In der
Olympia-Reihe hatten wir einen
Artikel zur Architektur der Pekinger Olympia-Schwimmhalle, die sich an der Struktur des Weaire-Phelan-Schaums orientiert. Schaum-Strukturen kommen aber auch in Katalysatoren, Filtern, Batterien oder Crashabsorbern vor.
Schäume sind leicht, porös und steif, weshalb man sie für Filter, Crashabsorber, Isolierungen oder Faserverbundstoffe wie PVC-Hartschaum verwendet. (Außerdem haben natürlich Holz, Knochen, Schwämme oder auch Brot und Corn Flakes eine Schaum-Struktur. Und im weiten Sinn kann man auch die
Spin Foam-Modelle der Quantengravitation als Anwendung von Schaumstrukturen ansehen.)
In Deutschland gibt es an den Fraunhofer-Instituten in
Bremen,
Chemnitz und
Kaiserslautern Arbeitsgruppen, die sich mit der Struktur von Schäumen beschäftigen. Aus mathematischer Sicht spielen dabei zum Beispiel
zufällige Laguerre-Tesselationen (siehe Kapitel 5.2. der verlinkten Arbeit) eine Rolle.
Im Netz findet man eine Reihe von Artikeln über Anwendungen verschiedener Metallschäume. In vielen Fällen scheint es sich dabei aber noch um aktuelle Industrie-Forschung, d.h. zukünftige Anwendungen, zu handeln. Einige Beispiele:
Aluminiumschaum:
Metallschäume werden, wie unten abgebildet, oft aus Aluminium hergestellt.
Aluminiumschaum kann viel Energie absorbieren und kann deshalb in Crashschutzelementen verbaut werden. Wegen des geringen Gewichts spielt er auch im Leichtbau eine Rolle, etwa als Gußkerne oder Schwimmkörper. (Bekanntlich ist Aluminium beständig gegen sauren Regen, Salzwasser und viele Schadstoffe. Der Aluminiumpreis ist in den letzten Jahren auf 1800 Euro pro Tonne gestiegen.)
Nickelschaum:
Der
VOC-Katalysator: Die Basis bildet der unten abgebildete Nickelschaum, ein Netzwerk aus Stegen, die Zellen in Form von Pentagondodekaedern bilden. Durch seine metallischen Eigenschaften hat Nickelschaum eine homogenere Wärmeverteilung, und kann schneller erwärmen oder abkühlen. Gegenüber Schüttgut-Katalysatoren oder Aktivkohlefiltern gibt es außerdem große Vorteile im Durchströmungsverhalten.
(Etymologisch geht der Name Nickel darauf zurück, daß es aussieht wie Kupfererz, sich aus ihm aber kein Kupfer gewinnen ließ, als sei es von Berggeistern („Nickeln") behext. Aktuell scheint Nickel aber sehr angesagt zu sein: Erst vor einigen Tagen ist in Moskau bekannt geworden, dass Prochorow 16,7 Prozent Anteile am größten russischen Metallproduzenten Norilsk Nickel für zehn Milliarden US-Dollar an den Mischkonzern Interros seines Ex-Kompagnons Wladimir Potanin verkauft, siehe
SpOn.)
Aus einem
Artikel von McCormick darüber, wie Nickellegierungsschaum die Effizienz von Dieselabgassystemen erhöht:
Mit den Schäumen können Dieselabgasbehandlungssysteme konstruiert werden, die mehrere Vorteile gegenüber konventionellen Systemen aufweisen. Diese Systeme können zum Beispiel nicht nur in den gewöhnlichen Zylinderformen, sondern auch in zahlreichen anderen Formen gebaut werden. Sie werden außerdem leichter und kleiner sein, weniger Platin für den Katalysator erfordern, um denselben katalytischen Effekt zu erreichen, und möglicherweise den Kraftstoffverbrauch verringern. [...] Ein Katalysatorprozess ist in Legierungsschaum aufgrund des Mischeffekts der Schaumstruktur viel effektiver als in konventionellen Durchströmungsanlagen. Dem Katalysator sind außerdem wegen seiner größeren Oberfläche viel mehr Dieselabgase auf ihrem längeren Weg durch das Bett ausgesetzt.
Das Ergebnis ist ein Abgasbehandlungssystem, das nur etwa halb so groß wie ein konventionelles System sein muss und einen halb so teuren Katalysator (gewöhnlich Platin) benötigt, um die Dieselabgase in einem durch die Emissionsrichtlinien festgelegten Umfang zu säubern.
Graphitschaum:
Weil man mit steigenden Nickel-Preisen rechnet, arbeiten Hersteller von Autobatterien aber auch schon an
Alternativen:
Firefly löste die Probleme bei Gewicht und Leistungsausbeute, indem die traditionelle Blei-Anordnung in den Batterien verändert wurde. Statt schwerer Bleigitter wird ein leichter Graphit-Schaum verwendet, um die Elektronen einzusammeln, die bei der chemischen Reaktion in der Batterie entstehen. Cheng, der derzeit nicht mit Firefly zusammenarbeitet, verwendet außerdem Zusatzstoffe, die Gewicht und Leistungsfähigkeit weiter reduzieren helfen sollen. Eine vergrößerte aktive Oberfläche innerhalb der Batterie ermöglicht so einen schnelleren Ladevorgang bei höherer Leistungsabgabe.
Übrigens, wie ich schon in einem Kommentar zum
Artikel über die Olympia-Schwimmhalle geschrieben hatte, wird die Elastizität von Schäumen durch ihren "isotropen Schubmodul" gemesen. ("isotrop" soll heißen, man mißt den Schubmodul in alle Richtungen und bildet den Mittelwert.) Dieser isotrope Schubmodul beträgt:
für den Weaire-Phelan-Schaum 0.8684
für den Kelvin-Schaum 0.8070
und z.B. für den Williams-Schaum 0.7955.
In den nächsten Tagen folgen noch ein paar Beiträge zur Mathematik des Weaire-Phelan-Schaums.