation und eine Widerspruchsbeziehung zugleich gegeben sein. Nach dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch sind zwei sich widersprechende Aussagen unmöglich beide wahr. Es gibt Signalwörter, die vor der Widerspruchsbeziehung warnen: dagegen, dementgegen, entweder / oder, im Gegenteil, nicht, sondern, unvereinbar, vielmehr. Es gibt auch Signalwörter, die darauf hinweisen, dass möglicherweise eine Widerspruchsbeziehung vorliegt: aber, allerdings, demgegenüber, dennoch, doch, freilich, gleichwohl, hingegen, immerhin, jedoch, obgleich, obschon, obwohl, selbst wenn, trotz, trotzdem, wenn auch, wenngleich.
E: Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
F: Im Viereck ABCD sind die Diagonalen nicht gleich lang.
Aus E folgt die gewöhnliche Aussage G „Die Diagonalen im Viereck ABCD sind gleich lang.“. Die Aussage F ist äquivalent mit (nicht G). Nach dem Kriterium für die Äquivalenz (siehe unten) folgt aus F die Aussage (nicht G).
Die singulären Aussagen E und F sind gewöhnliche Aussagen. Beide Aussagen sind also widerspruchsfrei. Folglich sind alle Implikationen von E miteinander vereinbar. Ebenso sind alle Implikationen von F miteinander vereinbar. Da aber die Aussagen E und F sich widersprechen, folgt weder aus E die Aussage F noch folgt aus F die Aussage E.
Definition: Die relationale Eigenschaft von zwei gehaltvollen Aussagen A und B, dass diese denselben logischen Gehalt haben, nennt man „Äquivalenz“. Für diese Eigenschaft schreibt man kurz: A <=> B. – Zwei Aussagen, welche äquivalent sind, unterscheiden sich lediglich durch ihre Form, wenn sie nicht identisch sind. Also haben äquivalente Aussagen denselben logischen Status, insbesondere denselben Wahrheitswert, wenn ein solcher gegeben ist. Es gilt die heuristische Regel: Unter der Voraussetzung, dass die Aussage A äquivalent ist mit B, darf man in einem Beweis die Aussage A durch B substituieren und umgekehrt. – Die große Bedeutung der Äquivalenz für die Logik ist in der Alltagssprache noch nicht angekommen. Für die Äquivalenz gibt es kaum Signalwörter. In Frage kämen die folgenden Wörter: bedeutet, Definition, genau dann / wenn, gleichbedeutend, Kriterium, mit anderen Worten, Zirkelschluss. Eine Fehlerquelle in der Logik ist die fälschlich behauptete Äquivalenz. Doch es gibt ein Kriterium für die Äquivalenz, welches auf der Schlussfolgerung beruht: Die Äquivalenz der Aussagen A und B erkennt man daran, dass aus A die Aussage B folgt und umgekehrt aus B die Aussage A folgt. – Die Feststellungen (1) bis (4) gelten für alle gehaltvollen Aussagen A, B und C, sind also allgemeingültig.
(1) Kriterium für die Äquivalenz:
„ Die Äquivalenz (A <=> B) ist gegeben.“ ist äquivalent mit
„Die Implikationen (A => B) und (B => A) sind gegeben.“.
(2) Reflexivität:
A ist äquivalent mit A.
(3) Symmetrie-Eigenschaft:
„(A <=> B) ist gegeben.“ ist äquivalent mit „(B <=> A) ist gegeben.“.
(4) Der Satz über die Transitivität der Äquivalenz:
Aus [(A <=> B) ist gegeben. und (B <=> C) ist gegeben.]folgt
„(A <=> C) ist gegeben.“.
E: Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
G: Das Viereck ABCD ist ein Parallelogramm mit gleich langen Diagonalen.
sieben wahren universellen Gesetzen der euklidischen Geometrie
und durch Anwendung des Satzes vom Kettenschluss
und des Satzes über Konjunktionen im logischen Gehalt:
(1) Das Viereck ABCD ist ein Parallelogramm.
Aus (1) folgt (2): Gegenüberliegende Seiten im Viereck ABCD sind gleich lang.
Aus [(2) und Die beiden Diagonalen sind gleich lang. und Die Seite a ist eine
gemeinsame Seite der Dreiecke ABC und ABD.] folgt (3): Die Dreiecke ABC und ABD sind kongruent.
Aus (3) folgt (4): Die Innenwinkel bei A und bei B sind gleich groß.
Aus (1) folgt (5): die Summe der Innenwinkel bei A und bei B = 180°
Aus [(4) und (5)] folgt (6): [der Innenwinkel bei A = 90° und der Innenwinkel bei B = 90°]
[(1) und (6)] ist äquivalent mit (7): Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
Damit ist Implikation (G => E) nachgewiesen.
(7) Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
Aus (7) folgt (8): Die gegenüberliegenden Seiten a und c verlaufen parallel und
ebenso die gegenüber liegenden Seiten b und d.
Aus (8) folgt (9): Das Viereck ABCD ist ein Parallelogramm.
Aus (9) folgt (10): Die gegenüberliegenden Seiten b und d sind gleich lang.
Aus (7) folgt (11): der Innenwinkel bei A = 90° und der Innenwinkel bei B = 90°
Aus [(10) und (11) und die Seite a ist eine gemeinsame Seite der Dreiecke ABC und ABD.] folgt (12): Die Dreiecke ABC und ABD sind kongruent.
Aus (12) folgt (13): Die Diagonalen im Viereck ABCD sind gleich lang.
[(9) und (13)] ist äquivalent mit (14): Das Viereck ABCD ist ein Parallelogramm mit gleich langen Diagonalen.
Der Nachweis für die Implikation (E => G) ist somit erbracht. – Bei den singulären Aussagen E und G ist das Kriterium für die Äquivalenz erfüllt. Das Viereck ABCD ist ein Modell für alle Rechtecke. Also gilt der obige Nachweis der Äquivalenz für alle Rechtecke. Es handelt sich hier um eine allgemeine Äquivalenz.
E: Das Viereck RSTU ist ein Rechteck.
H: Im Viereck RSTU sind die Diagonalen gleich lang.
Die Schlussfolgerung „Aus E folgt H.“ ist gültig. Aber die Schlussfolgerung „Aus H folgt E.“ ist ungültig. Die Schlussfolgerung „Aus H folgt E.“ wäre nur gültig wegen des universellen Gesetzes I „Jedes Viereck mit gleich langen Diagonalen ist ein Rechteck.“. Jedoch ist das universelle Gesetz I unwahr. Denn man kann ein Gegenbeispiel angeben: Man zeichne ein Viereck RSTU mit gleich langen Diagonalen, von denen die eine vom Diagonalen-Schnittpunkt M nicht halbiert wird! Das Viereck RSTU ist kein Rechteck. – Bei den singulären Aussagen E und H ist das Kriterium für die Äquivalenz nicht erfüllt.
Ein Zirkelschluss ist angeblich der trickreiche Versuch, eine bestimmte Aussage A direkt zu beweisen, indem man die Aussage A selbst als Prämisse verwendet. Bezeichnenderweise erschöpfen sich die Beispiele für diese Sichtweise in Andeutungen. In diesen Beispielen fehlen nämlich die Schlussfolgerungen. – Die die zirkuläre Beweisführung enthält keinen Trugschluss, aber es fehlt die Beweiskraft. Beispielsweise wird der Satz über wahre Adjunktionen (ein Axiom der Logik) vermeintlich bewiesen mit Hilfe der Sätze von De Morgan. Diese werden aber mit Hilfe des Satzes über wahre Adjunktionen bewiesen. Bemerkenswert ist, dass in diesem Pseudobeweis die Sätze von De Morgan nicht als Prämissen verwendet werden. Vielmehr werden diese bei Schlussfolgerungen angewandt (siehe Anhang 3: Beweise für die Lehrsätze). Denn hier geht es um den Nachweis der Äquivalenz im Rahmen einer allgemeingültigen Feststellung. Im Gegensatz zum direkten Beweis (Nachweis der Wahrheit) benötigt man beim Nachweis der Äquivalenz keine Prämissen.
Bei der Untersuchung (Analyse) der logischen Struktur fällt auf, dass der Zirkelschluss das Kriterium für die Äquivalenz enthält:
In der linearen Darstellung steht beim Zirkelschluss am Anfang und am Ende dieselbe Aussage. Sowohl in der linearen Darstellung als auch in der kreisförmigen Darstellung kann man den Zirkelschluss in zwei Abschnitte unterteilen. Durch Anwendung des Satzes vom Kettenschluss wird die Äquivalenz der Aussagen A, B, C und D nachgewiesen:
„(A => B) und (B => A) sind gegeben.“ bedeutet „(A <=> B) ist gegeben.“.
„(A => C) und (C => A) sind gegeben.“ bedeutet „(A <=> C) ist gegeben.“.
„(A => D) und (D => A) sind gegeben.“ bedeutet „(A <=> D) ist gegeben.“.
In der kreisförmigen Darstellung gilt zusätzlich:
„(B => C) und (C => B) sind gegeben.“ bedeutet „(B <=> C) ist gegeben.“.
„(B => D) und (D => B) sind gegeben.“ bedeutet „(B <=> D) ist gegeben.“.
„(C => D) und (D => C) sind gegeben.“ bedeutet „(C <=> D) ist gegeben.“.
Hat ein Zirkelschluss nur zwei Aussagen als Komponenten, so ist der Zirkelschluss identisch mit dem Kriterium für die Äquivalenz [Die Implikationen (A => B) und (B => A) sind gegeben.], wobei man sich die Folgepfeile etwas gebogen vorstellen muss. Außerdem wird (B => A) durch (A <= B) ersetzt, was lediglich die Umkehrung der Leserichtung bedeutet.
Der Satz über den Zirkelschluss: „Ein bestimmter Zirkelschluss ist gegeben.“ ist äquivalent mit „Die Komponenten (Aussagen) im betreffenden Zirkelschluss sind äquivalent.“. – Aus mehreren äquivalenten Aussagen darf man also einen Zirkelschluss konstruieren. Dabei dürfen die Positionen im Zirkelschluss beliebig vertauscht werden. Man darf sogar die Deduktionsrichtung umkehren. Allerdings wäre es ein logischer Fehler, einen Zirkelschluss als Wahrheitsbeweis für eine der betreffenden Aussagen auszugeben. Für einen direkten Beweis braucht man neben den nachvollziehbaren Schlussfolgerungen mindestens eine Prämisse, also eine Aussage, deren Wahrheit verbürgt ist.
E: Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
G: Für den Flächeninhalt gilt im Viereck ABCD die Formel: F = a * b
H: Das Viereck ABCD ist ein Parallelogramm mit gleich langen Diagonalen.
K: Das Viereck ABCD ist ein Parallelogramm mit Umkreis.
Der Zirkelschluss sagt nur, dass die singulären Aussagen E, G, H und K äquivalent sind.
Für den Nachweis der Wahrheit der Aussage E benötigt man zusätzlich eine Prämisse. Will man beispielsweise H als Prämisse verwenden, so muss die Aussage H nachweislich wahr sein.
Die „einseitige Implikation“ der gehaltvollen Aussagen A und B ist dadurch gekennzeichnet, dass die Schlussfolgerung nur in einer Richtung gültig ist. Es gibt also nur zwei Arten der einseitigen Implikation: Entweder folgt aus A die Aussage B oder aus B folgt die Aussage A. Auf keinen Fall darf man hier die Deduktionsrichtung umkehren. Eine solche Vorgehensweise würde zu einem Trugschluss führen. Bei der einseitigen Implikation muss ein inhaltlicher Zusammenhang gegeben sein und die Äquivalenz ist unmöglich. Außerdem ist im Fall der einseitigen Implikation die Widerspruchsbeziehung unmöglich, wenn es sich um widerspruchsfreie Aussagen handelt.
A: Fritz Meier hat bei der Ausspielung am 18.11.2006 im Lotto gewonnen.
B: Fritz Meier hat bezüglich der Lotto-Ziehung am 18.11.2006 einen Tipp abgegeben oder ist am Gewinn einer anderen Person beteiligt.
A besitzt den logischen Status einer gewöhnlichen Aussage. Folglich sind alle Implikationen von A miteinander vereinbar. Die Aussagen A und B sind Implikationen von A. Also sind die Aussagen A und B miteinander vereinbar. Aus A folgt die Aussage B. Aber zum größten Bedauern des Spielers folgt aus B nicht die Aussage A.
Bei zwei beliebigen gehaltvollen Aussagen A und B ist der logische Zusammenhang immer objektiv gegeben. Es handelt sich jeweils um eine bestimmte relationale Eigenschaft der betreffenden Aussagen. Ist ein inhaltlicher Zusammenhang gegeben, so gibt es beim logischen Zusammenhang sechs Möglichkeiten. Diese schließen sich gegenseitig aus, wenn A und B widerspruchsfreie Aussagen sind:
(1) die Äquivalenz: Die Implikationen (A => B) und (B => A) sind gegeben.
(2) die einseitige Implikation der ersten Art: Die Implikation (A => B) und die
Nicht-Implikation (B =|=> A) sind gegeben.
(3) die einseitige Implikation der zweiten Art: Die Nicht-Implikation (A =|=> B) und die Implikation (B => A) sind gegeben.
(4) die Unabhängigkeit der ersten Art (Kontravalenz): mit Widerspruchsbeziehung und mit Wahrheitsgarantie für eine der beiden Aussagen. Aus (entweder A oder B) folgt
„Die Nicht-Implikationen (A =|=> B) und (B =|=> A) sind gegeben.”.
(5) die Unabhängigkeit der zweiten Art: mit Widerspruchsbeziehung, aber ohne
Wahrheitsgarantie. Die Nicht-Implikationen (A =|=> B) und (B =|=> A) sind gegeben.
(6) die Unabhängigkeit der dritten Art: ohne Widerspruchsbeziehung. Die
Nicht-Implikationen (A =|=> B) und (B =|=> A) sind gegeben.
A: Die Stadt Paris liegt in Frankreich. (wahr)
B: Im 20. Jahrhundert hatte die Stadt Paris sehr viel mehr Einwohner als München. (wahr)
Die Aussagen A und B besitzen einen inhaltlichen Zusammenhang. Sie sind miteinander vereinbar, weil beide wahr sind. Sie sind voneinander unabhängig. Denn weder folgt aus A die Aussage B noch folgt aus B die Aussage A.
Manfred Brill