Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat ein überraschendes Urteil gefällt: Die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Gymnasiallehrer*innen von 23,5 auf 24,5 Stunden pro Woche ist verfassungswidrig. Dieses Urteil sorgt auch über die Landesgrenzen Niedersachsens für große Aufregung, da es eine bundesweite Klagewelle von Lehrer*innen nach sich ziehen könnte.

"Es ist durchaus möglich, dass jetzt auch Lehrer*innen anderer Schulformen oder in anderen Bundesländern das Verhältnis zwischen Regelstundenzahl und außerunterrichtlicher Verpflichtung in ihrem konkreten Fall gerichtlich überprüfen lassen", sagte der dbb-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt in Hannover.

Da es bisher in keinem Bundesland nachvollziehbare Erhebung der Arbeitsbelastung der Lehrer*innen gibt, könnten nun auch Lehrer*innen außerhalb Niedersachsens die Unterrichtsverpflichtung kritisieren und gegen ihre Landesregierungen klagen.

Für den Haushalt Niedersachsens sieht es durch das für die Lehrer*innen positiv ausgefallene Urteil schlecht aus: Zur Kompensierung werden rund 740 Lehrstellen mehr benötigt, was alleine in diesem Jahr mit mehr als 13 Millionen Euro ein riesiges Loch in den Haushalt reißt.
Außerdem sollte sich die Landesregierung mit dem Schaffen dieser Stellen nicht zu viel Zeit lassen, da sich die Überstundenkonten der Lehrer*innen schnell füllen. Bereits bis zum Ende dieses Schuljahres häufen sich 680.000 Überstunden an.

Die Landesregierung will nicht versuchen, gegen das Urteil anzugehen. Eine Revision schlossen die Lüneburger Richter ausdrücklich aus, jedoch könnte Sie Beschwerde einreichen. Dies sehen Jurist*innen ziemlich kritisch, da die Regierung in Hannover damit eine Grundsatzentscheidung verhindert, die Klarheit und Rechtssicherheit über die Grenzen Niedersachsens hinaus schaffen könnte.

In Baden-Württemberg hat Volker Stich, der Chef des dortigen Beamtenbundes, bereits klar gemacht, dass Lehrer*innen dort wahrscheinlich mit guten Chancen klagen werden, sollte die Unterrichtsverpflichtung wieder erhöht werden.

Der Deutsche Philologenverband begrüßt das Urteil des OLG Lüneburg und bezeichnet es als Meilenstein im Kampf um mehr Gerechtigkeit bei der Arbeitszeit von Lehrkräften. Der Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger fordert die KMK auf, endlich eine bundesweite Studie zum diesem Thema in Auftrag zu geben.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Mitte April eine landesweite Arbeitszeitstudie in Niedersachsen gestartet:
Mit dem Ende der Osterferien startete am 13.04.2015 eine landesweite Studie zur in Niedersachsen. An 262 Schulen erfassen tausende Lehrer*innen aller Schularten über ein Jahr lang ihre Arbeitszeit minutengenau.
Ziel der Studie ist eine exakte Erfassung der geleisteten Arbeit, da die gefühlte Belastung der Lehrkräfte sehr hoch ist. Mithilfe der konkreten Zahlen soll Klarheit erreicht werden.


Quellen:
www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersac...ndesweite-Klagewelle
www.n-tv.de/politik/Gehen-Lehrer-jetzt-a...article15392711.html
www.dphv.de/aktuell/nachrichten/details/...pf-um-mehr-gere.html
www.gew-nds.de/index.php/presse-download...udie-der-gew-startet

Nach dem OVG-Urteil bereits viele der zusätzlichen Stellen besetzt – Heiligenstadt zieht positives Zwischenfazit – Niedersächsisches Kultusministerium

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte im Juni dieses Jahres entschieden, dass die von der Landesregierung beschlossene Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung von 23,5 auf 24,5 Wochenstunden für gymnasiale Lehrkräfte nicht rechtmäßig ist. Die niedersächsische Landesregierung hat daraufhin im Rahmen eines Nachtragshaushalts unverzüglich die notwendigen Stellen geschaffen. 450 Stellen konnten bereits zum Schuljahresbeginn 2015/16 zur Verfügung gestellt werden, fast 300 davon sind gegenwärtig bereits besetzt. Die Kultusministerin zeigte sich im Gespräch mit den Verbänden darüber sehr zufrieden.

Hier können Sie mehr zu dem Thema lesen.

Stephanie  Schiemann

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